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Stellungnahme zum Entwurf einer Änderung der Schulordnung für die öffentlichen Grundschulen und der Verwaltungsvorschrift „Unterrichtsorganisation in der Grundschule“

Die GEW RLP lehnt die vorgelegten Änderungen an der GSchO und der VV „Unterrichtsorganisation in der Grundschule“ in weiten Teilen ab. Ungeachtet dessen fordert die GEW RLP eine Verschiebung der geplanten Änderungen der GSchO sowie der Verwaltungsvorschrift „Unterrichtsorganisation in der Grundschule“ um ein Schuljahr.

Stellungnahme zum Entwurf einer Änderung der Schulordnung für die öffentlichen Grundschulen und der Verwaltungsvorschrift „Unterrichtsorganisation in der Grundschule“

Schreiben des BM vom 09.02.2024, Aktenzeichen: 0506-0001#2023/0002-0901 9411B

Die GEW Rheinland-Pfalz nimmt zu dem o.g. Entwurf wie folgt Stellung:

Grundsätzliches

Die GEW RLP lehnt die vorgelegten Änderungen an der GSchO und der VV „Unterrichtsorganisation in der Grundschule“ in weiten Teilen ab.

Ungeachtet dessen fordert die GEW RLP eine Verschiebung der geplanten Änderungen der GSchO sowie der Verwaltungsvorschrift „Unterrichtsorganisation in der Grundschule“ um ein Schuljahr.

Schulen brauchen ausreichend Zeit, um geänderte Vorgaben in schulische Konzepte sinnvoll einarbeiten zu können.

Zu der im Entwurf der Verwaltungsvorschrift „Unterrichtsorganisation in der Grundschule“ vorgesehenen Erhöhung des Unterrichts in Klassenstufe 2 benötigen die Schulen Zeit zur Umorganisation von Mittagessen und Lernzeiten. Hier müssen entsprechende Gremien eingebunden, Beschlüsse gefasst und Schülertransport umorganisiert werden. In der Kürze der Zeit ist das nicht machbar.

Im Zuge der anstehenden Änderungen an der GSchO fordert die GEW RLP, endlich die notwendigen Änderungen zur Übereinstimmung von GSchO mit der InSchO und dem Schulgesetz vorzunehmen.

Änderungen der GSchO

§§10, 11, 13 Anmeldung zum Schulbesuch

Die GEW RLP sieht eine vorgezogene Schuleinschreibung kritisch. Zwar wird der Wunsch nach einem möglichst frühen Zugang zu Unterstützungsangeboten für Kinder anerkannt, allerdings überwiegen aus Sicht der GEW RLP die negativen Aspekte hinsichtlich der individuellen Entwicklungsprozesse des einzelnen Kindes in dieser Altersgruppe. Gerade mit Blick auf die zu diesem früheren Zeitpunkt sehr dynamische Moralentwicklung und das nicht gefestigte Selbstbild können aus unserer Sicht die vorgezogene Schuleinschreibung und damit verbundenen Testungen belastend für die Kinder wahrgenommen werden.

Um dennoch notwendige Entwicklungsfelder bei Kindern frühzeitig zu erkennen und mögliche Unterstützungsangebote  anbieten zu können, sei an dieser Stelle auf die Bedeutung der Gesundheitsuntersuchungen für Kinder („U-Untersuchungen“) verwiesen. Insbesondere die U8 (43. bis 48. Lebensmonat) hat die intensive Prüfung der Entwicklung von Sprache zum Inhalt, ebenso wird nachfolgend in der U9 (60. bis 64. Lebensmonat) die Sprachentwicklung weiter überprüft. Ein frühzeitiges Erkennen von Unterstützungsbedarfen ist damit bereits zum jetzigen Zeitpunkt möglich.

§11(3) Sätze 4 und 5

Die GEW RLP lehnt die Anordnung der Sprachförderung in Satz 4 ab.

Die GEW RLP fordert die Streichung der Sätze 4-6 und eine Beibehaltung der Formulierung „Wird ein Sprachförderbedarf festgestellt, soll die Teilnahme an Sprachfördermaßnahmen empfohlen werden.“

Die GEW RLP betont an dieser Stelle die Freiwilligkeit des Kita-Besuchs und lehnt jegliche Versuche ab, den Besuch einer Kindertagesstätte verpflichtend vorzuschreiben. 94,6% der fünfjährigen Kinder in Rheinland-Pfalz besuchen bereits eine Kindertagesstätte.

Darüber hinaus sieht die GEW RLP keinerlei Rechtsgrundlagen, auf deren Basis die GSchO Sprachförderung in Kindertagesstätten anordnen kann.

Die GEW RLP favorisiert das Konzept der alltagsintegrierten Sprachbildung. Daher ist es unerlässlich, dass für Kindertagesstätten zur Bewältigung der wachsenden Zahl an Sprachfördermaßnahmen eine Verbesserung der Fachkraft-Kind-Relation angestrebt wird.

§ 33 (5) Grundsätze der Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung

Die GEW RLP fordert von der Streichung abzusehen und bei der ursprünglichen Formulierung zu bleiben.

§39 Arten und Inhalt der Zeugnisse

Die GEW RLP fordert die prinzipielle Ermöglichung von kompetenzorientierten Zeugnissen anstelle ausformulierter verbaler Beurteilungen.

§39 (5) Fremdsprachenarbeit

Vorbemerkung: Die GEW RLP fordert, auch weiterhin Fremdsprachenarbeit in der GS integrativ umsetzen zu können (s. Stellungnahme Verwaltungsvorschrift „Unterrichtsorganisation in der Grundschule“).

Die GEW RLP lehnt den neu vorgesehenen Halbsatz ab und fordert, bei der bisherigen Vorgehensweise zu bleiben.

Das Fremdsprachenlernen in der GS soll Sprachbegegnung, Spaß an der Sprache und am Sprechen ermöglichen und muss angstfrei bleiben. Um die Fremdsprachenarbeit auf dem Zeugnis verbal erläutern zu können, müssen Lehrkräfte SuS einschätzen. Dazu müssen, analog zu den anderen Fächern, Leistungen bewertet und somit auch erhoben werden.

Der Charakter des Fremdsprachenlernens in der Grundschule verändert sich hiermit massiv. Dies lehnt die GEW RLP entschieden ab.

In RLP fehlen grundständig ausgebildete Lehrkräfte für das Fremdsprachenlernen. Die GEW RLP sieht es als unverantwortbar an, dass in der Fremdsprachenarbeit unausgebildete Lehrkräfte SuS-Leistungen erheben und bewerten.

Für LK bedeutet der Paradigmenwechsel in der Fremdsprachenarbeit ein weiteres Fach mit Lernstandserhebungen, Leistungsnachweisen und Zeugnisbemerkungen. Dies ist eine zusätzliche Arbeitsbelastung, die abzulehnen ist.

§ 39 (7)

Die GEW RLP lehnt die Streichung ab.

Anlage Unterrichtsfächer und Lernbereiche der GS

Die GEW RLP fordert, bei der Bezeichnung „Bildende Kunst / Textiles Gestalten / Werken“ zu bleiben.

Die bisherige Bezeichnung betont die Vielfältigkeit des Faches, die in der Grundschule besonders wichtig ist. Die Förderung und Ausprägung feinmotorischer Fähigkeiten sowie der Umgang mit vielen unterschiedlichen Materialien und Arbeitsweisen fördert die Entwicklung der Kinder und ermöglicht grundlegende Erfahrungen.

Zudem fordert die GEW RLP, bei der Bezeichnung „integrierte Fremdsprachenarbeit in Englisch oder Französisch“ zu bleiben.

 

Änderungen der VV Unterrichtsorganisation in der Grundschule

2.1

Die GEW RLP lehnt die Erhöhung des Pflichtunterrichts in Klasse 2 ab und fordert dementsprechend, bei der Klassenpauschale 14 LWS für Klassenstufe 2 zu bleiben.

 

3. Fächer und Lernbereiche/ Stundentafel

Mehr Deutsch statt Fremdsprache in Klasse 1/2

Die Erhöhung des Zeitanteils Deutsch um eine LWS in Klassenstufe 1 und 2 begrüßt die GEW RLP.

 

Erhöhung der LWS in Klassenstufe 2

Die Erhöhung der LWS in Klassenstufe 2 auf 21 LWS lehnt die GEW RLP aus pädagogischen und organisatorischen Gründen ab. Die GEW RLP fordert, bei den bisherigen 6 LWS für die Bereiche Musik / Sport / BTW zu bleiben.

Die zusätzliche LWS stellt insbesondere GTS vor große organisatorische Herausforderungen hinsichtlich Mensabelegung und Lernzeiten.

Aus pädagogischer Sicht ist ein Unterrichtstag mit 250 Minuten Unterricht für Kinder im 2. Schuljahr zu lang, das zeigt der bisherige „lange Tag“ in der Praxis. Gerade für Ganztagskinder, mit sich dann nach hinten verschiebender Lernzeit, stellt ein solcher Tag eine besondere Belastung dar.

 

Tägliches Leseband

Die GEW RLP begrüßt die Einführung einer Lesezeit, fordert jedoch mehr Flexibilität für Schulen, so dass bewährte, bestehende Konzepte zum Lesen / zu Lesezeiten an den Schulen bestehen bleiben können.

 

Aufspaltung des Lernbereiches Musik/ Sport/ BTW

Die geplanten Änderungen in der Stundentafel für die Fächer Musik / Sport / BTW, also die Aufspaltung in einzelne Fächer mit festgeschrieben Stundenanteilen, stellt zum einen eine faktische Kürzung des Faches Sport dar und nimmt zum anderen den Schulen gestalterischen Spielraum.

Die GEW RLP fordert die Beibehaltung einer Gesamtstundenzahl für Musik / Sport / BTW wie bisher.

 

Kürzung des Fachanteils Sport

Die Kürzung des Fachanteils Sport ist für die GEW RLP aus pädagogischer, gesundheitlicher und wissenschaftlicher Sicht weder nachvollziehbar noch verantwortbar und entschieden abzulehnen.

„Im Hinblick auf den Anstieg der Adipositasprävalenzen im Schulalter und die gesundheitlichen Folgen, die sich aus starkem Übergewicht ergeben können, sollte der Entwicklung von Adipositas frühzeitig vorgebeugt werden“ (aus: Adipositas im Kindesalter, RKI, 2018).

„Laut KiGGS Welle 2 (2014-2017) sind 15,4 % der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht betroffen, 5,9 % haben eine Adipositas“ (aus: Robert Koch-Institut (RKI) (2020) AdiMon-Themenblatt: Adipositas bei Kindern und Jugendlichen (Stand: 29. Juni 2020)).

„Bewegung: Die Ergebnisse aller 45 Länder zeigen, dass weniger als einer von fünf Jugendlichen die Empfehlungen der WHO für körperliche Betätigung erfüllt. Auch in Deutschland halten sich Jugendliche selten an die WHO-Empfehlung von 60 Minuten täglicher körperlicher Betätigung, international schneidet hier Deutschland eher schlechter ab“ (https://www.deutschesgesundheitsportal.de/2020/05/19/who-studie-jeder-fuenfte-jugendliche-in-deutschland-ist-zu-dick/).

Bisher waren an vielen Schulen in 4 Schuljahren in Summe 10-12 LWS Sport / Sport und Bewegungszeit möglich, nach den geplanten Änderungen sind nur noch 8 LWS möglich. Diese Kürzung lehnt die GEW RLP entschieden ab.

Die GEW RLP fordert die Beibehaltung des Lernbereiches mit einem Gesamt-Minutenanteil, um weiterhin den Sportunterricht in drei Einheiten wie bisher umsetzen zu können.

Einen weiteren Aspekt für die Beibehaltung der bisherigen Praxis sieht die GEW RLP in zahlreichen Studien, die bekanntermaßen den Zusammenhang von Lernleistung und Bewegung bestätigen:

„Experten sehen in der zunehmenden Bewegungslosigkeit der nachwachsenden Generation einen der Gründe für die schlechten Ergebnisse der PISA-Studie. „Kinder und Jugendliche waren körperlich noch nie so inaktiv wie heute", heißt es in der Resolution von Sportmedizinern und Kinderärzten. In Deutschland haben nach ärztlichen Schätzungen 20 Prozent der Kinder Übergewicht, 60 Prozent leiden an Haltungsschäden, 40 Prozent haben Koordinationsprobleme und 25 Prozent leiden an Herz- und Kreislaufschwächen“ (https://www.ganztaegig-lernen.de/zusammenhang-von-bewegung-und-lernen).

Bei einer Festlegung auf 2 LWS Sport können viele Schulen ihre Konzepte wie Bewegungszeiten usw. nicht mehr umsetzen.

Die GEW RLP weist außerdem darauf hin, dass in Schuljahren, in denen Schwimmunterricht angeboten wird, bei nur 2 LWS Sport keine Zeit mehr für weiteren Sportunterricht bleibt.

 

Inkrafttreten

Die GEW RLP fordert das Inkrafttreten um ein Schuljahr zu verschieben, um den Schulen die nötigen zeitlichen Spielräume zur Planung, Umsetzung und Einbindung aller beteiligten Gremien zu geben.

Betroffen von den vorgesehenen Änderungen sind die Organisation des Mittagessens und der Lernzeit in der GTS, die schuleigenen Konzepte zur Bewegungszeit und die schuleigenen Konzepte zu Lesezeiten / zum Lesen.

Die Änderungen der GSchO fordern weiterhin eine Überarbeitung des Einschulungskonzeptes.

Perspektivisch muss auch das Fremdsprachenkonzept grundlegend überarbeitet werden.

 

Diese umfassenden konzeptionellen Änderungen sind von den Schulen bis zu den Sommerferien nicht zu leisten.

 

Übergangslösung Klassenstufe 2

Die Übergangsregelung für das Schuljahr 24/25 für Klassenstufe 2 lehnt die GEW RLP ab und fordert, den Schulen bei einer Beibehaltung der 20 LWS schulinterne Lösungen zum Übergang bezüglich mehr Lernzeit für das Fach Deutsch und einer Brückenlösung für die Integrierte Fremdsprachenarbeit zuzugestehen.

 

Grundsätzliches

Mit Inkraftsetzung der InSchO erwartet die GEW Rheinland-Pfalz für eine größere Zahl an SuS einen erhöhten Unterstützungsbedarf in der Schuleingangsstufe 1 und 2. Dazu sind in der VV Unterrichtsorganisation entsprechende Ressourcen an LWS sicherzustellen (Grundschul- und/oder Förderschullehrkräfte).

 

Mainz, 28.03.2024

Kontakt
Peter Blase-Geiger
Geschäftsführer GEW Rheinland-Pfalz
Adresse Landesgeschäftsstelle Mainz
Telefon:  06131 28988-15