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Recht auf Ganztag

„Don´t call us Feuerwehr“

Rund 300 Teilnehmende debattierten am 20. und 21. März in Berlin, wie sich die Ganztagsschule multiprofessionell aufstellen kann. Ohne Augenhöhe der beteiligten Berufsgruppen geht es nicht, erklärte dort nicht nur die GEW.

Kongress „Ganztag multiprofessionell gestalten“ am 20. Und 21.2. 2024 in Berlin. (Foto: © Photothek, Thomas Trutschel)

Ab August 2026 soll der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsgrundschulplatz umgesetzt werden. Doch wie die Schulen das bewältigen sollen und dann noch so, dass nicht einfach nur vormittags Unterricht, nachmittags Betreuung stattfindet, ist auch nach dem zweitägigen Kongress, der gemeinsam vom Bundesbildungsministerium und dem Bundesfamilienministerium ausgetragen wurde, weiterhin offen. Der Deutsche Städtetag, vertreten durch die Leiterin des Bildungsdezernats, Daniela Schneckenburger, zweifelte gar den Starttermin an. Ob dieser überall umgesetzt werden könne, bleibe eine „große Frage“.

Probleme bei der Verzahnung zwischen Horten und Schulen

„Ganztag multiprofessionell gestalten“ – so lautete das Motto des Kongresses, der demonstrativ paritätisch begann: Zur Linken der KMK-Präsidentin, der saarländischen Schulministerin Christine Streichert-Clivot (SPD), nahm die Präsidentin der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK), Bremens Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp (SPD) Platz; zur rechten Bundesbildungsministerin Bettina Stark Watzinger (FDP) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Letztere vergaß nicht zu erwähnen, KMK und JFMK hätten sich 2023 – erstmals seit Jahrzehnten – sogar einmal getroffen. Das Signal: Gemeinsam packen wir das! 

„Kooperation funktioniert nicht, wenn man sich nicht trifft (...)“ ( Rebecca Kutz)

Dabei liegt in Sachen Miteinander der Berufsgruppen nach wie vor vieles im Argen. „Kooperation funktioniert nicht, wenn man sich nicht trifft: weder in gemeinsamen Räumen noch zu gemeinsamen Uhrzeiten“ – so Rebecca Kutz, Referentin für Kinder- und Jugendhilfe sowie für Familienpolitik beim AWO Landesverband Sachsen-Anhalt. Bei der strukturellen Verzahnung zwischen Erzieherinnen und Lehrkräften gebe es nach wie vor Probleme. Sogar in ihrem Bundesland, in dem der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung wegen der vielen Horte rechnerisch bereits umgesetzt sei, werde die Zusammenarbeit mit der Schule immer noch in Modellprojekten erprobt.

Hierarchie zwischen den Berufsgruppen nach wie vor groß

Ein zentrales Problem: die Hierarchie zwischen den Berufsgruppen. „Was können Lehrkräfte tun, damit die Zusammenarbeit gelingt?“ wurde Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, gleich mehrfach gefragt: „Das lässt sich nicht einseitig beantworten“, betonte diese immer wieder. Dafür seien gute strukturelle Rahmenbedingungen nötig – Zeit und Ressourcen sowie verbindende Strukturen von der Ausbildung bis zum Lebenslangen Lernen.

Die ideale Ganztagsschule ist zudem eine, die sich öffnet und zu einem Ort für Bildung wie Begegnung wird. Dazu braucht es Kooperationspartner, das wurde auf dem Kongress deutlich: Sportvereine, Kinder- und Jugendeinrichtungen. Auch die, hieß es immer wieder, fühlen sich oft kaum einbezogen, finden schwer Zugang.

„Die Kooperation ist oft durch starke, hierarchische Gefühle bestimmt.“ (Christian Shukow)

Eine Berufsgruppe, die Kontakte gut knüpfen könnte, sind Sozialarbeiterinnen und -arbeiter. Doch auch die sind von der viel beschworenen Augenhöhe zwischen den pädagogischen Professionen weit entfernt, stellten Alessandro Novellino, Referent für Jugendhilfe, Sozialarbeit und Ganztag an Grundschulen im GEW-Hauptvorstand, und Christian Shukow vom AWO-Bundesverband in einem Workshop dar. „Die Kooperation ist oft durch starke, hierarchische Gefühle bestimmt“, berichtete Shukow – schon Bezeichnungen wie „Jugendsozialarbeit in Verantwortung der Schule“ machten das deutlich. Solange das so ist, erklärte Novellino, drohe der Sozialarbeit sogar dort Instrumentalisierung, wo es multiprofessionelle Teams gibt: etwa, weil sie stets in die Pflicht genommen würden, wenn Probleme auftauchen; oder dabei helfen sollten, den unterbesetzten Schulbetrieb abzusichern. „Don´t call us Feuerwehr!“, erklärte Novellino.