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Entwurf des Lehrplans für die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde für die gymnasiale Oberstufe; hier: Anhörung

Stellungnahme zum Entwurf des Lehrplans für die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde für die gymnasiale Oberstufe; hier: Anhörung

 

Schreiben des BM vom 25.05.2022, Aktenzeichen: 7030-0001#2022/0003-0901 9422C

 

Die GEW Rheinland-Pfalz nimmt zu dem o.g. Entwurf wie folgt Stellung:

Es ist zu begrüßen, dass sich der neue Lehrplan der Herausforderung stellt, die Demokratie zu stärken. Dies wird durch die Festlegung, dass alle drei Fächer der Gesellschaftswissenschaften auch in der Oberstufe dem gemeinsamen Bildungsziel Demokratiekompetenz folgen, begünstigt.

Es ist positiv zu bewerten, dass der Lehrplan über die Vermittlung von Orientierungskompetenzen hinausgeht und Gestaltungs- und Handlungskompetenzen vermitteln möchte, welche Voraussetzung für eine aktive Teilnahme an demokratischen Prozessen sind. Die Schwerpunktsetzung innerhalb der unterschiedlichen Schuljahre aufgrund einer postulierten Zunahme von Komplexität bleibt jedoch fraglich, da die drei Kompetenzen nicht isoliert zu betrachten sind und von daher bei allen Politikbereichen gleichfalls Beachtung finden sollten.

Es ist der Lehrplankommission gelungen, einen sehr übersichtlichen Lehrplan zu gestalten, der in den Leitfragen zentrale politische und gesellschaftliche Fragestellungen unserer Zeit aufgreift. Die Unterscheidung in Fach-, Methoden-, Kommunikations- und Urteilskompetenz ist zielführend und spiegelt die Kernkompetenzen, die innerhalb des Faches vermittelt werden sollen, wider. Den Kompetenzen innerhalb der verschiedenen Politikbereiche werden darüber hinaus erfreulicherweise konkrete Inhalte zugeordnet, was eine große Hilfestellung darstellt. Ebenso zu begrüßen ist das Vorhandensein von methodischen Anregungen und Beispielen für die Öffnung von Schule.

Inwieweit die neue Gestaltung mit Politikbereichen, die sich im Sinne eines Spiralcurriculums innerhalb der Themenbereiche wiederholen, gegenüber einer thematischen Schwerpunktsetzung einen Mehrwert darstellt, bleibt abzuwarten. Die Möglichkeit des Tausches der Lernbereiche erfordert verstärkte Absprachen zwischen den Kolleg:innen. Begrüßenswert ist, dass die Perspektive der EU bereits im zweiten Lernjahr eingenommen werden soll, wobei diese bereits im ersten Lernjahr von Bedeutung wäre, da wirtschaftliche und gesellschaftliche Entscheidungen oft nicht mehr national getroffen werden.

Die Abkehr von konkreten inhaltlichen Vorgaben, wie der Behandlung der Finanzkrise, bietet hier jedoch die Chance, den Unterricht langfristig an aktuellen Fragestellungen auszurichten. Im Bereich des Leistungskurses werden hier wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragestellungen durch die neue Zuordnung zu Politikbereichen deutlich in den Fokus gestellt. Dies geht jedoch zu Lasten des eigentlichen politikwissenschaftlichen Kerngebietes, da die vergleichende Regierungslehre bis auf den Vergleich von Parlamentarischen und Präsidenstellen Regierungssystem entfällt. Die Verlagerung des Vergleichs mit autokratischen Herrschaftsformen in den Wahlpflichtbereich erscheint jedoch gerade unter der Betrachtung internationaler Entwicklungen mit dem entstehenden Weltmachtanspruchs Chinas und Russlands Politik fraglich. Der Lehrplan setzt sich die Stärkung der Demokratie zum Ziel, ohne explizit andere Staatsformen zu vergleichen. Auch ist augenscheinlich, dass die ideengeschichtlichen Grundlagen kaum Berücksichtigung finden. Neben der Einbindung der politischen Theorie bei der Vertragstheorie und den Friedensvorstellungen sollte diese beispielsweise auch im Bereich der internationalen Beziehungen – ebenso wie die historische Perspektive – Berücksichtigung finden. Gerade im Leistungskursbereich ist der Wegfall dieser Perspektiven bedauerlich, da die Schüler:innen so zwar zum demokratischen Handeln angeleitet werden, ohne sich mit der Frage auseinandergesetzt zu haben, warum demokratische Werte das Fundament unserer Gesellschaft und der westlichen Welt bilden.

Mainz, 21.06.2022

Kontakt
Peter Blase-Geiger
Geschäftsführer GEW Rheinland-Pfalz
Adresse Martinsstr. 17
55116 Mainz
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