Entwurf zur Verwaltungsvorschrift Bau von Schulen und Förderung des Schulbaus (Schulbaurichtlinien)
Stellungnahme zum Entwurf zur Verwaltungsvorschrift Bau von Schulen und Förderung des Schulbaus (Schulbaurichtlinien)
Schreiben des MBWWK vom 29.06.2023, Az.: 0104-0001#2023/0001-0901 95
Die GEW Rheinland-Pfalz bedankt sich für die Vorlage des Entwurfs zur Neufassung der Verwaltungsvorschrift „Bau von Schulen und Förderung des Schulbaus“ (Schulbaurichtlinien) und nimmt zum Entwurf wie folgt Stellung:
Allgemein:
Wir begrüßen, dass im Vorfeld der Planung zu einem Schulneubau oder Schulumbau alle relevanten Gruppen einbezogen werden müssen, insbesondere auch den Hinweis, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Schulgemeinschaft zu beteiligen sind (sog. „Phase 0“). Die pädagogische und die baufachliche Ebene arbeiten somit von Anfang an zusammen. Um Klarheit für alle Beteiligten zu schaffen, regen wir an, konkret auf die Mitbestimmungsrechte des Örtlichen Personalrats laut LPersVG §80 Abs. 2 Nr. 1-4 so-wie auf die notwendige Beteiligung der Gesamtkonferenz zu verweisen.
Die Möglichkeit, im Planungsprozess Unterstützung durch ein Beratungsangebot des Pädagogischen Landesinstitutes zu erhalten, stellt ein gutes Instrument dar, sofern die Ressourcen der Beratergruppe des Pädagogischen Landesinstituts entsprechend qualifiziert ausgebaut werden.
Die neue Ausrichtung der Verwaltungsvorschrift auf Flächen statt auf Räume ermöglicht bei Neubauten mehr Flexibilität, um eigene pädagogische Konzepte auch in der Flächen- und Raumplanung zu berücksichtigen. Auch das begrüßt die GEW Rheinland-Pfalz.
Insgesamt hätten wir uns eine deutlichere Ausweitung der förderfähigen Flächen für alle Schularten gewünscht, um auf zusätzliche und zukünftige Herausforderungen an-gemessener reagieren zu können, die sich seit der letzten Novellierung ergeben haben. Schulgemeinschaften, die sich für die Umsetzung eines Konzeptes mit offenen Lernlandschaften entscheiden, benötigen zudem insgesamt mehr Fläche, um pädagogisch sinnvoll arbeiten zu können.
Bei der grundsätzlichen Berechnung der Größe der allgemeinen Unterrichtsräume bzw. zur Verfügung stehenden Fläche muss die mögliche Anwesenheit von Teilhabeassistenzen oder
Förderschullehrkräften berücksichtigt werden. Es müssen Arbeitsbereiche im Raum mitgedacht werden für Arbeitsstrukturen, bei denen mehrere Erwachsene im Raum zur selben Zeit wirksam sein sollen.
Auch für die Lehrkräfte und Schulleitungen müssen die Flächen deutlich erhöht wer-den, wenn Teamarbeit, vor- und nachbereitendes Arbeiten (jede Lehrkraft benötigt einen Arbeitsplatz in der Schule!), Gespräche mit den Schülerinnen und Schülern sowie mit Eltern und weiteren Beteiligten, etc. gelingen soll.
Unklar bleibt aus unserer Sicht, ob Verkehrsflächen generell hinzugerechnet werden dürfen. Insbesondere an inklusiven Schulen und Förderschulen mit den Förderschwerpunkten motorische Entwicklung und/oder ganzheitliche Entwicklung benötigen Schülerinnen und Schüler oftmals zusätzliche Hilfsmittel, die eine Hilfsmittelstellfläche im Bereich der Verkehrsflächen erforderlich machen (Rollstuhl, Stehständer, Rollatoren, Therapieräder, Lagerungsmaterial, …). Nach Rücksprache mit Fachleuten aus diesen Schularten erscheinen zusätzliche 2qm pro Schülerin oder Schüler eine realistische Mindestbemessung. An Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt motorische Entwicklung und/oder ganzheitliche Entwicklung kann diese Zusatzfläche durch die Gesamtschülerzahl gut ermittelt werden. Prognostisch schwierig zu ermitteln ist allerdings die zusätzlich erforderliche Hilfsmittelstellfläche für inklusive Schulen.
Laut Entwurf ist es lediglich für Schwerpunktschulen möglich, zusätzliche Flächen für ihre Aufgaben in der Inklusion zu beantragen. Zukünftig plant das Ministerium für Bildung jedoch, dass alle Schulen inklusive Schulen werden sollen. Daher fordern wir, dass grundsätzlich für alle Schulen mit einem inklusiven Konzept zusätzliche Flächen bis zu 30% förderfähig sein müssen. Das könnte auch ein Anreiz für die schulische Weiterentwicklung einzelner Schulen hin zu mehr Inklusion sein.
Es muss an geeigneter Stelle zudem auf die Erfordernisse der Barrierefreiheit (für alle an Schule Lernenden und Beschäftigten) hingewiesen werden und ebenso auf die wachsenden Herausforderungen an die bauliche Qualität der Schulgebäude aufgrund des Klimawandels (Dämmung, Lüftungs-/Klimaanlagen, Schattenplätze und Entsiege-lung der Pausenhöfe, …). Auch der Arbeits- und Gesundheitsschutz muss bei der Planung ausdrücklich berücksichtigt werden.
Entwurf des Flächenprogramms – Spezifika einzelner Schularten
für Realschule Plus
Die GEW kritisiert, dass einer Realschule in der maximal möglichen Zuweisung weniger Platz zugestanden werden soll als einem Gymnasium oder einer Integrierten Gesamt-schule. Die RS+ haben sich in den letzten Jahren strukturell sehr verändert (Entstehung der Fachoberschulen, die zusätzliche Funktionsstelle des didaktischen Koordinators, verstetigte Berufs- und Schullaufbahnberatung, Profilbildungen, schuleigene Wahlpflichtfächer, zunehmende Differenzierungsmaßnahmen und individuelle Förderung, Verstetigung von DAZ-Kursen, „Keiner ohne Abschluss“, …). Diese Entwicklung muss sich in den zugewiesenen Flächen widerspiegeln.
für Förderschulen
An den Förderschulen beobachten wir seit einigen Jahren steigende Schülerinnen- und Schülerzahlen. Temporäre Bedarfe, die für Schulgebäude fehlerhaft prognostiziert wurden und baulich entsprechend in einfacher Ausführung seitens der Schulträger realisiert wurden, führen nun teilweise zur Verstetigung von vergrößerten Schulstandorten in einer unangemessenen baulichen Umsetzung.
Generell ist bei den Förderschulen damit zu rechnen, dass offene Lernraumstrukturen baulich seltener realisiert werden. Die Schulen melden zurück, dass sie aufgrund der Besonderheiten der Schülerklientel eher auf geschlossene Raumkonzepte mit Rückzugsmöglichkeiten und Differenzierungsflächen zurückgreifen werden, die in der Nähe eines zentralen Lernraums/Klassenraums gut mitbeaufsichtigt werden können. Für den zentralen Lernraum/Klassenraum sollten schulartübergreifend 60qm in der baulichen Umsetzung garantiert werden.
Die Schülerinnen und Schüler an den Förderschulen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung (FöS FSP G) haben 12 Schulbesuchsjahre. Es ist also nicht ausreichend, wenn nur 9 Klassen für eine einzügige Schule vorgesehen sind. Die dem Flächenprogramm zugrunde liegenden 40qm als Raumgrundbemessung sind schon lange nicht mehr zeitgemäß. Jeder Klassenraum braucht einen Nebenraum für Differenzierungszwecke und/oder als Rückzugsraum für die deutlich veränderte Schülerschaft, die zu-nehmend stärkere und komplexere Beeinträchtigungen aufweist. Wahrscheinlich sind bis zu 30% mehr Fläche notwendig, um dieser veränderten Schülerschaft gerecht zu werden. Zudem haben viele FöS FSP G zusätzlich auch den Förderschwerpunkt motorische Entwicklung (FSP M). In Anlehnung an die Bedarfe dieser Schülerschaft aufgrund der zusätzlich notwendigen Hilfsmittel müssen hier bauliche Anpassungen für Hilfsmittelflächen und pflegerische Räume vorgehalten werden.
Auch in den Förderschulen mit dem Förderbedarf Lernen (FöS FSP L) findet sich eine stark veränderte Schülerschaft, häufig auch mit Belastungen im sozial-emotionalen Bereich und mit Symptomatiken aus dem ASS-Spektrum. Auch hier müssen deshalb Neben- und Ausweichräume konzeptionell mitgedacht werden. Eine Erweiterung der Flächenbemessung um 30% erscheint hier ebenfalls notwendig. Entscheidet sich eine Schule für ein Gebäude mit Klassen- und Nebenräumen, so muss das Flächenprogramm eine Lernraumgröße von mindestens 60qm ermöglichen. Bewegtes Lernen muss für das Lernen an Förderschulen verstärkt möglich sein. Und Bewegung erfordert Fläche, die die aktuellen Schulareale häufig nur im Außenbereich haben.
Die Förderschulen mit dem Förderbedarf motorische Entwicklung (FöS FSP M) tauchen als eigene Schulart im Flächenprogramm gar nicht auf. 60qm pro Klassenraum erscheinen, nach Rücksprache mit Kolleginnen aus der dortigen Praxis, ein absolutes Mindestflächenmaß zu sein, um Rangierflächen und Einrichtungsoptionen der sehr individuellen Arbeitsplätze umsetzen zu können. Gerade diese Schulen benötigen eine ausreichende Verkehrsfläche, die zusätzlich zu den Fluchtwegen mitgerechnet werden muss. Hilfsmittelstellflächen im Bereich der Verkehrsflächen sind zusätzlich erforderlich (Rollstuhl, Stehständer, Rollatoren, Therapieräder, Lagerungsmaterial, …). Zusätzliche 2qm pro Schülerin erscheint eine realistische Mindestbemessung. Barrierefreie Sanitärräume mit Platz für eine Pflegeliege müssen mitgedacht werden.
für Grundschule
Kernkritikpunkt der GEW Rheinland-Pfalz sind die Quadratmeterzahlen, vor allem die unteren Richtwerte, die zum Teil sogar unter den der alten Schulbaurichtlinien zu liegen scheinen, gerade beim Bau sehr kleiner Schulen in Ein- oder Zweizügigkeit. Hier ist eine Erhöhung der Grundflächenbemessung ausdrücklich notwendig.
Ein weiterer großer Kritikpunkt zeigt sich bei vergleichendem Blick zu den weiterführenden Schulen. An diesen können zum Beispiel Fachräume eingerichtet werden, weil es dafür gesonderte Fächer mit zugehörigen Lehrplänen gibt und somit eine rechtliche Grundlage zur Umsetzung besteht. Für Betreuung und Ganztagsschule existiert kein Lehrplan, somit ist dafür auch eine extra Raumzuweisung nicht möglich. Es ist aber aufgrund der pädagogischen Anforderungen nicht akzeptabel, dass man weiterhin von einer reinen Doppelnutzung sämtlicher Klassenräume ausgeht. Auch die Planung von Fachräumen für die naturwissenschaftlichen Felder, für künstlerische Arbeiten in Musik und in Bildender Kunst muss ermöglicht werden. Grundschulen sind i.d.R. Ganztagssysteme oder müssen dies verpflichtend mit der Inkraftsetzung des GaFöG zum 01.08.2026 werden. Dem muss baulich Rechnung getragen werden. Schule wird zu-nehmend zum Lebensraum für die Altersgruppe der 6-10-jährigen, die am Lern- und Lebensort Schule einen Großteil ihres Tages verbringen. Neben Klassen- und Fachräumen müssen deshalb Bewegungs- und Ruheflächen in den Schulgebäuden systematisch mitgedacht werden.
für Gymnasium / Integrierte Gesamtschule
Hier sollte insbesondere darauf geachtet werden, dass aufgrund des vielfältigen Nachmittagsunterrichtes im Rahmen der GTS und MSS und der damit verbundenen hohen Anzahl von sog. „Hohlstunden“ in den Stundenplänen auch genügend Arbeitsbereiche und Rückzugsorte und Teambesprechungsräume für Lehrkräfte geschaffen werden. Hierzu müssen zusätzliche Raumkapazitäten eingeplant werden, die ein ruhiges Arbeiten ermöglichen.
Dies gilt ebenfalls für die Schülerinnen und Schüler der MSS, die geeignete Bereiche für eigenständiges Arbeiten benötigen. Zudem erfordert das breitgefächerte Unterrichtsangebot in der MSS einen erhöhten Flächenbedarf, der im vorgelegten Entwurf zu wenig Berücksichtigung findet.
Zusammenfassung:
Eine grundlegende Überarbeitung des vorgelegten Entwurfs zum Flächenprogramm erscheint notwendig. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Schulen der Sekundarstufe I unterschiedliche Flächenbemessungen haben sollen. Orientiert werden sollte sich an den Bemessungen für die Integrierten Gesamtschulen, was die Flächenoptionen für die Jahrgänge 5-10 betrifft.
Alle Berechnungsgrößen müssen allerdings garantieren, dass Lernräume für die gesamte Lerngruppe (im Sinne von Klassenräumen) schulartübergreifend immer mindestens mit 60qm baulich realisiert werden können, wenn eine Schule sich aus pädagogischen Gründen für eine bauliche Lösung entscheidet, bei der (überwiegend) Klassenräume realisiert werden. Insgesamt finden kombinierte Förderbedarfe, die die Realität vieler Förderschulen sind, in der angedachten Struktur keinerlei Berücksichtigung. Ein Flächenprogramm für FöS FSP M muss neu entwickelt und vorgelegt werden.
Das GaFöG (Ganztagsförderungsgesetz) mit seinen Auswirkungen zum 01.08.2026 für die Grundschulen ist noch nicht mitgedacht.
Schwerpunktschulen sollten generell einen Bonus auf die Fläche von 30% erhalten, um der heterogenen Schülerschaft mit den besonderen Bedingungen des Lernens besser gerecht werden zu können. Zudem könnte dies für eine Schulgemeinschaft und für einen Schulträger eine zusätzliche Motivation sein, einen inklusiven Schulstandort zu entwickeln.
Mainz, den 09.08.2023