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Entwurf der Richtlinie zur Digitalen Bildung in der Primarstufe

Stellungnahme zum Entwurf der Richtlinie zur Digitalen Bildung in der Primarstufe

Schreiben des BM vom 25.04.2018, Aktenzeichen: 9413B-Tgb.-Nr. 3073/18

Die GEW Rheinland-Pfalz nimmt zu dem o.g. Entwurf wie folgt Stellung:

Die GEW begrüßt ausdrücklich die Vorlage einer Richtlinie für die Primarstufe, die einerseits die Vorgaben der KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ von 2016 umsetzt und andererseits an die in Rheinland-Pfalz im Rahmen des Programms „Medienkompetenz macht Schule“ bereits in den Schulen eingeführten Konzepte und Materialien anknüpft.

Medien haben einen zentralen Stellenwert im Prozess der Sozialisation gewonnen, so dass Medienbildung und -erziehung als Teil gesellschaftspolitischer Bildung unerlässlich ist. Bereits in der Primarstufe muss eine altersgemäße Medienerziehung und -nutzung einsetzen.

Die GEW kritisiert jedoch die zu starke Ausrichtung der Richtlinie auf den Erwerb von technischer Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien. Bildung in der digitalen Welt erfordert erheblich mehr, nämlich zu verstehen, wie digitale Systeme funktionieren und zu unserem Besten eingesetzt werden – und auch, wie sie uns manipulieren und steuern können.

 

Die Digitalisierung und Mediatisierung unserer Welt schreitet rapide voran und verändert die Gesellschaft grundlegend. Neben den Vorteilen und Chancen birgt dies auch massive Gefahren für die Gesellschaft und jede*n Einzelne*n. Ökonomische Interessen der digitalen Industrie be­drohen Demokratie und Selbstbestimmung. Die Privatwirtschaft nimmt durch den Einsatz digitaler Medien in Schulen enormen Einfluss auf Schule. Die in den Schulen eingeführte Technologie und die Softwareprogramme bestimmen die Unterrichtsinhalte sowohl inhaltlich als auch durch ihren formalen Aufbau mit, so dass die Schulen Kontrolle, Autorität und das „Monopol“ auf Inhalte zunehmend verlieren. Große Computer- und Internetkonzerne bieten ihre Produkte längst im Paket – mit Fortbildungen für Lehrkräfte, Unterrichtskonzepten und -materialien – an.

Die Kultusministerkonferenz hat mit ihrer Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ (KMK-Beschluss vom 08.12.2016) die Kompetenzen verbindlich vorgegeben, die alle Schülerinnen und Schüler bis zum Ende ihrer Pflichtschulzeit erreichen sollen. Im vorgelegten Entwurf der rheinland-pfälzischen Richtlinie sind diese Kompetenzen – angepasst an die Lernvoraussetzungen der Grundschüler*innen – in weiten Teilen bereits für die Primarstufe verbindlich aufgenommen. Diese Kompetenzen werden im in der Richtlinie enthaltenen Orientierungsrahmen (Ziffer 5) in Bezug gesetzt zu den Kompetenzen, die über den „MedienkomP@ss“ vermittelt werden, den das Land im Rahmen seines Programms „Medienkompetenz macht Schule“ entwickelt hat und der schon jetzt an vielen Grundschulen einsetzt wird.

Die GEW kritisiert diese starke Gewichtung des technischen Umgangs mit digitalen Medien, sowohl im Orientierungsrahmen (Ziffer 5) als auch im Abschnitt „Kompetenzentwicklung“ (Ziffer 3), und die Vernachlässigung des Lernens über digitale Medien.

Die GEW sieht bei der Umsetzung der Richtlinie in unveränderter Form an den Schulen die Gefahr der Reduzierung des Unterrichts auf ein Training der Handhabung der diversen (und ständig neu entwickelten) Endgeräte. Dies würde dem Auftrag der Medienbildung in der Primarstufe nicht gerecht werden, vielmehr würde dies lediglich die von der Wirtschaft intendierte umfängliche unkritische Mediennutzung fördern.

Wenngleich in Ziffer 1.3. das „Lehren und Lernen mit und über digitale Medien“ aufgeführt ist, erkennen wir dazu im Entwurf keine entsprechende Umsetzung. Auch die in Ziffer 3 des Entwurfs der Richtlinie aufgeführten „prozessbezogenen Kompetenzen“ werden lediglich „auf die Art und Weise wie Schülerinnen und Schüler mit digitalen Medien umgehen und diese nutzen“ (Ziffer 3.3) bezogen. Unklar bleiben zudem der Stellenwert und die Verbindung der in Ziffer 3.3. aufgeführten Kompetenzerwartungen zu den Kompetenzen im Orientierungsrahmen in Ziffer 5, der als „Kernstück“ der Richtlinie bezeichnet wird. Hierzu müssten dringend Erläuterungen aufgenommen werden.

Die GEW fordert, dass die aktuellen Herausforderungen der Digitalisierung und Mediatisierung unserer Welt, in der unsere Kinder leben, in der Richtlinie Berücksichtigung finden. Wir verweisen auf den KMK-Beschluss „Medienbildung in der Schule“ von 2012, der neben der KMK-Strategie weiterhin Gültigkeit besitzt. Hier sind „Identitätsbildung und Persönlichkeitsbildung“ (Ziffer 2.3) sowie „Ausprägung moralischer Haltungen, ethischer Werte und ästhetischer Urteile“ (Ziffer 2.4) als verbindliche Bestandteile „grundlegender, umfassender und systematischer Medienbildung“ festgelegt.

Umfassende Medienbildung in der Primarstufe, die auf Bildung und Persönlichkeitsentwicklung ausgerichtet ist, kann nicht nur „digital“ sein, sondern muss die kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit der Welt ermöglichen. Junge Menschen müssen darauf vorbereitet werden, in die Digitalisierungsprozesse mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensbedingungen für alle Menschen gestaltend einzugreifen. Sie dürfen nicht zu Konsument*innen digitaler Produkte von Internetgiganten oder zu Opfern einer technikzentrierten, angeblich nicht beeinflussbaren Entwicklung degradiert werden.

In Ziffer 1.9 der Richtlinie ist festgelegt: „Bei der Nutzung digitaler Lernumgebungen gilt das Primat des Pädagogischen“. Dies begrüßt die GEW ausdrücklich, wenn wir feststellen, dass es im Bereich der Entwicklung digitaler Werkzeuge und Programme bislang eher umgekehrt ist – hier folgt die Pädagogik in weiten Teilen der technischen Entwicklung, die für den allgemeinen Markt und nicht für Schule produziert.

Gemäß Ziffer 3.1. ist im Unterricht von den Alltagserfahrungen und der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler auszugehen. Dazu betont die GEW, dass Kinder im Grundschulalter Bewegung und das taktile Begreifen der Dinge brauchen und dass der Einsatz digitaler Medien deshalb altersgemäß, spielerisch und erkundend sein muss.

Gerade im Zeitalter von Big Data und der Allgegenwart von Informatiksystemen fordert die GEW bereits für die Primarstufe, dass die Kinder in der Schule lernen zu verstehen, wie sich digitale Systeme neben der eigentlichen Handhabung auf ihr Leben und die Gesellschaft auswirken. Dazu gibt es inzwischen eine Vielzahl handlungsorientierter Unterrichtsmaterialien, die entdeckendes und problemlösendes Lernen wie auch die Kreativität fördern. Dazu verweist die GEW auf das Entwurfspapier „Kompetenzen für informatische Bildung im Primarbereich“ (Stand 22.03.2018) der Gesellschaft für Informatik, in dem diese Kompetenzen und deren Umsetzung umfänglich beschrieben sind.

Die empirische Forschung zur digitalen Bildung ist zurzeit noch gering. Im wissenschaftlichen Diskurs um Medienbildung in der Schule gibt es neben den Befürwortern des frühen Umgangs mit Medien in der Grundschule ausgewiesene Gegner, die mit ernst zu nehmenden Argumenten eine von digitalen Medien freie Grundschule fordern. Durch eine OECD-Studie ist belegt, dass ein verstärkter Computergebrauch in den Schulen weder die Leistungen verbessert (exzessive Computer- und Internetnutzung führt danach sogar zu schlechteren Ergebnissen in Lesen und Mathematik) noch zu einer umfassenden Medienkompetenz beiträgt. Ähnliches findet sich in der Hattie-Studie: unter den 250 aufgelisteten Faktoren, die Einfluss darauf haben, wie gut Unterricht gelingt, sind etwas über 20 Digitalisierungsfaktoren, deren Effekte in der Summe nur mäßig sind. Der Einsatz digitaler Techniken alleine genügt nicht, es bedarf zugleich neuer didaktisch-methodischer Konzepte, mit denen digitale Techniken erst einen positiven Beitrag zu besseren Lernergebnissen der Schüler*innen in allen Lernbereichen leisten können.

 

Im Folgenden zitieren wir Prof. Klaus Zierer, Uni Augsburg, aus seinem Gastbeitrag „Warum der Fokus auf das digitale Klassenzimmer Unfug ist“ in Spiegel online vom 27.12.2017:

  • Der Einsatz von Powerpoint wirkt sich kaum auf den Lernerfolg aus. Einer der Gründe dafür ist, dass Lernende eher den Folien folgen als dem Redner und dadurch die entscheidenden Informationen nicht mitbekommen.
  • Die Einzelnutzung eines Computers wird überschätzt. In der Studie "The pen is mightier than the keyboard" konnten die Autoren nachweisen, dass Lernende sich Gehörtes besser merken können, wenn sie es mit Bleistift und Papier mitschreiben als mit Laptop oder Computer.
  • Auch Smartphones sind im Unterricht nicht per se hilfreich. Vielmehr kommt die Studie "Brain Drain" zu dem Schluss, dass allein die Anwesenheit des Smartphones die Aufmerksamkeit verringert und damit auch die Leistungen.

Was folgt daraus? Lernen bleibt lernen - egal, ob analog oder digital. Und damit das gelingt, braucht es Einsatz, Anstrengung und den menschlichen Dialog. Kurzum: Pädagogik vor Technik.

Die Perspektive der Bildung: Dem humanistischen Verständnis zufolge zeigt sich Bildung darin, was jemand aus seinem Leben gemacht hat und nicht darin, was andere aus einem gemacht haben. Sicherlich führt die Digitalisierung in vielfacher Hinsicht zu mehr Lebensfreude. Aber es gibt auch eine Schattenseite: "Smartphone-Sucht".

Die Betroffenen unterliegen einem Reflex und zücken das Smartphone, wann immer ihnen langweilig ist oder sie sich unsicher fühlen. Das führt laut der Studie "Homo Digitalis" unmittelbar zu immer weniger sozialen Kontakten - selbst das Essen in Familien wird durch eine unkontrollierte Smartphonenutzung asozialisiert. Zudem kommen Betroffene kaum noch zur Ruhe und ihre Leistungen in Arithmetik nehmen ab. Außerdem verändern sich neuronale Bereiche.

Digitalisierung ist eine gesellschaftliche Herausforderung

Was folgt daraus? Menschen müssen nicht nur lernen, wie ein Smartphone funktioniert. Sie müssen vor allem lernen, wann es sich lohnt, dieses einzuschalten und wann es besser ist, dieses auszuschalten. Eine umfassende Medienbildung muss das Ziel sein. Hier sind die Schulen besonders gefragt.

Digitalisierung ist eine gesellschaftliche Herausforderung. Gerade der Bildungsbereich ist gefordert - weniger wegen der Chancen für das Lernen, als vielmehr wegen der Risiken für die Bildung. Schule ist der falsche Ort für Digitalisierung als Selbstzweck. Genauso wichtig wie die Frage nach der Zahl der Tablets ist die Suche nach geeigneten Lehrmethoden und ausreichend qualifiziertem Personal. Dieser zweite Aspekt kommt bisher in den zuständigen Ministerien viel zu kurz. Klar ist: Dafür braucht es Geld und Zeit. Wer hier schnell und leichtfertig agiert, verkennt die Möglichkeiten und Grenzen des Menschen.

 

Die GEW fordert deshalb, dass die Richtlinie kontinuierlich fortgeschrieben und an die weitere gesellschaftliche Entwicklung und die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Auswirkungen auf das Lernen der Kinder angepasst wird.

Auf der neu auf dem Bildungsserver eingerichteten Seite „curriculum“ werden zurzeit fachspezifische Umsetzungsmöglichkeiten exemplarisch zur Verfügung gestellt. Die GEW Rheinland-Pfalz wünscht, dass hier konkrete handlungsorientierte Materialien und Hinweise eingestellt werden. Auch die kommunalen Medienzentren sollten solche konkreten Materialien zur Verfügung haben.

Die GEW hält informatische Bildung und Programmieren bereits im Primarbereich für sinnvoll. Auch in Rheinland-Pfalz haben sich nach unserer Kenntnis Grundschulen erfolgreich auf diesen Weg begeben, wie beispielsweise Pressemeldungen über die Grundschule Dolgesheim zeigen. 

Informatische Bildung vermittelt systematische Grundlagen über die Welt der Information und stellt Werkzeuge für das Denken bereit, die die bekannte Welt in neuem Licht erscheinen lassen. Sie ist Grundlage, um die digitalisierte Welt verstehen, kritisch reflektieren und in ihr verantwortungsvoll handeln zu können.

 

Die wichtigen fachübergreifenden Kompetenzen, die insbesondere über das Programmieren erworben werden können, möchten wir hier explizit aufführen (zitiert aus: https://www.herr-rau.de/wordpress/ 2013/05/informatik-als-schulfach.htm):

  • Man lernt, Problemstellungen zu durchdringen und Lösungen für Probleme zu finden.
  • Man lernt, dass ein Programm (oder Rezept oder …) nur das macht, was man programmiert hat. Fehler treten unmittelbar (oder manchmal auch nach längerem Testen – wie im alltäglichen Leben) zu Tage und können berichtigt werden.
  • Man lernt, dass (fast) jede Suche nach Lösungen mit vielen Fehlern verbunden ist.
  • Man lernt, dass „Fehler-Machen“ nicht schlimm ist, sondern wichtiger Bestandteil des Lernens und Forschens ist.
  • Man lernt, dass es manchmal sinnvoll ist, ein komplexes Problem in immer kleinere Teilprobleme zu zerlegen, die dann relativ einfach gelöst werden können (top-down).
  • Man lernt aber auch, dass es manchmal sinnvoll ist, vorhandene Grundbausteine zu komplexen Gebilden zusammenzusetzen (bottom-up).
  • Man lernt, dass es sinnvoll ist, jeden Gedankenschritt zu testen und bei komplexen Denkschritten auch zu dokumentieren.
  • Man lernt, zur Lösung eines Problems nicht nur einen einzelnen Weg zu suchen, sondern alle (soweit es geht) Wege zu beachten.
  • Man lernt, wichtige Teilergebnisse in Modulen zusammenzufassen und bei Gelegenheit (wenn es angebracht ist) wieder zu verwerten.
  • Noch viel mehr kann man beim Programmieren lernen, aber wichtig ist neben dem Lernen auch zu erleben, wie glücklich-stolz-froh-zufrieden- … man sein kann, wenn man trotz aller Schwierigkeiten, die sich einem in den Weg stellen, ein Problem selbst bewältigt hat. Das stärkt das Selbstbewusstsein und macht Mut, auch andere schwierige Probleme (auch außerhalb der Informatik) anzugehen.

 

Die GEW begrüßt ausdrücklich, dass hier eine Richtlinie für die Primarstufe vorgelegt wird, die durch die Hinweise zur sonderpädagogischen Adaption (Ziffer 4) sowohl für die Grundschule als auch für den Unterricht und die Förderung der Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Förderschulen und in der sonderpädagogischen Förderung in Schwerpunktschulen gilt.

Allerdings geben wir zum Bereich der sonderpädagogischen Förderung Folgendes zu bedenken: Die digitale Bildung verheißt unter anderem, soziale Benachteiligung und Bildungsungerechtigkeit zu verringern. Digitales Lernen verschafft jedoch nicht per se mehr Lernchancen. Stattdessen ist mittlerweile aus verschiedenen Studien bekannt, dass gerade benachteiligte Schüler*innen mit dem, zumeist auf mehr Selbststeuerung setzenden, digitalen Lernen Probleme haben und besonders auf den persönlichen Kontakt und die persönliche Begleitung durch die Lehrkräfte angewiesen sind.

 

Zur Lehrkräftebildung

Die verbindliche Vorgabe der Richtlinie (Ziffer 1.10.) wird von der GEW kritisiert, auch wenn sich diese insbesondere auf die Entwicklung von schulischen Medienkonzepten bezieht. In der KMK-Strategie wird die Aus-, Fort- und Weiterbildung aller Lehrenden als Bedingung für eine qualitativ hochwertige Medienbildung in der Schule ausführlich dargestellt. In Ziffer 1.8. des Entwurfs der Richtlinie ist dies als Aufgabe der Lehrkräfte formuliert, wobei in Ziffer 2 Unterstützungs-, Beratungs- und Fortbildungsangebote aufgeführt sind.

 

Aus Sicht der GEW brauchen Lehrkräfte persönliche Medienkompetenz, sozialisationsbezogene, mediendidaktische und medienerzieherische Kompetenz sowie Schulentwicklungskompetenz im Medienzusammenhang. Diese Kompetenzen müssen sie berufsbegleitend erwerben, denn derzeit ist bundesweit nicht gesichert, dass sie im Lehramtsstudium vermittelt werden.

Die Entwicklung schulischer Medienkonzepte braucht Zeit und Unterstützung durch fachliche Expertise, die an vielen Schulen nicht vorhanden ist. Die GEW Rheinland-Pfalz fordert, dass diese Angebote schnellstmöglich so umfänglich und flächendeckend ausgebaut werden, dass tatsächlich alle Schulen, alle Schulleitungen (denen gemäß Ziffer 2.2. wesentliche Unterstützungsfunktion zukommt) und alle Lehrkräfte diese Unterstützung erhalten.

Guter Unterricht, der den fachlichen, didaktischen, methodischen und pädagogischen Anforderungen einer frühen Medienerziehung und informatischen Grundbildung entspricht, kann nur von fachlich gut aus- und fortgebildeten Lehrkräften erteilt werden. Das Gesamtkonzept unter der Verantwortung des Bildungsministeriums muss dringend (weiter-)entwickelt werden und muss den Schulen und Lehrkräften Orientierung geben, die jenseits kommerzieller Interessen der digitalen Großkonzerne liegt (aus diesem Grund halten wir auch den Einsatz des Mini-Computers Calliope für kritisch). Als notwendige Gegenmaßnahme zu den schleichenden Privatisierungsprozessen im Bildungsbereich sehen wir die Dringlichkeit, seitens des Ministeriums offene und freie Bildungsmedien (OER) und nicht-kommerzielle Plattformen zur Verfügung zu stellen und die Schulen in der Einführung zu unterstützen.

 

Zu den Rahmenbedingungen

Die Schulen brauchen eine gute räumliche und sächliche Ausstattung, personelle Unterstützung und Anrechnungsstunden für den schulischen Medieneinsatz, Support für die Betreuung und Wartung, die Beachtung ergonomischer und gesundheitlicher Aspekte, Rechtssicherheit für die Lehrkräfte, die öffentliche Verantwortung für die Medienbildung und ein Zurückdrängen der Einflussnahme der Privatwirtschaft auf die öffentliche Bildung.

Auf die jetzt schon überlasteten Kolleg*innen kommen weitere zeitintensive und anspruchsvolle zusätzliche Aufgaben zu, die ohne zur Verfügung stehende zeitliche Ressourcen nicht zu bewältigen sind. Die notwendige umfassende Qualifizierung der Kollegien erfordert es aus Sicht der GEW, dass an jeder Schule mindestens eine Person Fachberater*in, Ansprechpartner*in und Koordinator*in für digitale Bildung ist. Die Ausbildung dazu ist eine umfangreiche und längerfristige Maßnahme, ähnlich der Qualifikation für die Unterrichtserlaubnis in anderen Grundschulfächern.

Es müssen verbindliche Standards zur Ausstattung der Grundschulen mit digitalen Medien entwickelt sein, wenn der Rahmenplan um die Richtlinie zur Digitalen Bildung erweitert wird. Eine ausreichende personelle Versorgung zur Wartung und Inbetriebnahme digitaler Medien muss ebenfalls gewährleistet sein.

 

 

Fazit:

Digitale Medien sollen die Methodenvielfalt, die Vielfalt der Lernzugänge und die Individualisierung von Lernprozessen unterstützen. Insbesondere muss neben der Handhabung und Anwendung digitaler Medien auf einen kritischen Umgang mit ihnen bezüglich ihrer sozialen Auswirkungen, wie Veränderung der Kommunikation, Manipulation der Meinungsbildung und Mobbing Wert gelegt werden. Alle Bestrebungen, digitale Bildung als Einfallstor für die Kommerzialisierung von Bildung zu nutzen, sind entschlossen zurückzuweisen.

Die GEW fordert eine sozial gerechte, öffentlich verantwortete Medienbildung. Bildung in der digitalen Welt geht weit über die in der Richtlinie beschriebene „digitale Bildung“ hinaus. Bildung in der digitalen Welt muss allgemeine Kompetenzen fördern, die Menschen in die Lage versetzen, die Chancen der Digitalisierung für die Verbesserung der Lebensbedingungen aller Menschen zu nutzen und die Risiken zu minimieren.

Dazu gehören sowohl informatische Kompetenzen, ohne die eine kritische Einschätzung der Chancen und Risiken einer zunehmenden Digitalisierung nicht möglich ist, als auch übergreifende individuelle und soziale Kompetenzen, wie Kreativität, Flexibilität, Konfliktfähigkeit, Unternehmungsgeist, produktiver Umgang mit Fehlern, Resilienz, Solidarität … als Voraussetzung für Innovationsfähigkeit und humane Technikgestaltung.

Die GEW hält den kritischen Diskurs in Schule, Lehrkräftebildung und Gesellschaft darüber, was Schule in unserer von Medien durchdrungenen Gesellschaft ist und welche Kompetenzen die Schülerinnen und Schülern unter diesen Bedingungen erwerben müssen, für dringend notwendig. Und selbstverständlich möchte sie sich gerne aktiv daran beteiligen!

 

 

 

Mainz, 14.06.2018

Kontakt
Peter Blase-Geiger
Geschäftsführer GEW Rheinland-Pfalz
Adresse Martinsstr. 17
55116 Mainz
Telefon:  06131 28988-15