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Zweiter Entwurf zum Kita-Zukunftsgesetz

Stellungnahme zum zweiten Entwurf zum Kita-Zukunftsgesetz

Die GEW Rheinland-Pfalz nimmt wie folgt Stellung:

Am 9. April 2019 präsentierten Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig den überarbeiteten, zweiten Entwurf zum Kita-Zukunftsgesetz.

Das Kindertagesstättengesetz für Rheinland-Pfalz ist seit 1991 in Kraft. Die dort und in den damit verbundenen Verordnungen vorgenommenen Regelungen sind aus heutiger Sicht veraltet. Die Regelpersonalschlüssel werden den Ansprüchen einer Kita als Bildungseinrichtung nicht gerecht. Die Landesverordnung zur Ausführung des Kindertagesstättengesetzes schafft neben den verbindlichen Schlüsseln für Regelpersonal verschiedene Möglichkeiten Mehrpersonal einzusetzen (siehe LVO § 2 Abs. 5). Da diese Regelungen zur Personalbemessung allerdings als „Kann“-Bestimmungen formuliert sind, führt dies derzeit zu einer großen Spannbreite der tatsächlichen Personalschlüssel in rheinland-pfälzischen Kindertagesstätten. Bedingt ist dies unter anderem dadurch, welche Prioritäten die Jugendämter anlegen, in deren Genehmigungsverantwortung diese Personalanteile liegen.

Das Fachpersonal in den Kindertagesstätten meldet der GEW schon seit vielen Jahren zurück, dass die Aufgaben, die mittlerweile an die Einrichtungen gestellt werden, mit den vorhandenen Mitteln nicht zu bewältigen sind. Vielmehr hat sich die Situation, so die Berichte aus der Praxis, derart verschärft, dass einerseits die Qualität nicht mehr gewährleistet werden kann und andererseits das Personal selbst ausbrennt! Vielerorts ist es an der Tagesordnung, dass die Beschäftigten der Kindertagesstätten den Trägern Gefahren anzeigen müssen, die aus diesen Überlastungen heraus entstehen. Der Beruf der Erzieherinnen und Erzieher ist dadurch derart unattraktiv geworden, dass ein eklatanter Fachkräftemangel entstanden ist. So zeigt der „DGB-Index Gute Arbeit“ bereits 2015 auf, dass die Zufriedenheit der Berufsgruppe nur im unteren Mittelfeld liegt.

Eine Novellierung des bestehenden Gesetzes ist daher lange überfällig. Es ist gut, dass die Landesregierung diesen Missstand nun mit dem Kita-Zukunftsgesetz abstellen will.

Der jetzt vorliegende Entwurf für ein Kita-Zukunftsgesetz beinhaltet „Licht und Schatten“! Wir können sowohl positive Entwicklungen erkennen, müssen aber auch festhalten, dass einige unserer Kernforderungen weiterhin nicht erfüllt werden.

Ein zentraler Streitpunkt Kita-Zukunftsgesetzes war die Frage der Finanzierung dieses Gesetzes. Es ist positiv hervorzuheben, dass das Land das bisherige Finanzvolumen für Kitas um anfangs gut 81 Mio. jährlich aufstockt. Dieses Volumen wird entsprechend der Platzentwicklungen und der Gehaltsentwicklungen dynamisiert. Es ist anzuerkennen, dass die Landesregierung dies auch dann weiterträgt, wenn die Mittel aus dem KiQuTG (Gute-Kita-Gesetz) vermutlich ab 2023 nicht mehr zur Verfügung stehen. Dennoch müssen, um qualitativ hochwertige Arbeit in den Kitas zukünftig sicherzustellen, in den nächsten Jahren weitere Finanzmittel bereitgestellt werden, damit man sich den laut Bertelsmann Ländermonitor zusätzlichen Mitteln von 270 Mio. jährlich annähert.

Durch das Kita-Zukunftsgesetz in der jetzt vorliegenden Fassung können sich die Kitas im Land durchschnittlich besserstellen. Jene Einrichtungen, die bereits jetzt personell besser ausgestattet sind, haben große Sorgen über den Verlust von Stellen. Sie brauchen unbedingt eine Garantie, dass sich nach der Novellierung keine Kita schlechter stellen wird!

Abschließend beurteilt, sehen wir den Gesetzesentwurf als einen Schritt in die richtige Richtung, sehen aber auch die zwingende Notwendigkeit für eine verbindliche, kontinuierliche Weiterentwicklung, im Dialog mit allen Beteiligten.


Zu einigen ausgesuchten Regelungen im jetzt vorliegenden Gesetzentwurf haben wir folgende Anmerkungen:

§ 7 Beirat

Die GEW Rheinland-Pfalz hält die Einführung eines Beirats als zusätzliches Gremium aufgrund des organisatorischen und zeitlichen Aufwands für nicht zielführend und schlägt vor, die positiven Aspekte wie die erweiterten Mitbestimmungsrechte und die Vertretungen für Beschäftigte sowie Kinder, auf das Gremium des Elternausschusses zu übertragen. Das nun die Sicht der Kinder mit einbezogen werden muss ist zu begrüßen. Dies zeigt eine basisdemokratische Grundhaltung, die im öffentlichen Leben selbstverständlich sein muss und den Kinderrechten entspricht.

Die in Absatz 2 gefasste Regelung, dass der Beirat „zu gleichen Teilen durch Vertreterinnen oder Vertreter des Trägers der Tageseinrichtung, der Leitung der Tageseinrichtung, der pädagogischen Fachkräfte und Mitglieder des Elternausschusses zu besetzen“ ist, halten wir nicht zielführend. Einerseits sind in Absatz 3 die Stimmenanteile klar geregelt. Andererseits ist es für den Träger, für die Leitung und die Fachkräfte eine hohe Beanspruchung, mehr als jeweils eine Person in den Beirat zu entsenden. Für die Elternvertretungen ist es jedoch durchaus von Vorteil durch mehr als eine Person vertreten sein zu können.

Bezüglich der Wahlmodalitäten schlägt die GEW Rheinland-Pfalz vor, deren Ausgestaltung weitgehend dem jeweiligen Elternausschuss zu überlassen, sodass innovative Wahlverfahren sowie ein zweijähriger Wahlturnus möglich werden.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass nun auch Kreis- bzw. Stadtelternausschüsse und der Landeselternausschuss gesetzlich verankert werden sollen.


§ 14 Förderung in einer Tageseinrichtung, Rechtsanspruch

Der Entwurfstext formuliert einen Anspruch auf institutionelle Betreuung schon für Einjährige. Eine solche Festlegung des Rechtsanspruches auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung ist zu begrüßen, wird aber dazu führen, dass zusätzliche institutionelle Kapazitäten eingerichtet werden müssen.

§ 24 Absatz 2 SGB VIII regelt, dass sich der Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung nach dem individuellen Bedarf richtet. Es ist Aufgabe der Bedarfsplanung dies sicherzustellen. Da die Begrifflichkeit „individueller Bedarf“ aber je nach Priorität der Bedarfsplanung zurzeit sehr unterschiedlich ausgelegt wird, ist es notwendig in einer Verordnung zur Bedarfsplanung klarzustellen, dass die Bedarfsanmeldung der Eltern im Rahmen der zur Verfügung stehenden Öffnungszeiten der Einrichtungen im Planungsgebiet bedingungslos umzusetzen ist.

Die GEW Rheinland-Pfalz hält es für einen Schritt in die richtige Richtung, dass ein Rechtsanspruch auf durchgehende Betreuung von mindestens sieben Stunden festgelegt werden soll. Perspektivisch sollten die Rahmenbedingungen in den Einrichtungen so weiterentwickelt werden, dass ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung angestrebt werden kann.

Es ist darüber hinaus zu begrüßen, dass für Angebote über Mittag grundsätzlich ein Mittagessen vorgesehen werden soll. Hier sollte der Gesetzestext „grundsätzlich ein warmes Mittagessen“ vorsehen.

In Kindertagesstätten, in denen noch nicht alle Kinder über Mittag betreut werden, wird der Anspruch dazu führen, dass die räumlichen, sachlichen und personellen Ressourcen ausgebaut werden müssen. Dies ist vor Genehmigung geeignet sicherzustellen.

Die GEW Rheinland-Pfalz erkennt an, dass ein angemessener Übergangszeitraum vorgesehen wird, um den hier formulierten Betreuungsanspruch gerecht zu werden und dass für den Ausbau von Küchen und sonstigen Räumen, die für einen erhöhten Bedarf an Betreuung über Mittag gebraucht werden, 13,6 Mio. € zur Verfügung stehen.


§ 19 Bedarfsplanung

Dass sich die Personalbemessung zukünftig an genehmigten Plätzen statt an Gruppen orientieren soll, ist ein nachvollziehbarer Schritt. Die Bedarfsplanung des örtlichen Jugendamtes nimmt dabei aber eine besonders wichtige Rolle ein. Sowohl die Zahl der geplanten Plätze, wie auch die im Bedarfsplan ausgewiesenen Betreuungszeiten wirken sich unmittelbar auf die Personalausstattung der betroffenen Einrichtungen aus. Die in der Bedarfsplanung festgelegten Größenordnungen können sehr variabel ausgewiesen werden. Je nach Prioritäten der jeweiligen Jugendämter wird die Planungsverantwortung vermutlich enger oder großzügiger wahrgenommen. Bei einer sehr engen Bedarfsplanung können dann eventuell nicht vorhersehbare Bedarfe keine Berücksichtigung erfahren. Dies kann weiter dazu führen, dass Einrichtungen häufig wechselnde Betriebserlaubnisse erhalten und dementsprechend der errechnete Personalbedarf häufig wechselt. Im Sinne einer pädagogisch gewollten hohen personalen Kontinuität und im Sinne der gewerkschaftlich angestrebten hohen Verlässlichkeit von Arbeitsplätzen ist dies entschieden abzulehnen. Die GEW Rheinland-Pfalz forderte in ihrer Stellungnahme zum ersten Gesetzesentwurf daher, Größenordnungen zu definieren, die als Platzpuffer genutzt werden können. Im jetzt vorliegenden Entwurf hat die Landesregierung dies auch entsprechend aufgenommen. Es ist aus unserer Sicht daher positiv anzumerken, dass der Planungspuffer nun zum Stichtag 31. Mai eines jeden Jahres bestimmt wird und dass anfänglich 20 % nicht belegte Plätze mitfinanziert werden. Wie weit man in den Altersgruppen 2+ sich dann auf einen Puffer von 8 % hin entwickeln kann, wird die Zeit bis zur Evaluation des Gesetzes zeigen.

Dennoch ist die Auffassung der GEW Rheinland-Pfalz, dass die Gesetzesvorlage noch nicht dem Entspricht, was das Sozialgesetzbuch als Anspruch in § 80 SGB VIII „Jugendhilfeplanung“ formuliert. Der dort festgehaltene Begriff der Bedarfsplanung geht deutlich weiter als das, was in der Vorlage zum Kita-Zukunftsgesetz verankert ist.

In Rheinland-Pfalz wurden dazu „Orientierungshilfen zur Bedarfsplanung für Kindertagesstätten“ (Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses vom 4. Juni 2008) entwickelt. Um eine qualitativ hochwertige Versorgung mit Plätzen in Tageseinrichtungen und Tagespflege gewährleisten zu können, muss die Orientierungshilfe nach ihrer Anpassung auf die neue Gesetzeslage als verbindlich erklärt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Bedarfe der Kinder und ihrer Sorgeberechtigten erfasst und in die Planung einbezogen werden.


§ 21 Personalausstattung

Die im Gesetzesentwurf formulierte Personalausstattung bewegt sich in eine richtige Richtung. Jedoch entspricht sie noch nicht der Sicht der Wissenschaft, die als Schwellenwerte für qualitativ gute Erziehung, Bildung und Betreuung in Kindertageseinrichtungen notwendig sind.

Dadurch, dass die Zweijährigen im Gesetzentwurf den „Regelkindern“ zugeordnet werden, fallen die besonderen Regelungen des Kindertagesstättengesetzes für diese Altersgruppen weg. Der besondere Betreuungsaufwand bleibt aber. Im Vergleich zum ersten Gesetzesentwurf wurde dieser Bedarf ansatzweise einkalkuliert, indem die VZÄ für die Altersgruppe 2-6 Jahre um 0,009 angehoben wurden.

Dies ist aus fachlicher Sicht ein Schritt in die richtige Richtung. Wir weisen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die individuellen Bedürfnisse der 2-Jährigen im stärkeren Maße Berücksichtigung finden müssen. Insbesondere befürchten wir dies hinsichtlich des Rechtanspruchs der 2-Jährigen auf 7 Std. Betreuungszeit mit Mittagessen. Die nun festgesetzten VZÄ können in unseren Augen nur ein erster Schritt sein und sind entsprechend wissenschaftlicher Erkenntnisse weiterzuentwickeln.

Positiv zu bewerten ist, dass nach der Vorlage nun eine verbindliche Anpassung der Personalquote an die Betreuungszeiten vorgenommen wird. Längere Betreuungszeit führen dann automatisch auch zu höheren Personalquoten.

In Absatz 2 wird auf die sogenannte Fachkräftevereinbarung verwiesen. Die derzeit geltende Vereinbarung ist in Teilen nicht mehr geeignet, um die bisherigen Standards zu sichern. Dadurch, dass der Bezug der Personalbemessung auf die genehmigten Gruppen wegfällt, fällt auch die Begrifflichkeit der „Gruppenleitung“ weg. Gerade diese Definition führte dazu, dass pro Gruppe mindestens eine staatlich anerkannte Erzieherin oder ein staatlich anerkannter Erzieher beschäftigt werden musste. Neben den Spitzenverbänden der Träger von Tageseinrichtungen sind aber unbedingt auch die Vertretungen der Beschäftigten bei der Neufassung zu beteiligen. Als deren adäquate Interessenvertretungen sehen wir die GEW und ver.di.

Die in Absatz 6 formulierte Vorschrift, die personelle Besetzung grundsätzlich während des ganzen Jahres sicher zu stellen oder Ausgleichmaßnahmen bei Personalunterschreitungen zu vereinbaren, wird von der GEW Rheinland-Pfalz ausdrücklich begrüßt. Auch sehen wir es als positiv an, dass die in § 28 geregelte Datenerhebung ein Kontrollinstrument darstellt, das geeignet ist, die Einhaltung der genehmigten Personalschlüssel auch durchzusetzen.

Die im Schlusssatz des Absatzes 6 vorgesehene Öffnung, dass Vertretungen durch Kräfte zugelassen werden, die nicht die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 2 erfüllen, kritisiert die GEW Rheinland-Pfalz entschieden. Es muss weiterhin dem Genehmigungsvorbehalt des Landesjugendamtes unterliegen, Nichtfachkräfte zu beschäftigen. Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass solche Genehmigungen nur befristet und nur dann erteilt werden, wenn der Träger der Einrichtung nachweisen kann, dass er ich intensiv bemüht Fachpersonal zu gewinnen.

In Absatz 7 wird ein Zeitbudget für die Anleitung aller Personen in Ausbildung in den Kindertagesstätten eingeführt. Dieses umfasst in etwa eine Stunde pro Woche und Person in Ausbildung. Damit wird eine alte Forderung der GEW Rheinland-Pfalz endlich umgesetzt.


§ 22 Leitung einer Tageseinrichtung

Die Leitung einer Tageseinrichtung nimmt eine zentrale Rolle in der Planung und Ausgestaltung der täglichen pädagogischen Arbeit ein. Es ist daher richtig, dass Zeiten für Leitungstätigkeit in dem Gesetzentwurf verbindlich festgeschrieben werden. Allerdings bleiben die hierfür festgesetzten Vollzeitäquivalente erheblich hinter dem zurück, was tatsächlich notwendig ist. Die GEW hat in ihrem Forderungskatalog von 2016 einen Umfang von einer Viertel Stelle pro Gruppe gefordert. Auf die Systematik des Entwurfes für ein Kita-Zukunftsgesetz lässt sich das nicht genau umrechnen. Ein Annäherungswert könnte sein, dass pro 20 Betreuungsplätze 0,25 Vollzeitäquivalente vorzusehen sind. Da die Leitungszeit über die Betreuungszeiten der Plätze an die Bedarfsplanung gekoppelt ist, befürchtet die GEW Rheinland-Pfalz erhebliche Schwankungen in diesem Bereich.

Die Entlastung der Leitungstätigkeiten von Verwaltungsaufgaben ist zu begrüßen. Damit, dass 20 % der Leitungszeit durch Verwaltungspersonal ersetzt werden kann, ist dies aber nicht sichergestellt. So findet nur eine Verlagerung statt. Notwendig ist es daher, dass 20 % auf die Leitungszeiten zusätzlich für Verwaltungsarbeiten bereitgestellt werden. Außerdem sind die Tätigkeiten, die der Einrichtung zugeordnet werden, zu definieren, damit sichergestellt ist, dass sie nicht für andere allgemeine Verwaltungstätigkeiten verwendet werden.

Die GEW Rheinland-Pfalz fordert außerdem eine Verpflichtung zur Bestellung einer ständigen stellvertretenden Leitung in das Gesetz aufzunehmen, sowie es tariflich vorgesehen ist, um eine hohe Kontinuität in der Leitungsqualität zu gewährleisten.


§ 23 Weiteres Personal in Tageseinrichtungen

Besonders begrüßenswert ist es, dass diese Regelung nun sicherstellt, dass „in einer im pädagogischen Bereich berufsqualifizierenden Ausbildung, in einem im pädagogischen Bereich berufsqualifizierenden Studium“ befindliche Personen zusätzlich zum sonstigen Fachpersonal beschäftigt werden können. Somit ist auch für berufsbegleitende Ausbildungsgänge sichergestellt, dass der Schüler*innen-Status dabei gewahrt bleibt.

 

 

Mainz, 13.06.2019

Kontakt
Ingo Klein
Gewerkschaftssekretär
Adresse Regionalbüro Süd, Mainz
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