Überlastungsanzeige in der Kita
Der Begriff Überlastungsanzeige wird weder in einem Gesetz noch in einem Tarifvertrag genannt. Er hat sich aus dem allgemeinen Arbeitsrecht heraus entwickelt und ist nicht geschützt. Die Überlastungsanzeige wird häufig auch als Gefahren- oder Gefährdungsanzeige betitelt. Dabei wird ein unmittelbarer Vorgesetzter oder ein Arbeitgeber schriftlich darauf hingewiesen wird, dass durch eine Überlastung des Personals, hervorgerufen zum Beispiel durch personelle Unterbesetzung, organisatorische Mängel oder unzureichende Arbeitsbedingungen, Schädigungen und Gefährdungen der Kita-Kinder, des Trägers oder des Personals drohen. Wichtig ist es aber, dass eine zu erwartende Gefahr oder eine zu erwartende nicht ordnungsgemäße Erfüllung von Aufgaben aus einem sachlichen (nicht persönlichen) Grund unmöglich wird. Diejenigen, die eine Überlastungsanzeige stellen und auf mögliche Gefahren hinweisen, „entlasten“ sich mit dieser Anzeige, z.B. vor strafrechtlichen, zivilrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Gleichwohl bleiben natürlich arbeitsvertragliche Pflichten vollumfänglich erhalten, die Einstellung einer Tätigkeit aufgrund einer Überlastung ist deshalb nicht zu empfehlen.
Rechtlich gesehen besteht sogar eine Pflicht eine Überlastungssituation im Arbeitsverhältnis zu melden. Nach den einschlägigen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches BGB sind Beschäftigte verpflichtet, ihren Arbeitgeber vor drohenden oder vorhersehbaren Schäden zu bewahren und auf organisatorische Mängel oder „nicht-einhalten-können“ von Arbeitszeitvorschriften nach dem Arbeitszeitgesetz aufmerksam zu machen. Auch das Arbeitsschutzgesetz sieht eine Meldepflicht erheblicher Gefahren für Sicherheit und Gesundheit vor.
Bürgerliches Gesetzbuch BGB
§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
„Der Arbeitsvertrag verpflichtet beide Seiten auch zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils entsprechend dem Inhalt der Vereinbarung (BAG 2.3.2006)
Das Gebot der Rücksichtnahme, das eine sogenannte arbeitsvertragliche Nebenpflicht darstellt, verpflichtet die Beschäftigten, ihren Arbeitgeber vor drohenden oder voraussehbaren Schäden zu bewahren.
Weiter konkretisiert werden die Nebenpflichten im Arbeitsschutzgesetz:
§ 15 Pflichten der Beschäftigten
(1) Die Beschäftigten sind verpflichtet nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Entsprechend Satz 1 haben die Beschäftigten auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind.
§ 16 Besondere Unterstützungspflichten
(1) Die Beschäftigten haben dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit sowie jeden an den Schutzsystemen festgestellten Defekt unverzüglich zu melden.
Im BGB werden weitere Pflichten des Arbeitgebers geregelt:
§ 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen
(1) Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.
(3) Erfüllt der Dienstberechtigte die ihm in Ansehung des Lebens und der Gesundheit des Verpflichteten obliegenden Verpflichtungen nicht, so finden auf seine Verpflichtung zum Schadenersatz die für unerlaubte Handlungen geltenden Vorschriften der §§ 842 bis 846 entsprechend Anwendung.
Eine Überlastungsanzeige sollte immer schriftlich formuliert werden. Anhand von konkreten Beschreibungen sind die Umstände, die zu einer Überlastung führen, genau darzulegen. Die Überlastungen bzw. Gefahren, die aus den beschriebenen Umständen folgen, sind ebenfalls anhand konkreter Beschreibungen aufzuführen. Es sollen möglichst auch eigene Vorschläge gemacht werden, wie die Überlastungen behoben werden können. Eine Überlastungsanzeige kann von einzelnen Personen gestellt und unterschrieben werden, aber auch von einer Kita-Leiterin, die stellvertretend für das Team unterschreibt oder sie trägt die Unterschrift von allen Beschäftigten des Kita-Teams.
Zunächst wird in einer Überlastungsanzeige die Bezeichnung der Arbeitsstelle genannt und der Arbeitsbereich, der betroffen ist. Auch die Namen der Beschäftigten müssen genannt werden. Danach geht es um eine möglichst konkrete Beschreibung der Umstände und die dienstlichen sowie persönlichen Folgen dieser Umstände. Arbeiten, die nicht mehr oder nicht mehr regelmäßig erledigt werden können, sind mitzuteilen. Ebenso kann eine Aufforderung an den Arbeitgeber gerichtet werden unverzüglich Maßnahmen einzuleiten um die Situation zu verbessern. Eigene Vorschläge für eine Verbesserung können Bestandteil einer Überlastungsanzeige sein. Am Ende erfolgen Datum und Unterschrift.
Fragen an Ingo Klein, Kita-Experte der GEW
Frage: Welche Umstände führen dazu, dass Überlastungsanzeigen gestellt werden?
Klein: Überlastungsanzeigen aus Kitas beinhalten bei einer Beschreibung der Umstände häufig
personelle Unterbesetzung sowie fehlende Qualifikation von Personal. Auch zu große Gruppen, Ausfall von Personal durch Krankheit, betreuungsaufwändige Kinder oder unzureichende Raumangebote werden immer wieder genannt.
Frage: Zu welchen dienstlichen Folgen führt das?
Klein: Als dienstliche Folgen werden wiederkehrend genannt, dass Kinder und Eltern sich darüber beschweren, dass die pädagogische Konzeption nicht eingehalten werden kann. Ebenfalls regelmäßig genannt wird, dass Qualitätsstandards, beispielsweise bei der Sprachförderung nicht umgesetzt werden können oder, dass Bereiche geschlossen bleiben, weil keine Aufsicht sichergestellt werden kann.
Frage: Und wie sieht es bei den persönlichen Folgen aus?
Klein: Bei den persönlichen Folgen geht es in erster Linie um Arbeitsunzufriedenheit und häufige Erkrankungen aufgrund von Arbeitsstress und Überlastungen.
Frage: Wie reagieren die Arbeitgeber auf Überlastungsanzeigen?
Klein: Gute Arbeitgeber reagieren. Sie analysieren woher eine Überlastung kommt, holen die Personalvertretung mit ins Boot und treffen Maßnahmen. In manchen Kitas gibt es mittlerweile Notfallpläne für besondere Situationen.
Frage: Und wenn nicht reagiert wird?
Klein: Auf keinen Fall locker lassen. Die Überlastungsanzeige sollte erneut gestellt und der Träger an seine Fürsorgepflicht erinnert werden. Die Personalvertretung sollte eingeschaltet werden. Unter Umständen kann es auch ratsam sein außenstehende Stellen zu bemühen.
Frage: Wo gibt es sonst noch Unterstützung?
Klein: Eine wichtige Rolle spielen die Personalräte. Diese wirken laut Gesetz beim Arbeitsschutz mit und können überprüfen, ob der Arbeitgeber alle Vorschriften einhält. Außerdem können Personalräte über Regelungen mitbestimmen, die die Ordnung im Betrieb betreffen.