// Kita-Zukunftsgesetz: Landesvorstand der GEW Rheinland-Pfalz fordert deutliche Nachbesserungen //
Scharfe Kritik am Entwurf zur Novellierung des rheinland-pfälzischen Kita-Gesetzes übt der Landesvorstand der GEW Rheinland-Pfalz in seiner Stellungnahme. Insbesondere in Bezug auf die Fachkraft-Kind-Relation und die Finanzierung fordert er deutliche Nachbesserungen am Entwurf.
Seit der Implementierung des Kita-Gesetzes im Jahr 1991 hat sich die gesellschaftliche Perspektive und das System der Kindertagesstätten sowie der Anspruch an den Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag grundlegend verändert. Die aus heutiger Sicht veralteten Verordnungen und damals vorgenommenen Regelungen sind nicht mehr zeitgemäß.
Nicht erst seit dem „PISA-Schock“ und den Tarifrunden 2009 und 2015 haben sich die Kindertagesstätten in der öffentlichen Wahrnehmung zu Bildungseinrichtungen entwickelt. Die Aufgabenfülle der pädagogischen Fachkräfte in den Kitas hat sich enorm gesteigert, z.B. durch den Rechtsanspruch für Einjährige, weshalb der von der Landesregierung angedachte Weg zur Novellierung des Kindertagesstätten-Gesetzes ein notwendiger und begrüßenswerter Schritt ist.
Seit der Ankündigung der Gesetzesnovelle im Koalitionsvertrag 2016 begleitet die GEW Rheinland-Pfalz den Gesetzgebungsprozess kritisch-konstruktiv und konnte in den vergangenen beiden Jahren zahlreiche politische und fachliche Gespräche dazu führen. Mit Beharrlichkeit hat sich die GEW Rheinland-Pfalz im Bündnis mit den kirchlichen Trägern und ver.di dabei immer für eine dringend notwendige, auf wissenschaftlichen Standards beruhende, Fachkraft-Kind-Relation eingesetzt.
“Eine bessere Fachkraft-Kind-Relation ist aus unserer Sicht ausschlaggebend, um eine kindzentrierte Bildungsarbeit zu sichern und die Ansprüche aus den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen des Landes erfüllen zu können“, führt Kathrin Gröning, Sprecherin der Landesfachgruppe Sozialpädagogische Berufe der GEW Rheinland-Pfalz, aus.
Enttäuscht zeigt sich der Landesvorstand der GEW-Rheinland Pfalz über die Prämisse des Bildungsministeriums bei der Novellierung einzig die Vorgaben des Rechnungshofes aus 2017, welcher eine Vergleichbarkeit der Bedingungen und eine Auslastung der Plätze anmahnte, erfüllen zu wollen und so die Praxisrealität absolut auszublenden.
„Mit dem vorgelegten Entwurf erreicht das Bildungsministerium nicht das selbst gesteckte Ziel, die ungleichen Verhältnisse im Land zu minimieren. Es werden die Einrichtungen abgestraft, die sich in den letzten Jahren entsprechend den Kann-Bestimmungen der Landesverordnung an den Bedarfen der Kinder und deren Lebenssituationen orientiert und sich weiterentwickelt haben“, erläutert Erni Schaaf-Peitz für den Vorstandsbereich Jugendhilfe in der GEW Rheinland-Pfalz. „Das Gesetz, wie es im Entwurf vorgelegt wurde, spiegelt weder die Erfahrungen aus der Praxis wider, noch orientiert es sich an den Erkenntnissen aus der Wissenschaft.“, so Schaaf-Peitz weiter. Insbesondere die geplante Zuordnung aller Zweijährigen, die bisher den Kinderkrippen zugeordnet wurden, in grundsätzliche Regelaltersgruppen, d.h. Kinder von zwei bis sechs Jahren, wird nach Einschätzungen der GEW Rheinland-Pfalz zu Qualitätsverlusten und Arbeitsverdichtungen führen.
„Die bisher zusätzlichen, entwicklungsorientierten Regelungen fallen in dem Altersbereich weg, der intensive Betreuungsauswand und die Bedürfnisse der Kinder bleiben jedoch bestehen. Ohne eine deutliche Nachbesserung bei der Fachkraft-Kind-Relation wird dies zu einer dramatischen Entwicklung in der Qualität der pädagogischen Arbeit führen“, mahnt Alessandro Novellino, Sprecher der Landesfachgruppe Sozialpädagogische Berufe, an. Die bisher angedachten gesetzlichen Maßnahmen greifen zu kurz und werden die Praxis nicht unterstützen. Dies zeige sich unter anderem deutlich in der im Gesetzesentwurf formulierten Neuorientierung der Personalbemessung. Orientierte sich diese bislang an der Gruppenzahl in der Einrichtung, so sollen zukünftig die genehmigten Plätze aus der Bedarfsplanung der Jugendämter darüber entscheiden, wieviel Personal in der Kindertagesstätte zum Einsatz kommt.
Dieser Schritt könnte zur Folge haben, dass plötzlich auftretende Ereignisse nicht flexibel aufgenommen werden können und dahingehend es auch hier an Personal fehlen wird. Ebenfalls kritisch sieht die GEW Rheinland-Pfalz den angedachten Planungsspielraum zur Berücksichtigung von Belegungsschwankungen in den Einrichtungen von lediglich 8%, welcher nach Erfahrungen aus der Praxis viel zu niedrig angesetzt ist. Dies kann für Einrichtungen, die im Jahresdurchschnitt diese Vorgabe überschreiten, um den Rechtsanspruch erfüllen zu können und mehr freie Plätze anbieten, erhebliche negative Konsequenzen in der Personalbemessung mit sich bringen. Dies führt wiederum zu einer hohen Fluktuation der Beschäftigten und mangelnden Kontinuität in der Beziehung zu den Kindern.
„Auch wenn kleine Schritte bei der Verankerung von Leitungstätigkeit sowie Praxisanleitung zu erkennen sind, so ist dem Bildungsministerium aus Sicht der Beschäftigten der erhoffte große Wurf nicht gelungen“, urteilt Schaaf-Peitz. „Die neu hinzukommenden Aufgaben wie das monatliche Monitoring, welches das Land im Rahmen von Transparenz von den Einrichtungen und Trägern einfordert, die Erstellung und Bearbeitung einer Maßnahmendokumentation zur Sicherstellung der personellen Besetzung sowie die Einführung eines zusätzlichen Beirates im Sinne der Zusammenwirkung von Trägern, Kitas und Eltern wird für die Kolleg*innen in Leitungstätigkeit zu weiteren Belastungen führen. Die Zeitkontingente sind sowohl für die Leitungskräfte als auch für die anleitenden Fachkräfte wesentlich höher zu bemessen, um den Ansprüchen angemessen gerecht zu werden.“
Auch mit Blick auf die Finanzierung des Gesetzes gibt es nach Einschätzung der GEW Rheinland-Pfalz noch einige offene Fragen. Die von der Landesregierung angestrebte Finanzierung über Bundesmittel des Bundes-Kita-Gesetz ist noch sehr unkonkret. Bislang ist nicht sicher, ob es überhaupt zu dem Bundesgesetz kommen wird. Des Weiteren sind die dort genannten Mittel bis 2022 befristet. Wie danach die Finanzierung des Zukunftsgesetzes gesichert wird, bleibt abzuwarten.
„Es ist unverantwortlich gegenüber den Beschäftigten in den Kindertagesstätten, ein Gesetz auf den Weg bringen zu wollen, dessen Finanzierung bislang noch gar nicht abschließend und nachhaltig geklärt ist“, ergänzt Gröning. Auch die Neuregelung des Rechtsanspruches auf eine durchgehende siebenstündige Betreuungszeit mit Mittagessen in der Einrichtung ist aus Sicht der GEW Rheinland-Pfalz mit einigen Herausforderungen verbunden. „Es wird sehr spannend zu sehen sein, wie die Kommunen mit diesem Punkt im Gesetzesentwurf umgehen werden. Hier wird es in einigen Einrichtungen zu massiven Umbauten und konzeptionellen Änderungen kommen müssen, um wirklich allen Kindern ein qualitativ gutes Mittagessen, sowie eine kindorientierte Zeit mit entsprechenden räumlichen und personellen Zuweisungen garantieren zu können“, erläutert Novellino abschließend.
Die GEW Rheinland-Pfalz sieht bei der Novellierung des Kindertagesstättengesetzes eine große Chance vertan. An der zentralen Stelle der Fachkraft-Kind-Relation ist dringend nachzubessern, da dem Gesetzesentwurf in der vorliegenden Fassung ansonsten nicht zugestimmt werden kann.
Mainz, 21.09.18
Kathrin Gröning und Alessandro Novellino | Erni Schaaf-Peitz |
Landesfachgruppe Sozialpädagogische Berufe | Vorstandsbereich Jugendhilfe und Sozialarbeit |