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Landesgesetz zur Reform gleichstellungsrechtlicher Vorschriften

Stellungnahme zum Entwurf eines Landesgesetzes zur Reform gleichstellungsrechtlicher Vorschriften

Schreiben des MIFKJF vom 27.03.2015, Az.: 752-73216-2-1/12 

Grundsätzlich sind einige Aspekte des LGG-Entwurfs zu begrüßen:

  • Er ist überwiegend sprachlich klar und verständlich formuliert.
  • Positiv  ist die Aufzählung der Aufgaben einer Gleichstellungsbeauftragten.
  • Es trifft zu, dass Fördermaßnahmen zu Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zu Teilzeit, Beurlaubung, Beförderung, Einstellung usw. zum Teil verbindlicher festgeschrieben werden.
  • Es ist zu begrüßen, dass das Fehlen von Gleichstellungsplänen künftig Maßnahmen nach sich zieht.
  • Zu begrüßen ist ebenfalls die Informationspflicht zu Gleichstellungsthemen für Führungspositionen.
  • Um Nachteile, insbesondere von Frauen weiter abzubauen, muss dieses Gesetz in seiner Durch-setzungskraft durch verbindlichere Regelungen in Einzelteilen ergänzt werden.
  • Die Verantwortung für die Umsetzung der genannten Ziele sollte als Verantwortung der Dienststellenleitung und der Führungskräfte definiert werden. Wir regen daher an, die Dienststellenleitung zu verpflichten, jährlich gegenüber den Beschäftigten einen Bericht über diese Ziele und den Erreichungsgrad abzugeben.

 § 1 Ziele des Gesetzes

(1) Ziel des Gesetzes ist, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst zu fördern und bestehende Ungleichheiten aufgrund des Geschlechts auszugleichen, insbesondere unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen von Frauen aufgrund des Geschlechts…

Hier ist unserer Meinung nach zu ergänzen: „der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (Zitat Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Abschnitt 1, §1)“.

Begründung: Menschen erfahren mittelbare und unmittelbare Benachteiligung zumeist aufgrund mehrerer Merkmale. So erfahren ältere Frauen andere Benachteiligungen als jüngere; Frauen, die eine andere ethnische Herkunft oder Hautfarbe haben als die Mehrheit der Gesellschaft, werden besonders häufig benachteiligt; hinzu kommen abweichende religiöse Vorstellungen (Muslima) oder sexuelle Identität bzw. Orientierung  als Merkmal hinzu, ist die Gefahr, benachteiligt zu werden, besonders hoch.

§ 2 Geltungsbereich

(2) Der Geltungsbereich muss auf die Hochschulen erweitert werden. Rheinland-Pfalz wäre sonst das einzige Bundesland ohne Geltungsbereich des LGG für alle Beschäftigten von Hochschulen.

§ 3 Begriffsbestimmungen

(9) Familienarbeit im Sinne dieses Gesetzes wird auch dann geleistet, wenn die pflegebedürftige Person, Partner_in in einer (hetero- oder homosexuellen) eheähnlichen Gemeinschaft ist.

Wir erwarten eine zusätzliche Aufnahme dieses Passus, da auch Partner_innen in einer eheähnlichen Gemeinschaft Fürsorgeleistungen füreinander übernehmen, jedoch versicherungsrechtlich und hinsichtlich Sozialleistungen Menschen, die in einer Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, nicht gleichgestellt werden. Manche Menschen wollen, andere können (z.B. die lesbische Religionslehrerin, die mit der verpflichtenden Angabe über ihren neuen Personenstand gegenüber der Dienststelle mit sofortigem Entzug ihrer Mission und damit quasi einem Berufsverbot rechnen muss) keine Ehe bzw. Eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Diese Kolleg_innen dürfen nicht durch eine restriktive Definition des Begriffs Familienarbeit benachteiligt werden.

§ 3 im derzeit geltenden Gesetz

aufgeführten Hinweise: „Die Rechte der Personalvertretungen und der schwerbehinderten Menschen… bleiben unberührt“ sollten beibehalten werden, um Fehlinterpretationen in den Dienststellen auszuschließen.

§ 5 Gleichstellung von Männern und Frauen

(1) Alle Dienststellen sind verpflichtet, die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. Sie müssen Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts vermeiden und bestehende Nachteile aufgrund des Geschlechts beseitigen

analog zu § 1 ist folgender Zusatz jeweils nach „aufgrund des Geschlechts“ erforderlich:

„der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität „

(Zitat Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Abschnitt 1, §1)“.

§ 7  Ausschreibung von Positionen

(1) Zu besetzende Positionen sind öffentlich auszuschreiben, soweit das Beamtenrecht oder das richterliche Dienstrecht nichts anderes bestimmen. Die Ausschreibung muss mit den Anforderungen der zu besetzenden Position übereinstimmen. Begründung: siehe (4)

(3) Ausschreibungen müssen sich gleichermaßen an Frauen, Männer und Menschen ohne biologisch eindeutig zuordenbares Geschlecht richten.

Begründung: Das Personenstandsgesetz (01.11.2013, Abschnitt 2, §22(3) erkennt die Existenz von Intersexualität an: „Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.“ Diesem Umstand sollte, um subjektiv empfundene und tatsächlich erlebte unmittelbare und mittelbare Benachteiligung für diese Menschen zu beseitigen und zu verhindern, unbedingt Rechnung getragen werden

(4) Frauen erfahren STRUKTURELLE Benachteiligung auch in Institutionen, in denen sie zahlenmäßig gleich oder „über“-repräsentiert sind. Die öffentliche Ausschreibung scheint dennoch oder gerade deshalb ein gutes Instrument, um für eine Position/Stelle geeignete Kandidat_innen anzusprechen und für eine Bewerbung zu gewinnen und sollte daher generell Anwendung finden. Daher kann aus unserer Sicht Punkt 4 gestrichen werden.

Dies ist zugleich die Begründung des Änderungsantrages für Punkt 1.

Sollte Punkt 4 nicht gestrichen und Punkt 1 nicht verändert werden, so ist zumindest der letzte Satz zu streichen.

§ 13 Fortbildung

(3) Fortbildungsprogramme müssen Gleichstellungsthemen enthalten. Gleichstellungsthemen sind unter anderem die Themen Gleichberechtigung von Frau und Mann, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Benachteiligung aufgrund des Geschlechts - die bereits mehrfach erwähnte Ergänzung ist auch hier vorzunehmen: „, der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (Zitat Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Abschnitt 1, §1)“.

§ 15 Mindestinhalt

(1) Der Gleichstellungsplan muss außerdem feststellen, wie hoch der Anteil der Frauen an den Teilzeitbeschäftigten ist bzw. ob Frauen im Bereich der Teilzeitbeschäftigen überrepräsentiert sind.

Begründung: Teilzeitbeschäftigung soll Beschäftigten hinsichtlich ihrer Karriere nicht zum Nachteil gereichen. Gleichzeitig sorgt Teilzeitbeschäftigung für ein geringeres Nettoeinkommen von Frauen gegenüber dem von Männern und stellt damit z.T. auch einen Faktor für die Entwicklung von Abhängigkeiten (gegenüber dem Ehemann und „Ernährer der Familie“) und einen Risikofaktor für Altersarmut (niedrigere Pensionen und Renten) dar. Daher muss die Benachteiligung aufgrund von Teilzeitbeschäftigung auf der einen Seite verhindert bzw. abgeschafft werden; auf der anderen Seite muss der übergroße Anteil von Frauen an den Teilzeitbeschäftigten auch als strukturelles Problem erkannt, untersucht und diesem begegnet werden.

(2) Wir gehen davon aus, dass Teilzeitbeschäftigte anteilig nach ihrer individuellen Arbeitszeit gezählt werden. Wenn dem nicht so sein sollte, erwarten wir eine diesbezügliche Änderung.

Wir erwarten ebenfalls eine Prüfung und Aufnahme des von uns vorgeschlagenen neuen Punktes (3) hinsichtlich Teilzeitbeschäftigung von Frauen. Die Begründung hierzu lieferten wir bereits in Absatz 1.

Für jeden Bereich, in dem Frauen hinsichtlich ihres Anteils an den Teilzeitbeschäftigten überrepräsentiert sind, muss der Gleichstellungsplan:

  1. festlegen, mit welchen personellen, organisatorischen und fortbildenden Maßnahmen Vollzeitbeschäftigung für Frauen attraktiver und hinsichtlich ihrer persönlichen Situation machbarer gestaltet werden kann.
  2. ein Ziel nennen, welchen Anteil an der Zahl der Vollzeitbeschäftigten Frauen am Ende des erfassten Zeitraums dort haben sollen;
  3. Zwischenziele nennen, welchen Anteil an der Zahl der Vollzeitbeschäftigten Frauen nach drei Jahren dort haben sollen.

Allgemeinzusammenfassend wünschen wir uns die Effektivität der Gleichstellungspläne zu verbessern und verbindliche Zielvorgaben festzulegen, da diese Pläne das wesentliche Steuerungs- und Umsetzungsinstrument für die Implementierung einer geschlechtergerechten Personal­entwicklung sind. Das neue LGG sollte verbindlichere Aussagen zu den Mindestinhalten eines Gleichstellungsplans enthalten. Zu den Mindestinhalten zählen zeitlich gestufte Ziele und Regelungen zur Überprüfung dieser Ziele und eine Festlegung auf Sanktionen bei Nichterreichen der Ziele. Für uns ist besonders wichtig, dass bereits zu Vorstellungsgesprächen und Auswahlverfahren ebenso viele Frauen wie Männer eingeladen werden, und die Auswahlgremien paritätisch besetzt sind.

zu § 18 Bestellung

(1) Die GEW spricht sich für eine Wahl der Gleichstellungsbeauftragten aus. Die Gleichstellungsbeauftragte sollte in geheimer und unmittelbarer Wahl von den weiblichen Beschäftigten gewählt und im Anschluss von der Dienststellenleitung ernannt werden. Wir verweisen dazu auch auf das Bundesgleichstellungsgesetz - BGleiG) „§ 16 Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und der Stellvertreterin“.

Die Gleichstellungsbeauftragte muss der Dienststellenleitung unmittelbar zugeordnet werden. Sie arbeitet unabhängig und weisungsfrei. Ihre Tätigkeit ist im Geschäftsverteilungsplan auszuweisen.

(2) Wir fordern, dass das Amt der Gleichstellungsbeauftragten in der Dienststelle vor der Wahl ausgeschrieben werden muss. Eine willkürliche Bestellung sehen wir als nicht zielführend an.

 § 19 Dauer und Ende der Bestellung, Neubestellung

(2) … Ohne die vorherige Zustimmung der Gleichstellungsbeauftragten darf die Dienststellenleitung die Bestellung nur aus wichtigem Grund widerrufen.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, fordern wir eine Spezifizierung „aus wichtigem Grund“ aufzunehmen.

§ 21 Freistellung

Eine Empfehlung der Landesregierung greift zu kurz, darüber hinaus fehlt eine bindende Zeitvor-gabe. Wir regen hier an, die Freistellung im Gesetz über einen Katalog von Mindestzeitanteilen zu regeln, die sich an den Dienststellengrößen orientieren.

Insbesondere Schulen brauchen verbindliche, planbare Freistellungsregelungen. Wir fordern hier eine Freistellung analog des Landespersonalvertretungsgesetzes.

 

§ 22 Aufgabenbezogene Fortbildung

(2) Die Gleichstellungsbeauftragte hat das Recht, an mindestens einer Fortbildungsveranstaltung pro Jahr teilzunehmen,…

Auch hier vermissen wir eine Konkretisierung. Die Teilnahme an einer Fortbildung könnte mehr- oder eintägig sein, auch gibt es viele Halbtagesfortbildungen. Es sollten genaue Mindestzeiten für eine Freistellung von Fortbildungen festgelegt werden. Eine verpflichtende Kostenübernahme der Dienststelle ist ebenfalls in dieses Gesetz aufzunehmen.

Die Gleichstellungsbeauftragte sollte verpflichtet werden, mindestens eine Schulung zur Einführung in die Bestimmungen des LGG und die Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten zu besuchen. Diese verpflichtende Fortbildung darf ihr Recht auf Fortbildungen nicht schmälern.

§ 25 Beteiligung

Wie die Vergangenheit zeigt, ist die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten in vielen Fällen nicht oder nicht rechtzeitig erfolgt. Wir halten es daher für erforderlich, dass die Formulierung „rechtzeitig“ konkreter werden muss.

§ 29 Beanstandungsrecht

Bei Nichtbeachtung der Rechte der Gleichstellungsbeauftragten oder Verstößen gegen den Gleichstellungsplan sollte der Gleichstellungsbeauftragen künftig ein gestuftes Widerspruchs- und Schlichtungsverfahren eröffnet werden. Bleibt das Schlichtungsverfahren erfolglos, sollte die Gleichstellungsbeauftragte künftig im Falle der Verletzung ihrer eigenen Rechte das Verwaltungsgericht anrufen können.

Kontakt
Peter Blase-Geiger
Geschäftsführer GEW Rheinland-Pfalz
Adresse Martinsstr. 17
55116 Mainz
Telefon:  06131 28988-15