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Deutsches Sprachdiplom (DSD) im Ausland

Zahl der vermittelten Lehrkräfte um 30 Prozent gesunken

Durch Corona-Krise und allgemeinen Lehrkräftemangel sinkt die Zahl der Lehrkräfte aus Deutschland, die weltweit für das DSD-Programm an nationale Schulen vermittelt wurden.

Das Deutsche Sprachdiplom (DSD) ist international ein sehr begehrter Abschluss. (Foto: Dirk Enters)

„Wir haben seit sechs Jahren keine Programmlehrkräfte aus Deutschland“, erklärt Cholponbai Mamyrbekov, der am Gymnasium „N3“ in Talas in Kirgisistan arbeitet. Die einheimischen Deutschlehrerinnen und –lehrer seien belastet, „weil wir nicht genug Deutschlehrkräfte haben“. Mamyrbekov, 58, unterrichtet Deutsch im Rahmen des DSD-Programms. Er kritisiert: „Wir haben ab der 8. Klasse nur zweimal pro Woche Deutsch. Das ist zu wenig für DSD-Klassen.“ Laut Wikipedia leben in Talas 34.500 Menschen. Das staatliche, russischsprachige Gymnasium „N3“ wird von 1.250 Kindern und Jugendlichen besucht. Hier lernt ein ethnisch gemischtes Schülerklientel, auch Angehörige der deutschen Minderheit leben in der Stadt.

Rückgang auch durch Corona

Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) bestätigt: Die Zahl der Lehrkräfte aus Deutschland, die weltweit für das DSD-Programm an nationale Schulen vermittelt wurden, ist zurückgegangen. 2011 waren es 362 Lehrerinnen und Lehrer. Derzeit sind es 256, fast 30 Prozent weniger. „Den Rückgang in diesem Jahr führen wir auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie zurück“, erklärt ZfA-Sprecher Peter Dicke.

Weitgehend konstant geblieben sei die Zahl der vermittelten Auslandsdienstlehrkräfte (ADLK) und Bundesprogrammlehrkräfte (BPLK). Anders die Lage bei den vermittelten Landesprogrammlehrkräfte (LPLK). Deren Zahl sank von 124 im Jahr 2011 auf 52 in diesem Jahr. Ein Minus von knapp 60 Prozent. Dicke betont, dass die Bundesländer für die Auswahl von LPLK zuständig seien. Die ZfA sei in diesen Prozess „nicht eingebunden“. 

„Um sich greifender Lehrkräftemangel“

Der Rückgang sei Folge des „um sich greifenden Lehrkräftemangels“, erklärt Stephan Münchhoff, Vorstandsmitglied der GEW-Arbeitsgruppe Auslandslehrkräfte (AGAL). Auch politische Spannungen spielten eine Rolle. „Länder wie Russland und Belarus reagieren auf die EU-Sanktionen mit einer restriktiven Visavergabe für Lehrkräfte aus Deutschland“, betont Münchhoff.

DSD wird auch in Deutschland nachgefragt

Das Deutsche Sprachdiplom (DSD) der Kultusministerkonferenz (KMK) wird in über 70 Staaten angeboten. DSD-Prüfungen finden nicht nur in zugelassenen DSD-Schulen statt. Einzelne Länder – etwa Frankreich, Ungarn oder Belarus – organisieren laut ZfA diese Prüfungen „im Rahmen von Länderprojekten“ selbst. Die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler, die jährlich die DSD-Prüfungen absolvieren, liegt deshalb bei rund 80.000.

  • Wer das DSD I oder DSD I Pro (für Berufsbildende Schulen) erworben hat, spricht Deutsch auf dem Niveau B1. Damit sind die sprachlichen Voraussetzungen erfüllt, um in Deutschland ein Studienkolleg zu besuchen.
  • Das DSD-II-Diplom entspricht dem Niveau B2/C1, was den sprachlichen Anforderungen für ein Studium an einer Hochschule in Deutschland häufig genügt.

Seit 2012 werden Prüfungen zum DSD I und DSD I Pro auch in Deutschland angeboten. Ziel sei, „neu angekommene Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund beim Einstieg in das deutsche Schulsystem zu unterstützen“. So die KMK auf ihrer Webseite. Aktuell beteiligen sich zwölf der 16 Bundesländer. 2019 absolvierten bundesweit 10.700 Schülerinnen und Schüler die DSD-Prüfungen.

Wertvolle Vorkenntnisse

AGAL-Mitglied Holger Dähne war DSD-Fachberater in Riga und Nowosibirsk. Nach seiner Rückkehr arbeitete er fünf Jahre als DSD-Programmleiter in Schleswig-Holstein. Er hat beobachtet, wie sich das DSD-Programm im nördlichen Bundesland entwickelte. 2015, nach dem Zuzug vieler Hunderttausend Geflüchteter, habe es „plötzlich riesigen Bedarf an DSD-Abschlüssen“ gegeben, betont Dähne. „Schleswig-Holstein begann 2015 mit 40 Teilnehmenden.“ Ein Jahr später seien es 200 Prüflinge gewesen, wieder ein Jahr später 600. „Das ist faktisch explodiert“, sagt Holger Dähne.

Zu seinen Aufgaben gehörte, Lehrkräfte für die DSD-Prüfungen fortzubilden. Inzwischen hätten rund 400 Lehrkräfte in Schleswig-Holstein das entsprechende Zertifikat erworben. Dähne ist überzeugt: Wertvolle Vorkenntnisse brächten jene Lehrkräfte mit, die zuvor im Ausland unterrichtet haben und sagen können: „Ich bin schon vertraut mit DSD-Prüfungen“.

„Wir sammeln Erfahrungen, knüpfen Kontakte mit Kolleginnen und Kollegen, verbessern unsere Sprachkenntnisse und bekommen methodische und landeskundliche Informationen.“ (Cholponbai Mamyrbekov)

Im kirgisischen Talas lobt Cholponbai Mamyrbekov derweil die Seminare, die von der ZfA für DSD-Lehrkräfte angeboten werden. „Das ist sehr wichtig“, betont der 58-Jährige. Zuletzt habe er 2019 in Recklinghausen eine dreiwöchige Fortbildung besucht. „Wir sammeln Erfahrungen, knüpfen Kontakte mit Kolleginnen und Kollegen, verbessern unsere Sprachkenntnisse und bekommen methodische und landeskundliche Informationen.“

Zusammenarbeit verbessern

Auch mit Blick auf das DSD-Programm fordert AGAL-Vorstand Stephan Münchhoff: „Wir wünschen uns eine viel größere Aufmerksamkeit für den Auslandsschuldienst.“ Außerdem eine „viel bessere Zusammenarbeit in den Bildungsministerien und Landeschulbehörden“.

Der Pädagogische Austauschdienst (PAD) ist für die Schulpartnerschaften und die Hospitationen ausländischer Lehrkräfte in deutschen Schulen zuständig, die ZfA für die Vermittlung deutscher Lehrkräfte ins Ausland. Das hat zur Folge, dass in den Kultusministerien und Schulbehörden der Länder die Betreuung auf ganz unterschiedlichen Ebenen und Abteilungen angesiedelt ist. Die Programme zum Schüler*innen-Austausch, Partnerschaften im Rahmen der weltweiten Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) und Stipendien für ausländische Lehrkräfte in Deutschland sollten zusammen mit der Vermittlung von Lehrkräften für den Auslandsschuldienst „in einer Hand liegen“. Ideal wären Beauftrage in allen Schulbehörden, die dafür sorgten, „dass an allen Deutschen Auslandsschulen die internationale Zusammenarbeit und Vernetzung vorangetrieben wird“.

Das, so Münchhoff, würde auch dafür sorgen, „dass sich die Wertschätzung für die Tätigkeit einer Lehrkraft im Ausland deutlich verbessert“. Er kündigte an, dass sich die für 2022 geplante AGAL-Tagung „Nachhaltiges Lernen im PASCH-Netz“ auch mit DSD-Schulen befassen wird.