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Verwaltungsvorschrift "Mehrarbeit im Schuldienst"

Stellungnahme zum Entwurf der Verwaltungsvorschrift "Mehrarbeit im Schuldienst"

Schreiben des BM vom 28.11.2016, Az.: 9215 - Tgb.Nr. 1394/16

Die GEW nimmt zu dem o.g. Entwurf wie folgt Stellung:

 

Grundsätzliches:

In § 73 Abs. 2 Landesbeamtengesetz (LBG) ist festgelegt, dass die Beamt*in verpflichtet ist, ohne Vergü-tung über die durchschnittliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhält-nisse dies erfordern. Die Mehrarbeit muss angeordnet oder genehmigt werden und auf Ausnahmefälle beschränkt sein. Die regelmäßige Arbeitszeit von Landesbeamten beträgt nach § 2 Abs. 1 ArbZVO durch-schnittlich 40 Stunden in der Woche.

Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 LBG gilt § 73 Abs. 2 LBG auch für die Arbeitszeit der Lehrkräfte, die auf der Grundlage von § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 in der Lehrkräfte-Arbeitszeitverordnung festgelegt ist.

Die Personalversorgung der Schulen lässt es i.d.R. nicht zu, das amtlich vorgegebene Unterrichts-Soll abzudecken. Es besteht i.d.R. ein struktureller Unterrichtsausfall.

Für die Abdeckung des Personalbedarfs, der durch Krankheit, Mutterschutz, Elternzeit, Fort- und Weiter-bildung, durch MB oder ADD angeordnete Dienstbesprechungen bzw. Dienstkonferenzen etc. immer wieder entsteht, sind nur unzureichende Instrumente zur Verfügung: PES, Vertretungslehrkräfte-Pool (einschließlich Feuerwehrlehrkräfte an Grundschulen). Diese Instrumente sind nicht so ausgestattet, dass der temporäre Unterrichtsausfall zur Gänze aufgefangen werden kann. Bei einer Personalaus-stattung von 110 % wäre dies weitgehend möglich.

Im Schulbereich entspricht die tatsächliche Anordnung von Mehrarbeit i.d.R. nicht der Vorgabe der Be-grenzung auf zwingende dienstliche Verhältnisse und der Beschränkung auf Ausnahmefälle.

Dies muss die VV leisten, der vorliegende Entwurf trägt diesem Anspruch nicht Rechnung.

Der Entwurf der VV Mehrarbeit soll in einem ersten Teil klar regeln, wie im Lehrkräftebereich der Fest-legung in § 73 Abs. 2 Satz 3 LBG Rechnung getragen wird. Dort heißt es: "Überschreitet die Mehrarbeit im Monat fünf Stunden oder bei Teilzeitbeschäftigung ein Achtel der durchschnittlichen Arbeitszeit, ist innerhalb eines Jahres für die gesamte in demselben Monat geleistete Mehrarbeit Dienstbefreiung zu gewähren; soweit dies aus zwingenden Gründen nicht möglich ist, kann stattdessen nach Maßgabe der besoldungsrechtlichen Vorschriften eine Vergütung gezahlt werden."

Der Festlegung im Lehrkräftebereich die fünf Zeitstunden durch drei Unterrichtsstunden zu ersetzen, wird zugestimmt.

Der Klarstellung, dass Lehramtswärter*innen und nebenamtlich beschäftigte Lehrkräfte nicht zur ver-gütungsfähigen Mehrarbeit herangezogen werden dürfen, stimmen wir zu unter der Voraussetzung, dass dies für die gesamte Zeit des Vorbereitungsdienstes gilt. Auch nach dem Bestehen der Zweiten Staatsprüfung findet weiter Ausbildung in den Seminaren und in der Ausbildungsschule statt. Bei neben-beruflich Beschäftigten ist für Mehrarbeit die anteilige TV-L-Vergütung zu zahlen. Die Vorgabe "innerhalb eines Jahres" soll durch "innerhalb eines Schuljahres" ersetzt werden - aus ganz pragmatischen Gründen.

In einem zweiten Teil ist zu klären, wie im Alltagsbetrieb und unter welchen Umständen für Lehrkräfte zusätzliche Unterrichtsstunden angeordnet oder genehmigt werden dürfen. Zusätzliche Unterrichts-stunden sind solche, die über die persönliche Unterrichtsverpflichtung hinaus zu erteilen sind; sie sind entsprechend §7 LehrArbZVO auszugleichen bzw. über PES zu bezahlen. Für Aufsicht führen, Teilnahme an Konferenzen, Besprechungen, Gespräche mit Eltern können keine zusätzlichen Unterrichtsstunden angeordnet oder genehmigt werden.

Kommt es zu Personalausfall durch z.B. Mutterschutz, Erkrankung, Beurlaubung, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften kann die Schulleitung neben Unterrichtskürzungen das Erbringen zusätzlicher Unter-richtsstunden anordnen oder genehmigen.

Bei Ausfällen für den Zeitraum eines Schulhalbjahres darf der Umfang der von der Lehrkraft zusätzlich zu erbringenden Unterrichtsstunden vier Wochenstunden nicht überschreiten; § 7 LehrArbZVO findet An-wendung.

Gleiches gilt bei Ausfällen für einen kürzeren Zeitraum als ein Schulhalbjahr, auf die neben angeord-netem Unterrichtsausfall mit zusätzlich angeordneten Unterrichtsstunden reagiert wird, wobei § 7 LehrArbZVO entsprechende Anwendung findet.

Erweist es sich als unumgänglich, einzelne Unterrichtsstunden durch zusätzlich zu erbringenden Unter-richt abzudecken, dann ist primär das (mit PES verbundene) schulische Vertretungskonzept anzuwenden. Jede darüber hinaus von einer Lehrkraft zu erbringende einzelne zusätzliche Unterrichtsstunde ist durch Freizeit auszugleichen.

Eine Lehrkraft darf während der Schwangerschaft oder solange sie stillt nicht zu zusätzlichen Unter-richtsstunden herangezogen werden.

Diese gilt auch für Lehramtsanwärter*innen während der gesamten Dauer des Vorbereitungsdienstes.

Bei Lehrkräften, der Unterrichtsverpflichtung aus persönlichen Gründen (Schwerbehinderung, Alter, vo-rübergehend verminderter Dienstfähigkeit, begrenzte Dienstfähigkeit) herabgesetzt ist, darf eine ein-zelne zusätzliche Unterrichtsstunde nur mit dem Einverständnis der Lehrkraft angeordnet oder genehmigt werden.

Lehrkräfte sollen ab Beginn des Schuljahres, in dem sie das 55. Lebensjahr vollenden, zu einzelnen zu-sätzlichen Unterrichtsstunden nur mit dem Einverständnis der Lehrkraft herangezogen werden.

Die Regelungen in § 80 Abs. 2 Nr. 6 und Abs. 3 LPersVG bleiben unberührt.

Zu einzelnen Aspekten des Entwurfs:

Zu 1

Die GEW Rheinland-Pfalz hat erhebliche Bedenken, dass die Formulierungen im Entwurf der VV Mehrarbeit im Schuldienst sehr häufig zu einer versteckten regelmäßigen Mehrarbeit von vielen Lehrkräften führt.

Dies bedeutet faktisch eine rechtswidrige regelmäßige Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte (vor allem der Teilzeitkräfte), da den meisten Schulen im Lande notwendige Ressourcen zum Auffangen des tatsächlich immer wieder anfallenden Unterrichtsausfalls fehlen.

Zu 1.1

Wir lehnen es ab, dass den Empfängerinnen und Empfängern von Anwärterbezügen nach der bestandenen 2. Staatsprüfung Mehrarbeit zugemutet werden kann. Diese Personen befinden sich während der gesamten Zeit des Vorbereitungsdienstes in der Ausbildung – auch nach der bestandenen Prüfung. Es findet weiter Ausbildung in den Seminaren und der Ausbildungsschule statt. Die zulässige Unterrichtsverpflichtung ist in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung festgelegt.

Zu 1.2.2

Die Klammer soll eine abschließende Aufzählung beinhalten: Aufsicht führen, Teilnahme an Konferenzen und Besprechungen, Elterngespräche.

In der Klammer ist zu streichen: „.z.B...Vorbereitung des neuen Schuljahres, Leitung von Schulfahrten bzw. Klassenfahrten etc.“.

Satz 2 bekommt folgende Formulierung: „Ansprüche teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte auf Ausgleich sind zu berücksichtigten."

Zu 1.3.2

Die Formulierung dieser beiden Ziffern (1.3.2 und 1.3.5) weisen zwar darauf hin, dass Mehrarbeit die Ausnahme darstellen muss und nur angeordnet werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und unumgänglich Mehrarbeit von einzelnen Unterrichtsstunden anzuordnen sind.

Die Auslegung dieser Begrifflichkeiten in den einzelnen Schulen erfolgt oft missbräuchlich.

Zwingende dienstliche Gründe sind an Schulen nur in extremen Ausnahmefällen vorstellbar.

Die Formulierung „Ausnahmefall“ wird häufig negiert, um den Regelbetrieb zu organisieren.

Forderung: Streichung Satz 2: „Sie ist in der Regel zunächst...“

Wir erläutern Vorstehendes:

Schulleitungen halten häufig die Mehrarbeit für unumgänglich, wenn am Morgen des Unterrichtstages der Anruf kommt, dass eine Lehrkraft erkrankt ist. In den Fällen, in denen die Krankmeldung erst am ers­ten Tag der Erkrankung erfolgt, ist dies für Schulleitungen ein Einfallstor für die Anordnung von Mehrar­beit ohne Ausgleich. Auf das Jahr hin gesehen stellt sich an vielen Schulen auch heraus, dass diese Mehrarbeit nicht auf Ausnahmefälle beschränkt ist, vielmehr ist eine gewisse Regelmäßigkeit zu erken­nen. In diesem Zusammenhang ist uns bekannt, dass es Schulleitungen gibt, die pro Vollzeitkraft monat­lich schon zusätzliche drei Stunden einplanen.

Zu 1.3.4

Streichung: „.. auch geringfügige...“

Zu 1.3.5

Kommentar: Durch diese Regelung werden Teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte insbesondere an Grund-schulen (Volle Halbtagsschule) regelmäßig benachteiligt, dies ist nach Teilzeit- und Befristungsgesetz
§ 4 nicht statthaft.

Das ist mit einer geeigneten Formulierung abzuweisen.

Zu 1.3.9

Die Anhebung auf 56 Jahre ist mit dem Hinausschieben der Regelaltersgrenze auf Ende des Schuljahres nach Vollendung des 65. Lebensjahres kausal nicht zu begründen.

Bisher wurde eine Belastung ab dem 55.Lebensjahr anerkannt; wir fordern die Beibehaltung. Mit dem Hinausschieben der Lebensarbeitszeit ändert sich diese Belastung nicht.

Die Festlegung des Eintritts in die Altersteilzeit nach Vollendung des 56. Lebensjahres hat mit der vor-stehenden Belastung im Alter nichts zu tun.

Außerdem ist die Möglichkeit zum Ausgleich durch Dienstbefreiung „vorrangig und unverzüglich“ einzuräumen. Wir fordern eine Ergänzung.

Zu 2

Zu 2.1

Wir fordern folgende Formulierung:

Mehrarbeit ist vorrangig durch Dienstbefreiung auszugleichen. Eine Vergütung kann erst erfolgen, wenn ein Schwellenwert überschritten ist und wenn die Mehrarbeit aus zwingenden Gründen nicht durch Dienstbefreiung ausgeglichen werden kann.

Kommentar:

Hier wird ausdrücklich festgelegt, dass Mehrarbeit nur ausgeglichen wird, wenn ein Schwellenwert über-schritten wird. Dieser Schwellenwert ist definiert als die drei Stunden im Monat, die die Mehrarbeits-vergütungsverordnung vorsieht. Die neue Form der Verwaltungsvorschrift Mehrarbeit legt damit ein-deutig fest, dass es für geleistete Mehrarbeit erst dann einen Ausgleich gibt, wenn drei Stunden im Monat überschritten werden.

Zu 2.2

Forderung Änderung: „Der Schwellenwert, bis zu dem Mehrarbeit nicht vergütet wird,...“

Die Regelung der Ziffer 2.2., dass bei Teilzeitbeschäftigten ein Achtel des reduzierten Regelstundenma­ßes nicht ausgeglichen wird, halte wir für europarechtswidrig. Unseres Erachtens muss bei teilzeitbe­schäftigten Beamt*innen ein Stundenausgleich ab der ersten Stunde notwendig erfolgen. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, die von einer Diskriminierung von teilzeit­beschäftigten Beamt*innen ausgeht, wenn über den Teilzeitbruch hinaus geleistete Mehrarbeit lediglich mit der Mehrarbeitsvergütung bezahlt wird und nicht mit der anteiligen Vergütung.

Wenn allerdings eine Diskriminierung vorliegt, wenn eine verbeamtete teilzeitbeschäftigte Lehrkraft für Zeiten, die sie über ihr persönliches Deputat hinaus arbeitet, weniger Geld erhält, so ist sie erst recht diskriminiert, wenn sie für Zeiten, die sie über ihr Deputat hinaus arbeitet, keinen Ausgleich erhält.

Zu 2.4

Änderung Satz 3: „Kann“ durch „muss“ zu ersetzten: „Soweit... nicht möglich ist, muss... Vergütung gezahlt werden.“

Streichung Satz 4.

Zu 2.6

Ergänzung: Anwesenheitspflicht in der Dienststelle  auch ohne, dass konkrete außerunterrichtliche Tätigkeiten zugeordnet werden, schließt Verrechnung mit geleisteter Mehrarbeit aus.

Zu 5

Zu 5.2

Ergänzung in Satz 1: „... nach Ziffer 1.3.3 und 1.3.4...“

 

Zusammenfassend: Der vorliegende Entwurf der VV Mehrarbeit kann die Zustimmung der GEW Rheinland-Pfalz unter keinen Umständen erhalten. Vielmehr bedarf der Entwurf einer grundlegenden Überarbeitung.

 

Mainz, 23.01.2017

Kontakt
Peter Blase-Geiger
Geschäftsführer GEW Rheinland-Pfalz
Adresse Martinsstr. 17
55116 Mainz
Telefon:  06131 28988-15