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Entwurf der Landesverordnung über das Berufsvorbereitungsjahr an Berufsschulen und Entwurf der VV Stundentafel für das Berufsvorbereitungsjahr an Berufsschulen

Stellungnahme zum Entwurf der Landesverordnung über das Berufsvorbereitungsjahr an Berufsschulen und Entwurf der VV Stundentafel für das Berufsvorbereitungsjahr an Berufsschulen

 

Schreiben des BM vom 01.03.2022, Aktenzeichen: ohne

 

Die GEW Rheinland-Pfalz nimmt zu dem o.g. Entwurf wie folgt Stellung:

A. Vorbemerkungen:

Das BVJ hat im Kanon der Bildungsgänge der berufsbildenden Schulen aller Bundesländer einen festen Stellenwert in der Ausbildungsvorbereitung mit der wichtigen Zusatzfunktion, einen ersten allgemeinbildenden Schulabschluss nachzuholen. Hauptziel ist aber stets, die Schülerinnen und Schüler auf dem Weg in den regulären Ausbildungsmarkt zu unterstützen. Diese Verschiebung in der Zielsetzung nachzuzeichnen ist Aufgabe des vorliegenden Verordnungsentwurfes. Dies befürworten wir als GEW und sehen diese Anpassung ohnehin als bereits überfällig an. Die Stärkung der Abschluss- und Anschlussfähigkeit durch die Erhöhung des Praxisanteils mittels der Einführung von Praktikumszeiten, sowie die Verzahnung und Verteilung von berufsbezogenem Unterricht und Fachpraxis, sind zudem pädagogisch sinnvoll und begrüßenswert.

Besonders hervorzuheben ist allerdings, dass wir aus pädagogischen Gründen mit Nachdruck die Senkung der Klassenmesszahl von zurzeit 16 auf 14 Schülerinnen und Schüler im BVJ fordern!

Durch die Entkopplung von der Berufsschulverordnung erwarten wir, dass das BVJ zukünftig entsprechend § 2 der Landesverordnung über die Lernmittelfreiheit und die entgeltliche Ausleihe von Lernmitteln berücksichtigt wird.

 

B. Zu den Bestimmungen im Einzelnen:

Zu § 2: Ziel

Wie bereits in den Vorbemerkungen geschildert, befürworten wir die, nun an die Lebenswirklichkeit angepasste, Ausrichtung des Hauptziels des Berufsvorbereitungsjahres. Das BVJ soll somit in erster Linie ein Sprungbrett in den regulären Arbeitsmarkt sein und erst an zweiter Stelle steht der Erwerb des Abschlusses der Berufsreife, welcher die beruflichen Perspektiven natürlich auch verbessern soll.

 

Zu § 3: Besuch des Berufsvorbereitungsjahres

Hier wird nun auch die Regelung aufgenommen, dass entsprechend der Pflicht zum 12-jährigen Schulbesuch ggf. auch ältere Schülerinnen und Schüler in den Bildungsgang aufgenommen werden können. Die GEW sieht die aufgeführte Entscheidungsbefähigung der einzelnen Schulen als sinnvoll an, da diese unter pädagogischen Aspekten und mit dem Blick auf die Altershomogenität der Lerngruppen prüfen können, ob der Bildungsgang für ältere Schülerinnen und Schüler das pädagogisch angemessene Angebot ist und ob nicht ggf. andere Angebote von anderen Maßnahmenträgern geeigneter sind als schulische.

Zu § 4: Organisation und Dauer

Die GEW begrüßt ausdrücklich, dass die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern in multiprofessionellen Teams erfolgen soll. Die Schulsozialarbeit muss, nach Auffassung der GEW, zwingend konzeptionell in die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern durchgehend eingebunden sein.

Bezüglich des Stundenumfangs fordert die GEW eine Klarstellung, in welchem Umfang Schulsozialarbeit zur Verfügung steht. Hier bedarf es zudem einer deutlichen Klärung, ob eine Differenzierung zwischen BVJ, BVJ-i, BVP-P und BVJ-S erfolgt.

Die GEW fordert bezüglich der Finanzierung der hier notwendigen Schulsozialarbeit eine angemessene Aufstockung.

Eine Finanzierung analog zu TVöD-SuE EG9 ist nicht angemessen, da für die Tätigkeit vertiefte Kompetenzen vorliegen müssen.

Die GEW fordert eine Finanzierung von TVöD-SuE EG11.

Mit Blick auf das Berufsvorbereitungsjahr Inklusion (BVJ-i) begrüßt die GEW ausdrücklich, dass dieses nun in der Verordnung verankert ist - wenn auch nur für Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Ganzheitliche Entwicklung.

Aus der Sicht der GEW entspricht diese Engführung nicht der Realität des BVJ, da beispielsweise auch viele Schülerinnen und Schülern mit dem Förderbedarf Lernen beschult werden. Auch für diese sind angemessene Strukturen und Rahmenbedingungen vorzuhalten.

Multiprofessionelle Teams aus Lehrkräften und Schulsozialarbeit tragen dem nicht Rechnung - auch für Schülerinnen und Schülern mit anderen Förderbedarfen als dem Förderschwerpunkt Ganzheitliche Entwicklung sind förderpädagogische Ressourcen durch hierfür ausgebildete Förderschullehrkräfte vorzusehen.

Die GEW fordert hier eine Anpassung der Verordnung, die dem Leitbild der Inklusion gerecht wird.

In diesem Zusammenhang fordert die GEW eine Änderung von § 14a Abs.4 Schulgesetz RLP und eine Ergänzung um den folgenden dritten Satz:

Als Schwerpunktschulen können Grundschulen, Realschulen plus, Gymnasien und Integrierte Gesamtschulen beauftragt werden. Auch Haupt- und Realschulen in freier Trägerschaft können Schwerpunktschulen sein. Berufsbildende Schulen mit einem Berufsvorbereitungsjahr Inklusion sind Schwerpunktschulen.

Dies ermöglicht Förderschullehrkräften an einer Berufsbildenden Schule als Dienststelle zu arbeiten und die bestehende Struktur von Abordnungen zu erweitern.

Nur so kann es gelingen, eine verlässliche und kontinuierliche Kooperation im multiprofessionellen Team des BVJ-i zu gewährleisten.

Das neu zu schaffende Angebot zur Lernberatung jeder Schülerin und jedes Schülers im zweiwöchigen Rhythmus durch die Lehrkraft, sowie die u.a. damit verbundene, enge Begleitung der Schülerinnen und Schüler sehen wir als eine sehr sinnvolle individuelle Unterstützungsmaßnahme für deren schulische und berufliche Perspektiven.

Die Zeiten für Lernberatung, Praktikumsbegleitung sowie zusätzliche pädagogische und organisatorische Unterrichtsgestaltung müssen zusätzlich zu den in der Stundentafel aufgeführten Pflichtstunden bereitgestellt werden. Dieses steht allerdings im Widerspruch zu unter Punkt D Kosten angeführten Kostenneutralität. Die GEW fordert die zusätzliche Bereitstellung des veranschlagten Stundenkontingents. Die Lernberatung soll, wie im Absatz 5 intendiert, durch doppelt besetzten Unterricht realisiert werden. Unter Nichtbeachtung unserer Forderung würde das zu einer Reduzierung der zu unterrichtenden Pflichtstunden führen. Die verpflichtenden Praktika erfordern einen zusätzlichen Betreuungs- und Dokumentationsaufwand, dem durch die Ausweisung zusätzlicher Zeiten Rechnung getragen werden muss.

 

Zu § 5: Sprachförderung

Die hier genannten Regelungen zur Sprachförderung stellen einen guten Kompromiss von einem, von uns stets geforderten, gemeinsamen, inklusiven Lernen zu einer spezifischen, bedarfsorientierten Sprachförderung dar.

Die Rahmenbedingungen für das BVJ-Sprachförderung (BVJ-S), als eine besondere Sprachfördermaßnahme für neu zugewanderte schulpflichtige Jugendliche ohne Schulabschluss, werden hier geregelt. Gerade in der aktuellen Situation sehen wir diese Form als einen bedeutenden Baustein für den Übergang der Schülerinnen und Schüler in ein reguläres Ausbildungsverhältnis an.

 

Zu § 6: Unterrichtsfächer, Stundentafel in Verbindung mit Anlage 2: Stundentafel für das Berufsvorbereitungsjahr an Berufsschulen

Die GEW begrüßt die Anpassung der Stundentafel.

Die Einführung des verpflichtenden Berufspraktikums fördert die Möglichkeit eines Übergangs in den Arbeitsmarkt, wobei gleichzeitig die Aufwertung der Fächer Englisch und Mathematik einen Übergang in die BF1 erleichtert.

Insbesondere die Lernberatung ermöglicht individuelles Lerncoaching, das die Schülerinnen und Schüler gezielt fördert und auf die Aufnahme einer Ausbildung vorbereitet.

Die GEW fordert, diese vollumfänglich umzusetzen - auch im BVJ Inklusion, im BVJ Sprache und im BVJ Pflege.

Eine Kürzung mit Verweis auf weitere Unterstützungsangebote (z.B. Förderung durch Förderschullehrkräfte) ist aus Sicht der GEW unmissverständlich auszuschließen.

Mit Blick auf die Ausweitung der allgemeinbildenden Fächer Mathematik/Fachrechnen sowie Englisch begrüßt die GEW deren Einführung, mahnt jedoch zugleich an, die notwendigen Ressourcen an Lehrkräften vorzuhalten.

Hier zeigt sich aus der Sicht der GEW ein Dilemma, das es zu beheben gilt:

Zum einen erfolgt eine deutliche Ausweitung an allgemeinbildenden Unterrichtsstunden (3 Stunden Fachrechnen, 2 Stunden Englisch), zum anderen werden Planstellen für Allgemeinbildnerinnen und Allgemeinbildner nahezu nicht zur Verfügung gestellt.

Die GEW fordert hier eine Erhöhung der Planstellen auch für Bewerberinnen und Bewerber mit allgemeinbildenden Fächern.

Zudem fordert sie die Einrichtung von Nachqualifizierungsmaßnahmen für diese Fächer, die sich an alle Lehrkräfte der BBS (inkl. Lehrerinnen und Lehrer für Fachpraxis, Fachtheorie) richtet.

Mit Blick auf das Fach "Leben und Beruf" begrüßt die GEW dessen Einführung und die Tatsache, dass es sich um einen unbenoteten "Lernraum" für Schülerinnen und Schüler handelt. Sie fordert hier Fortbildungen durch das PL, die pädagogische Konzepte für dieses Fach vermitteln.

Um Teilungsstunden u.a. im Fach Arbeit mit digitalen Medien/Standardsoftware anbieten zu können, verweist die GEW mit Nachdruck darauf, dass weitere Lehrkräftewochenstunden für Teilungsunterricht vorzusehen sind.

 

Zu § 7: Leistungsfeststellungen, Wahlpflichtfächer

Die GEW begrüßt, dass im Fach Leben und Beruf keine Leistungsfeststellung und -beurteilung stattfinden soll. Hierdurch wird ein wichtiger Rahmen geschaffen, sich mit diversen Fragestellungen ohne Leistungsdruck auseinanderzusetzen.

Zudem begrüßt die GEW, dass von Schülerinnen und Schüler nach §4 Abs. 4 in der Regel keine Leistungsfeststellungen und -beurteilungen gefordert werden. Der hier genannte Spielraum, um auf die individuellen Voraussetzungen der jeweiligen Schülerinnen und Schüler einzugehen, ist wichtig.

 

Zu § 8: Praktikumszeiten in Verbindung mit § 9: Abschluss, Sperrfach

Die GEW begrüßt, dass die Praktikumszeiten Voraussetzung für den Erwerb der Berufsreife werden, sowie die erstmalig verbindliche Festschreibung von Praktikumszeiten im BVJ. Die Verzahnung mit der Praxis bekommt somit einen höheren Stellenwert, was die beruflichen Perspektiven ebenfalls verbessern könnte. Für den Fall, dass Schülerinnen und Schüler keinen Praktikumsplatz finden o. Ä., wird die Regelung gelten, dass die Schule einen Ersatz anbieten soll.

Diese Regelung muss die Zuweisung der benötigten Lehrkräftewochenstunden berücksichtigen.

 

Zu § 9: Abschluss, Sperrfach

Die GEW begrüßt die Regelung, dass die Zeugnisse des Berufsvorbereitungsjahres um verbale Beurteilungen ergänzt werden können. So kann die Leistungsbeurteilung der Schülerinnen und Schüler individueller erfolgen und ist aussagekräftiger als eine Ziffernnote.

 

Mainz, 24.03.2022

 

Kontakt
Peter Blase-Geiger
Geschäftsführer GEW Rheinland-Pfalz
Adresse Martinsstr. 17
55116 Mainz
Telefon:  06131 28988-15