Entwurf des neuen Lehrplans für die Fachschule Sozialwesen, Fachrichtung Sozialpädagogik
Stellungnahme zum Entwurf des neuen Lehrplans für die Fachschule Sozialwesen, Fachrichtung Sozialpädagogik
Schreiben des Ministeriums für Bildung vom 24.08.2023, Aktenzeichen 9406A
Die GEW Rheinland-Pfalz nimmt zu dem o.g. Entwurf wie folgt Stellung:
- Vorbemerkungen:
Wir begrüßen, dass sich nun endlich, nach deutlich über einem Jahrzehnt, in Rheinland-Pfalz die Einführung eines neuen Lehrplans in der Fachschule Sozialwesen, Fachrichtung Sozialpädagogik abzeichnet.
Neue fachwissenschaftliche Erkenntnisse, sowie Angleichungen an den deutschlandweiten Rahmenplan und angrenzende Bundesländer, sind ebenfalls positiv zu bewerten. Hier sind nun auch bundesweite Diskussionen zu entsprechenden fachlichen Themen leichter möglich.
Nun können in diesem Bildungsgang erstmalig wieder Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien der Verlage kompatibel eingesetzt werden, da schließlich keine Lehrbücher „nur“ für Rheinland-Pfalz veröffentlicht wurden. Darüber hinaus sind nun etwaige Schulwechsel zwischen Bundesländern innerhalb der Ausbildung für Schülerinnen und Schüler leichter umzusetzen. Hierbei ist auch die Angleichung des Stundenumfangs der Lernmodule an die angrenzenden Bundesländer, sowie besonders die Anpassung der Stunden des Berufspraktikums im Lernmodul 9 positiv hervorzuheben.
- Allgemeine Aspekte:
Die GEW fordert, dass, wie es in einigen anderen Bundesländern bereits üblich ist, die Schüler:innen in der Fachschule für Sozialwesen als Studierende bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang empfehlen wir eine Anpassung der Bezeichnung der Fachschulen. Diese sollte man als Kollegs führen, was sprachlich ihre Wertigkeit hervorheben würde.
Eine Anpassung der Fachschulverordnung an den Lehrplanentwurf muss vor Beginn des 2. Schulhalbjahrs 2023/2024 erfolgen, um allen Beteiligten die nötige Orientierung und Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Ohne die Einführung einer Versetzungsregelung, wie sie in allen anderen Bundesländern die Regel ist, droht eine erhebliche Mehrbelastung von Schüler:innen sowie Lehrkräften. Bestünden die bisherigen abschließenden Leistungsfeststellungen fort, würde dies sogar dazu führen, dass durch die Reform mehr Prüfungen bzw. abschließende Leistungsfeststellungen absolviert werden müssten als zuvor. Dieser Zustand ist weder für die Schüler:innen, Lehrkräfte und Betriebe hinnehmbar und würde, besonders in den grenznahen Regionen zu einer Abwanderung in benachbarte Bundesländer führen.
Wir fordern daher mit Nachdruck, dass alle Lernmodule mit einer Versetzung bzw. regulären Endnote und nicht wie bisher mit einer abschließenden Leistungsfeststellung abschließen. Eine Ausnahme sollten lediglich die beiden Prüfungsmodule sowie das Lernmodul 9 (Berufspraktikum) bilden. Im Falle der Fachhochschulreife zudem das Lernmodul 13 (MINT).
Die Ausweisung von Lernmodulen für den Erwerb der nun deutschlandweiten Fachhochschulreife begrüßt die GEW ausdrücklich, ebenso die Regelung, dass eine Prüfung im Lernmodul 13 (MINT) lediglich für diejenigen relevant ist, die die Fachhochschulreife erwerben.
Auch wenn durch den Erwerb des Fachschulabschlusses die mittelbare Hochschulreife erworben wird, ist der unmittelbare Nachweis der Fachhochschulreife für uns ein Qualitätsmerkmal, um sich für die Ausbildung in Rheinland-Pfalz zu entscheiden.
Darüber hinaus haben Erzieher:innen, als „beruflich Qualifizierte“, die Möglichkeit an Hochschulen zu studieren. Darüber sollte jedoch unbedingt mehr informiert werden, da dies nur wenige Menschen wissen! Die Kampagne „vom Meister zum Master“ ist zwar gut, aber dass dies eben auch für Erzieher:innen möglich ist, muss unbedingt transparenter gemacht werden. Dies könnte durchaus weitere Personen motivieren, diesen Beruf zu erlernen.
Die längst überfällige Ausweisung der Selbstlernphasen (inkl. der Ideen) im Lehrplanentwurf begrüßen wir sehr. Nun kann gewährleistet werden, dass entsprechende innovative Formate nachhaltig verankert und dann auch an allen Schulen in Rheinland-Pfalz umgesetzt werden. Hier gab es in der Vergangenheit leider große Unterschiede.
Die GEW fordert, dass, wie für das Berufsvorbereitungsjahr, die Berufsfachschule 1 und die Höhere Berufsfachschule, eine Handreichung für die Fachschule Sozialwesen rechtzeitig erstellt wird. Andere Bundesländer haben bereits verständliche und pragmatische Handreichungen, welche die wesentlichen Fragen der Ausbildung klären (z. B. Anrechnung von Praktika, Aufnahme unter besonderen Bedingungen, Verkürzungen, Materialien, Ideen für Lernsituationen, Theorie-Praxis-Vernetzungen etc.). In Rheinland-Pfalz fehlt bisher eine derartige Handreichung, was dazu führt, dass beispielsweise benachbarte Schulen Praktika unterschiedlich anerkennen oder ablehnen, was rechtlich ein sehr unbefriedigender Zustand ist.
Die Fachschule Sozialwesen, Fachrichtung Sozialpädagogik ist ein sehr zentrales Element der Bildungspolitik, da für unsere demokratische Gesellschaft hier Multiplikator:innen ausgebildet werden, die z. B. im elementarpädagogischen Bereich bereits bei den Kleinsten das demokratische Bewusstsein mit entwickeln.
- Zu den Lernmodulen im Einzelnen:
Die explizite Ausweisung von 40 Stunden für Beratung im Lernmodul 1 sehen wir als eine sehr gute Möglichkeit, um sowohl individuell als auch im Gruppenkontext Beratung für die Ausbildung nutzbar zu machen.
Die angedachte Erhöhung des Stundenansatzes im Lernmodul 9 (Berufspraktikum) sehen wir in diesem Kontext als kausal logisch an, so dass im 3. Jahr der Ausbildung (Vollzeitform) bzw. ausbildungsbegleitend (berufsbegleitende Form) mehr Beratungsmöglichkeiten bestehen.
Inhaltlich sehen wir die Zuordnung der letzten beiden Kompetenzen des Lernmoduls 2 eher beim Lernmodul 3.
Alle Bildungsbereiche der Bildungs- und Erziehungsempfehlungen (BEE) werden im Lernmodul 4 aufgeführt. Es ist jedoch kaum möglich, dass alle vollumfänglich in einem entsprechenden Stundenumfang unterrichtlich abgebildet werden können. Wir schlagen daher vor, eine Formulierung zu ergänzen: “Die o.g. Bildungsbereiche werden möglichst vollumfänglich unterrichtet; über eine begründete Auswahl entscheidet die Schule.”
Das Lernmodul 6 ist stellenweise mit 120 Stunden ausgewiesen. Eine Angleichung auf 80 Stunden in allen drei Formen der Ausbildung könnte z.B. einen parallel stattfindenden Unterricht ermöglichen, was Synergieeffekte ermöglichen und den Bildungsgangteams die Arbeit erleichtern könnte.
Die hierdurch freiwerdenden Stunden sollten aus unserer Sicht dem Lernmodul 12 zugewiesen werden, da hier in erheblichem Maße relevante Kompetenzen für die Demokratiebildung beinhaltet sind.
Neben der Übernahme des Lernfeldes 3 begrüßen wir ausdrücklich, dass im Lernmodul 7 als dritte Option eine Alternative zu einem religionspädagogischen Profil gefunden wurde. Als Bildungsgewerkschaft sehen wir so die Chance und Notwendigkeit, dass konfessionsungebunden wesentliche berufliche Kompetenzen erworben werden können.
Das Lernmodul 8 (Wahlpflichtbereich) führt die Perspektive des alten Lehrplans fort. Dieses bewerten wir als sehr positiv. Hier haben die Schulen zum einen die Möglichkeit, regionale Gegebenheiten zu berücksichtigen, nach den Bedarfen der Lerngruppen zu schauen und auch nach den Schwerpunkten innerhalb der Schulgemeinschaft.
Die Anbindung des Lernmoduls 8 an die Praktika halten wir ebenfalls für sinnvoll. Die “Soll-Formulierung” muss hier unbedingt beibehalten werden, um Abweichungen (z. B. aufgrund eines fehlenden regionalen Angebots an Praxisstellen) weiterhin zu ermöglichen.
Für das Lernmodul 9 (Berufspraktikum) wird dringend ein angepasster Rahmenplan Berufspraktikum benötigt. Gerade in der berufsbegleitenden Form, fehlt es hier an Orientierung. Dies wird von den Einrichtungen zu Recht sehr bemängelt. Die Einführung eines Rahmenplans Berufspraktikum für alle drei Ausbildungsformen ist aus unserer Sicht unabdingbar!
In diesem Kontext weisen wir auf die erheblichen Probleme hin, die sich durch die Begrenzung der “Betreuungsstunden” gemäß der Dienstordnung auf maximal 4 Stunden pro Lehrkraft ergeben. Zum einen können so lediglich zwei Praxisbesuche im Rahmen der Ausbildung erfolgen, was auch im Vergleich zu anderen Bundesländern als zu wenig angesehen werden muss. Zum anderen ist es durch die Begrenzung der Betreuungsstunden unmöglich, dass Lehrkräfte in mehreren Bildungsgängen (z. B. der Fachschule Sozialwesen, Fachrichtung Heilerziehungspflege, der Berufsfachschule Pflege, der Fachschule Altenpflegehilfe) betreuen können.
Der Vergleich mit Nordrhein-Westfalen, wo es keine Begrenzung der Betreuungsstunden gibt, macht deutlich, dass durch eine verstärkte Präsenz von Lehrkräften der Theorie-Praxis-Bezug nachhaltig an Qualität gewinnt.
Daher fordern wir ausdrücklich, im Kontext der Einführung des neuen Lehrplans, die Anzahl der Praxisbesuche an die der umliegenden Bundesländer anzugleichen, um bezüglich der Ausbildungsqualität keinen Standortnachteil zu haben. Zudem sollte die Begrenzung der Betreuungsstunden, die nicht nur im Sozialwesen, sondern auch in der Pflege zu einer künstlichen Reduktion der Theorie-Praxis-Vernetzung führt, angepasst bzw. gänzlich aufgehoben werden! Hierzu ist eine Änderung des Punktes 1.3.3 in der Anlage 1 der Lehrkräfte-Arbeitszeitverordnung notwendig.
Das Lernmodul 11 (Fremdsprache) hat im Vergleich zu dem jetzigen Lehrplan an Stunden verloren – weiterhin ist jedoch das sprachliche Zielniveau B2 ausgewiesen. Wir schlagen nun vor, die folgende Formulierung zu wählen: “Bezüglich der Kompetenzen erfolgt eine Annäherung an das Zielniveau B2”
Ebenso halten wir eine Klärung der Regelungen für die Teilnahme am Unterricht im Lernmodul 11 (Fremdsprache) für dringend geboten, da die bisherige Regelung aus unserer Sicht unzureichend erscheint.
Wenn z. B. eine Person vor 20 Jahren an einer Schule ihren mittleren Bildungsabschluss (Englisch-Niveau B1) erreicht und anschließend eine Berufsausbildung im Dualen System absolviert hat, so erscheint uns die Teilnahme am Unterricht mit dem Zielniveau B2 für diese Person hier als nicht angebracht. Lebenslanges Lernen erfolgt oftmals nicht direkt bzw. kontinuierlich, sondern nicht selten mit Pausen und Brüchen, welche hier jedoch nicht Berücksichtigung finden. Wir mahnen deshalb hier eine klare Lösung an, die zu einer rechtssicheren Vorgehensweise führt.
Darüber hinaus wäre zu überlegen, ob Personen, die eine oder sogar mehrere Fremdsprachen, als die in dem Bildungsgang unterrichtete, beherrschen, diese anstelle der vorgegebenen anerkannt bekommen können. Dies würde die gesellschaftliche Wirklichkeit besser abbilden.
Es ist zu konstatieren, dass Sprachkenntnisse in verschiedenen Sprachen in der beruflichen Tätigkeit der Erzieherinnen und Erzieher sehr hilfreich sein können.
Wir sehen dringend den Bedarf das Lernmodul 12 um 40 Jahreswochenstunden, sowohl in der Vollzeitform als auch in der berufsbegleitenden Form zu erweitern, da die Demokratiebildung essenziell für Erzieherinnen und Erzieher ist! Sie sind Multiplikator:innen und sollen das Fundament für unsere demokratische Gesellschaft z. B. im elementarpädagogischen Bereich mit und bei den Kindern schaffen!
Schüler:innen müssen daher politische und gesellschaftliche Ereignisse im zeitgeschichtlichen Kontext seit dem Ende des 2. Weltkrieges bis in die Gegenwart herstellen können. Die GEW fordert eine Aufnahme dieses Aspektes für den Lehrplan in diesem Lernmodul.
Zudem sollten sie das Bildungssystem Deutschlands im internationalen Vergleich einordnen können und in diesem Zusammenhang ihr Berufsfeld mit dessen beruflichen Anschlussmöglichkeiten kennen.
Es wurden im neuen Lehrplan einige zentrale rechtliche Aspekte im Lernmodul 12 angebunden, was wir für sehr sinnvoll halten, da dies die notwendige Verbindung zwischen gesellschaftlichen Prozessen und der Schaffung von rechtlichen Strukturen herstellt.
Mainz, 23. September 2023