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Neufassung der Landesverordnung über die höhere Berufsfachschule

Stellungnahme zur Neufassung der Landesverordnung über die höhere Berufsfachschule

 

Schreiben des BM vom 14.03.2019, Aktenzeichen: 9405 A-01 401-1/35

 

Die GEW Rheinland-Pfalz nimmt zu dem o.g. Neufassung wie folgt Stellung:

  1. Vorbemerkungen:

Der vorliegende Verordnungsentwurf ergibt sich u.a. aus der Empfehlung 10 der Expertengruppe zur strukturellen Weiterentwicklung der berufsbildenden Schulen: Anpassung des Bildungs- und Qualifizierungsangebotes in der höheren Berufsfachschule an die geänderten Nachfragestrukturen sowie die demografische Entwicklung. Schule und Schulaufsicht sollen ein bildungsökonomisches Handeln im Hinblick auf demografische Veränderungen, veränderte Nachfragestrukturen sowie die Aktualisierung der Ausbildungsprofile in der Region ermöglichen. Überdies ergeben sich die Änderungen auch aus der Forderung nach Flexibilisierung von Bildungsbiographien, nach Erhöhung der Autonomie der Schulen und der Durchlässigkeit im Bildungssystem. Neue Anforderungen der Gesellschaft und Arbeitswelt in Bezug auf digitale Kompetenzen bedingen zudem neue pädagogische Konzepte.

Die GEW kann den Wunsch nach Adaption an veränderte Voraussetzungen nachvollziehen und steht der Reduktion der Fachrichtungen im Hinblick auf regionale Bedürfnisse und wirtschaftliche Anforderungen aufgeschlossen gegenüber. Sollte es zu Schwierigkeiten bei der Einrichtung verschiedener Fachrichtungen im Kontext der Klassenbildung kommen, wird eine durchgehend sensible und pädagogisch großzügige Handhabung der Ausnahmeregelung seitens der Schulbehörden, egal in welchem Schulaufsichtsbezirk, erwartet, um die Berufsbildenden Schulen auch in der Fläche zu erhalten.

 

  1. Zu den Bestimmungen im Einzelnen:

Zu § 3: Fachrichtungen und Dauer

Wie bereits in den Vorbemerkungen erwähnt, kann die GEW die Reduktion der Fachrichtungen nachvollziehen, mahnt jedoch einen sehr sensiblen Umgang bei der Klassenbildung in diesem Kontext an. Eine längere, bzw. Ausweitung der Pilotierungsphase auf weitere Schulen, hätte ggf. bessere Rückschlüsse über die Konsequenzen der Fachrichtungsreduzierungen mit sich bringen können.

 

Zu § 4: Aufnahmevoraussetzungen

Die GEW begrüßt ausdrücklich, dass nun keine Mindestnoten mehr als Aufnahmevoraussetzungen in die höhere Berufsfachschule, im Gegensatz zum Entwurf aus dem Dezember 2014, vorgesehen sind. Besonders die recht willkürliche Entscheidung, in welcher Fachrichtung damals welches Fach mit einer Mindestnote als eine der Aufnahmevoraussetzungen gelten sollte, war hier entschieden zu kritisieren.

Die Aufnahmevoraussetzungen werden dahingehend verschärft, dass nur noch Personen, die den qualifizierten Sekundarabschluss I oder einen als gleichwertig anerkannten Abschluss besitzen und nun neu noch keine Berufsausbildung nach Bundesrecht oder nach Landesrecht abgeschlossen haben, in die höhere Berufsfachschule aufgenommen werden können. Wir geben von Seiten der GEW zu bedenken, dass derzeit ca. 10 % eines Jahrgangs in der höheren Berufsfachschule bereits eine entsprechende Berufsausbildung haben und nun Personen in der gleichen Situation zukünftig nicht mehr aufgenommen würden. In der Regel kommen diese Schülerinnen und Schüler mit Berufsausbildungen aus ganz anderen beruflichen Richtungen und orientieren sich hier komplett um. Sie entscheiden sich hierbei bewusst für den niedrigschwelligeren Einstieg um sich neu aufzustellen und z.B. in der Fachrichtung Sozialassistenz, den Beruf der Sozialassistentin bzw. des Sozialassistenten auszuüben und ggf. erst später über die Fachschule Sozialwesen Erzieherin oder Erzieher werden zu können. Oftmals wären diese Personen aber noch nicht „so weit“ um direkt in die Fachschule zu gehen und diese erfolgreich zu durchlaufen.

Es wäre eine Formulierung wünschenswert, dass beispielsweise i. d. R. die Aufnahme in diesen Fällen nur nach einer gesonderten Schullaufbahnberatung möglich wäre und zudem über diese Ausnahmen die Schulbehörde entscheidet.

 

Zu § 5: Unterrichtsfächer

In Absatz 4 heißt es: „um eine Zusammenlegung von Oberstufen im Bedarfsfall zu ermöglichen, sind in der Unterstufe mindestens zwei Parallelklassen mit identischen Lernfeldern im Fach Standortspezifischer Unterricht erforderlich. Über Ausnahmen entscheidet die Schulbehörde [...].“

Die GEW sieht hierbei nochmals die Reduzierung des Fachrichtungsangebots auf 9 Fachrichtungen als kritisch an, da wir nun die Gefahr sehen, dass besonders kleine Berufsbildende Schulen nur eine geringe Anzahl an verschiedenen Fachrichtungen und Schwerpunkten der höheren Berufsfachschule anbieten könnten. Die Wahlmöglichkeit von Schülerinnen und Schülern wird somit eingeschränkt, wenn eine entsprechende Berufsbildende Schule mit ihrem gewünschten Schwerpunkt bzw. der gewünschten Fachrichtung sehr weit entfernt ist, da ggf. die umliegenden Berufsbildenden Schulen den entsprechend favorisierten Schwerpunkt bzw. die gewünschte Fachrichtung nicht anbieten können. Besonders für Schülerinnen und Schüler aus finanziell nicht gut gestellten Familien kann dies eine nicht zu überwindende Barriere darstellen.

Das BM konstatiert, dass die Zahlen der Schülerinnen und Schüler in der höheren Berufsfachschule in den letzten Jahren nur leicht zurückgegangen sind, daher ergibt sich daraus kein entsprechender Rationalisierungsdruck. Auch stellen wir dem Argument des BM, dass auf dem Ausbildungsstellenmarkt zunehmend mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt als nachgefragt werden, gegenüber, dass dies regional deutliche Unterschiede aufweist und zudem die Passung zwischen Angebot und Nachfrage nicht eins zu eins verrechnet werden darf. Bei der Aufnahme einer Ausbildung sind Eignung, Interesse, Talent, Umsetzbarkeit etc. wesentliche Aspekte, weshalb es nicht selten besser für die Jugendlichen sein kann, sich z. B. an einer höheren Berufsfachschule entsprechend weiter zu qualifizieren, um anschließend zusätzliche Optionen und auch mehr Sicherheit bezüglich des eigenen beruflichen Werdeganges zu erlangen.

 

Zu § 7: Unterrichtsorganisation/Praktika

Die GEW begrüßt, dass die Teilnahme am Fachhochschulreifeunterricht nun, wie vor der letzten Änderung der LVO über die höhere Berufsfachschule, wieder fakultativ sein wird. Somit können die Schülerinnen und Schüler bzw. zusammen mit ihren Eltern über ihren beruflichen Werdegang besser selbstbestimmen und ihren pädagogischen Entwicklungen besser Rechnung tragen.

Das Praktikum der Schülerinnen und Schüler findet in der Regel dual oder in Blockform statt. Die GEW weist diesbezüglich darauf hin, dass besonders bei der Blockform auf die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte Rücksicht genommen werden muss.

Hier würden die Schülerstunden über die zwei Schuljahre faktorisiert werden und dies somit auch für die Lehrerstunden so gelten.

(vgl. https://berufsbildendeschule.bildung-rp.de/fileadmin/user_upload/bbs/berufsbildendeschule.bildung-rp.de/Materialien/Dokumente/Materialiendatenbank_des_PL/Hoehere_Berufsfachschule/2018-12-04_Infoshop_Stundenplanung.pptx, S.16)

Anders als in den allermeisten Bildungsgängen der Berufsbildenden Schulen führt dies zu Mehrbelastungen der Kolleginnen und Kollegen. Zwar entfällt durch das Blockpraktikum der Unterricht der jeweiligen Lehrkraft; eine Vor- und Nachbereitung des Praktikums, wie etwaige Besuche, Korrekturen sowie eine Besprechung von Praktikumsaufgaben werden gleichwohl trotzdem stattfinden. Eine Ungleichbehandlung der Blockpraktika in der höheren Berufsfachschule gegenüber den Praktika anderer Bildungsgänge an den allgemeinbildenden Schulen und den Berufsbildenden Schulen ist aus der Sicht der GEW nicht zu rechtfertigen. Wir erwarten daher eine Anpassung analog der Rahmenbedingungen an den Fachoberschulen. Die Örtlichen Personalräte sind bei der Umsetzung bzw. Organisation der Praktika mit einzubeziehen, da sie hierzu in der Mitbestimmung nach dem Landespersonalvertretungsgesetz sind.

In Absatz 3 heißt es: […] „Schülerinnen und Schüler, die die entsprechenden Lernbausteine des Fachhochschulreifeunterrichts gemäß Abs. 2 besuchen, werden grundsätzlich von der Teilnahme am Unterricht in Deutsch/Kommunikation, Erste Fremdsprache sowie von den Lernbausteinen zwei und drei des Unterrichts in Sozialkunde/Wirtschaftslehre befreit.

Den Schülerinnen und Schülern wird in diesen Fächern im Zeugnis der höheren Berufsfachschule eine Note erteilt, die um eine Notenstufe besser ist als die Note, die sich ansonsten ergäbe. Dies gilt nicht, wenn die Klassenkonferenz ein schuldhaftes Verhalten, insbesondere eine Leistungsverweigerung feststellt, bzw. die Leistungen nicht feststellbar sind. Abweichend werden Schülerinnen und Schüler der Fachrichtung Sozialassistenz lediglich in der Ersten Fremdsprache sowie von den Lernbausteinen zwei und drei des Unterrichts in Sozialkunde/Wirtschaftslehre befreit.“

Die GEW gibt zu überdenken, ob nicht es nicht pädagogisch besser wäre, die folgende Formulierung zu wählen:

Den Schülerinnen und Schülern kann in diesen Fällen im Zeugnis der höheren Berufsfachschule eine Note erteilt werden, die um eine Notenstufe besser ist als die Note, die sich ansonsten ergäbe. Dies beschließt die Klassenkonferenz. Besonders im Falle eines schuldhaften Verhaltens, insbesondere bei Leistungsverweigerung, bzw. wenn die Leistungen nicht feststellbar sind, wird nicht die bessere Note erteilt. […]

Bei Absatz 12 sollte ergänzt werden, dass die Schule festlegt, in welcher Art diese Fehlzeiten nachgeholt werden können und dass diese Zeiten nicht betreut werden.

 

Zu Anlage 2: Stundentafel für die höhere Berufsfachschule

Es wird von Seiten der GEW begrüßt, dass, je nach Fachrichtung, immerhin von 360 bis zu 760 Teilungsstunden für den Unterricht in den Lernfeldern zur Verfügung stehen, mahnt jedoch an, dass dies im Vergleich zu vorher dennoch ein Rückgang ist. Im Rahmen der Vorgaben durch das PauSE-System, entscheidet dann jede Schule eigenständig über die Verteilung auf die Lernfelder, wobei hier natürlich die pädagogischen Aspekte, vor einer etwaigen Rationalisierung im Vordergrund stehen müssen.

 

 

 

Mainz, 16.04.2019

Kontakt
Peter Blase-Geiger
Geschäftsführer GEW Rheinland-Pfalz
Adresse Martinsstr. 17
55116 Mainz
Telefon:  06131 28988-15