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Mehrarbeit im Schuldienst

Mehrarbeit im Schuldienst

Vorbemerkung:

Der juristisch sehr eng gefasste Begriff der Mehrarbeit beschreibt ein Instrument, das es der Dienststellenleitung erlaubt, die Arbeitszeit der Beamt:innen kurzfristig zu erhöhen, um auch in Krisen, Ausnahme- und Notsituationen handlungsfähig zu bleiben. 

Leider ist es in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu einer Verallgemeinerung des Begriffs Mehrarbeit für alle Vertretungssituationen im Schulalltag gekommen, der für viel Verwirrung sorgt. So entstand bei vielen Lehrkräften, aber auch Schulleitungen der falsche Eindruck, dass es sich bei jeder Vertretungsstunde, die zusätzlich zum Unterricht laut Dienstplan zu halten ist, um Mehrarbeit handeln würde. Dem ist entschieden zu widersprechen. Im Gegenteil handelt es sich bei den allermeisten Vertretungsstunden ausdrücklich nicht um Mehrarbeit im rechtlichen Sinne, sondern um reguläre Stattstunden oder um Überstunden (Mehrleistung), die wieder auszugleichen sind. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Mehrarbeit im Sinne des Landesbeamtengesetz § 73 Abs 2 sind im Schulalltag so gut wie nie erfüllt. 

Gesetzliche Grundlage

Die regelmäßige Arbeitszeit der rheinland-pfälzischen Beamt:innen wird nach § 73 Landesbeamtengesetz in der Arbeitszeitverordnung geregelt. Dort ist in § 2 als Umfang der Arbeitszeit festgelegt, dass die regelmäßige Arbeitszeit durchschnittlich 40 Stunden in der Woche beträgt. Für den Lehrkräftebereich gilt die Lehrkräfte-Arbeitszeitverordnung; der vorstehend bezifferte Arbeitszeitumfang gilt auch für Lehrkräfte.

Nach § 44 Abs. 2 TV-L gelten für die beschäftigten Lehrkräfte bezüglich der Arbeitszeit die Bestimmungen für die beamteten Lehrkräfte.

Nach § 73 Abs. 2 Landesbeamtengesetz ist die Beamt:in verpflichtet, ohne Vergütung über die durchschnittliche Wochenarbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern. Die Mehrarbeit muss angeordnet oder genehmigt werden und auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.

Überschreitet die Mehrarbeit im Monat fünf Zeitstunden oder bei Teilzeitbeschäftigung ein Achtel der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit, ist innerhalb eines Jahres für die gesamte in demselben Monat geleistete Mehrarbeit Dienstbefreiung zu gewähren; soweit dies aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist, kann stattdessen nach Maßgabe der besoldungsrechtlichen Vorschriften eine Vergütung gezahlt werden.

Verwaltungsvorschrift (VV) "Mehrarbeit im Schuldienst"
Die Verwaltungsvorschrift "Mehrarbeit im Schuldienst" wiederholt in 1.1.2, dass Mehrarbeit nur angeordnet oder genehmigt wird, wenn zwingende dienstliche Belange dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle erstreckt.

Bei einer solchen Anordnung hat der Unterricht in den Pflicht- und Wahlpflichtfächern grundsätzlich Vorrang.

Für Lehramtsanwärter:innen/Referendar:innen sowie für nebenamtlich oder nebenberuflich beschäftigte Lehrkräfte gilt die VV nicht. Soweit eine Lehrkraft nebenamtlichen oder nebenberuflichen Unterricht erteilt, ist dies keine Mehrarbeit.

Was versteht die VV unter Mehrarbeit?

Wenn eine Lehrkraft über ihre persönliche Unterrichtsverpflichtung hinaus Unterricht erteilt, muss zwischen Überstunden (Mehrleistung) und Mehrarbeit unterschieden werden.

Nur wenn die Voraussetzungen für Mehrarbeit tatsächlich vorliegen (Ausnahmesituation, zwingende dienstliche Belange, schriftliche Mehrarbeitsanordnung) kann diese zur Abdeckung eines Vertretungsbedarfs herangezogen werden. Da diese Voraussetzungen im Schulalltag i.d.R. nicht erfüllt sind, handelt es sich bei den allermeisten Vertretungsstunden die zusätzlich geleistet werden müssen, um Überstunden (Mehrleistung), die wieder ausgeglichen werden müssen. [1]

Soweit eine Lehrkraft Anrechnungs-, Ermäßigungs- oder Freistellungsstunden hat, ist von dieser verringerten Unterrichtsverpflichtung auszugehen.

Die mit der Lehrtätigkeit zusammenhängenden Tätigkeiten wie z.B. Aufsicht vor oder nach dem Unterricht und in den Pausen, die Teilnahme an Konferenzen und Besprechungen, Leitung von Schul- oder Klassenfahrten, etc., bewertet die VV nicht als Mehrarbeit.

Schwellenwert

In § 73 Abs. 2 Satz 3 Landesbeamtengesetz ist festgelegt: "Überschreitet die Mehrarbeit im Monat fünf Stunden oder bei Teilzeitbeschäftigung ein Achtel der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit ...". Für den Schulbereich entsprechen die fünf Zeitstunden bei Vollzeitbeschäftigung drei Unterrichtsstunden. Bei Teilzeitbeschäftigung wird der Schwellenwert prozentual zum Beschäftigungsumfang errechnetDabei werden zur Ermittlung, ob der Schwellenwert überschritten wurde, Nachkommastellen weder auf- noch abgerundet.

Beispiele: Bei einer Teilzeitbeschäftigung von 18 Unterrichtsstunden bei dem Regelstundenmaß von 24, liegt der Schwellenwert bei 2,25 Unterrichtsstunden im Monat. Beträgt die Teilzeit 12 Unterrichtsstunden von 24, liegt der Schwellenwert bei 1,5 Unterrichtsstunden im Monat.
Die Formel zur Berechnung des Schwellenwerts der verschiedenen Regelstundenmaße lautet: Teilzeitbeschäftigungsumfang: Regelstundenmaß x 3 Unterrichtsstunden.

Beispiele:

TeilzeitRegelstundenmaßSchwellenwert
20 LWS24 LWS2,5 LWS im Monat 
20 LWS27 LWS2,22 LWS im Monat
20 LWS25 LWS2,4 LWS im Monat

 

Die Anordnung von Mehrarbeit, bis zum Schwellenwert (ohne Vergütung) über die durchschnittliche Wochenarbeitszeit hinaus Dienst zu tun, ist nur zulässig, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern, und muss auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Das OVG Rheinland-Pfalz hat darüber hinaus ausgeführt, dass eine Dringlichkeit gegeben sein müsse, die auf unvorhersehbaren Umständen beruht. Es muss eine Situation vorliegen, auf die nur mit der Anordnung von Mehrarbeit reagiert werden kann (AZ: 2 A 10071/07).

Was ist bei der Anordnung von Mehrarbeit zu beachten?

In der individuell auf den Einzelfall bezogenen schriftlichen Mehrarbeitsanordnung muss ersichtlich sein, welche zwingenden dienstlichen Belange die Anordnung von Mehrarbeit erforderlich gemacht haben. Die schriftliche Anordnung von Mehrarbeit ist der Lehrkraft auszuhändigen. 

In der Schule ist zu dokumentieren, für welche Lehrkraft, welches Unterrichtsfach, welche Lerngruppe und welche Stunde Mehrarbeit angeordnet oder genehmigt wird. Die Lehrkraft hat das Recht, Einsicht in die Dokumentation zu erhalten. Der ÖPR nimmt im Rahmen seines Wächteramtes Einblick in die Dokumentation. 

Eine schwangere oder stillende Lehrerin darf nicht zur Mehrarbeit herangezogen werden.

Bei Lehrkräften mit einer Schwerbehindertenermäßigung, Altersermäßigung, vorübergehend verminderter Dienstfähigkeit oder begrenzter Dienstfähigkeit ist nur mit vorheriger ausdrücklicher Zustimmung der Lehrkraft die Anordnung von Mehrarbeit möglich.

Bei Lehrkräften ist ab Beginn des Schuljahres, in dem sie das 55. Lebensjahr vollenden, eine Mehrarbeitsanordnung nur mit deren vorherigem ausdrücklichem Einverständnis möglich.

Anordnung von Mehrarbeit für einen Zeitraum von bis zu einem Schulhalbjahr in einem im Voraus nach Wochenstunden festgelegten Umfang darf nur mit dem Einverständnis der Lehrkraft und bis zu vier Wochenstunden erfolgen.

Vergütung von Mehrarbeit – Dienstbefreiung

Überschreitet angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit im Kalendermonat den Schwellenwert, ist sie vergütungsfähig, wenn aus zwingenden dienstlichen Gründen innerhalb eines Jahres kein Ausgleich durch Dienstbefreiung möglich ist. 

Höhe der Vergütung der Mehrarbeit

Die Höhe der Vergütung richtet sich nach der Landesmehrarbeitsvergütungsverordnung (LMVergVO).

Bei beamteten teilzeitbeschäftigten Lehrkräften erfolgt die Vergütung bis zum Erreichen des Regelstundenmaßes entsprechend des auf die Stunde entfallenden Anteils der Besoldung.

Die Mehrarbeitsstunden, die über das Regelstundenmaß hinausgehen, werden nach den Stundensätzen des § 4 Abs. 3 LMVergVO vergütet.

Besonderheiten für die nach TV-L tarifbeschäftigte Lehrkraft

Für befristet Beschäftigte darf Mehrarbeit nicht angeordnet oder genehmigt werden.

Für unbefristet Teilzeitbeschäftigte darf keine Mehrarbeit für einen Zeitraum eines Schulhalbjahres mit im Voraus nach Wochenstunden festgelegtem Umfang angeordnet oder genehmigt werden.

Mehrarbeit für Teilzeitbeschäftigte ist ab der ersten Stunde durch Dienstbefreiung auszugleichen; wenn aus zwingenden dienstlichen Gründen innerhalb eines Jahres kein Ausgleich durch Dienstbefreiung möglich ist, erfolgt die Vergütung.
Bei Vergütung erhält die teilzeitbeschäftigte Lehrkraft bis zum Erreichen des Regelstundenmaßes ein anteiliges Entgelt gemäß § 24 Abs. 2 - 4 TV-L.

Die das Regelstundenmaß übersteigenden Mehrarbeitsstunden werden nach dem betreffenden Mehrarbeitsvergütungssatz in § 4 Abs. 3 LMVergVO bezahlt.

Meldung, Dokumentation, Antrag

Ist Mehrarbeit seitens der Schulleitung für einen Zeitraum bis zu einem Schulhalbjahr mit im Voraus nach Wochenstunden festgelegtem Umfang beabsichtigt, ist das Einvernehmen der ADD einzuholen.

Für jede Lehrkraft ist für jeden Kalendermonat zu dokumentieren, ob zusätzliche Unterrichtsstunden (Mehrleistung) oder Mehrarbeitsstunden geleistet wurden. Es ist weiter anzugeben, welche dieser Stunden durch Dienstbefreiung ausgeglichen wurden.
Mehrarbeit innerhalb einer Kalenderwoche, bei der ein Teil in den folgenden Kalendermonat fällt, ist dem folgenden Kalendermonat zuzurechnen.

Die Lehrkraft hat das Recht, eine Kopie der für sie angelegten Dokumentation zu erhalten.

Die Lehrkraft beantragt über die Schulleitung bei der ADD mittels Vordruck Mehrarbeitsvergütung im Schulbereich für die vergütungsfähigen Mehrarbeitsstunden die Festsetzung und Zahlung.

Soweit die Mehrarbeit im Rahmen von PES geleistet wurde, erfolgt die Vergütung aus dem PES-Budget.

Fehlern vorbeugen, Fehler vermeiden

Wird eine Lehrkraft, deren Lerngruppe nicht da ist, beauftragt, die Unterrichtsstunde in einer anderen Lerngruppe zu übernehmen, handelt es sich nicht um Mehrarbeit im Sinne der VV.

Wird eine Lehrkraft beauftragt, über ihre Unterrichtsverpflichtung hinaus die Unterrichtsstunde in einer Lerngruppe mit dem Hinweis "Aufsicht" zu übernehmen, handelt es sich entweder um eine zusätzliche Unterrichtsstunde (Mehrleistung) oder um Mehrarbeit im Sinne der VV. Der Hinweis "Aufsicht" kann nicht verhindern, dass Mehrleistung oder Mehrarbeit geleistet wurde. Die Lehrkraft gestaltet diese Unterrichtsstunde frei und in eigener pädagogischer Verantwortung (§ 25 Schulgesetz).

Bekommt eine Lehrkraft zu ihrer Lerngruppe zusätzlich Schüler*innen einer anderen Lerngruppe zugewiesen, weil deren Lehrkraft fehlt, handelt es sich nicht um Mehrarbeit im Sinne der VV. 

Wird eine Lehrkraft beauftragt, zusätzlich zum Unterricht in ihrer Lerngruppe eine Lerngruppe im benachbarten Unterrichtsraum zu beaufsichtigen, wäre dies keine Mehrarbeit im Sinne der VV. 

Legt die Schulleitung im Voraus für Lehrkräfte zusätzlich zu deren Unterrichtsverpflichtung im Dienstplan wegen des i.d.R. täglich anfallenden Vertretungsbedarfs fest, wann sie für einen möglichen Einsatz als Vertretungslehrkraft in der Schule zu sein haben, ist dies Bereitschaftsdienst, den die Schulleitung aus eigenem Recht nicht anordnen kann. 

Konnte eine Lehrkraft wegen der Abwesenheit ihrer Lerngruppe ihren Unterricht nicht erteilen, so kann sie mit anderen dienstlichen Tätigkeiten beauftragt oder auch zum Vertretungsunterricht herangezogen werden. 

Wenn die Schulleitung nach dem Grundsatz handelt , jede Lehrkraft bis zum Erreichen deren Schwellenwerts in jedem Kalendermonat zur Mehrarbeit heranzuziehen, so ist diese Handhabung ist ein klarer Verstoß gegen die gesetzliche Vorgabe: Nach § 73 Abs. 2 in Verbindung mit § 74 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz (LBG) kann eine beamtete Lehrkraft zur unentgeltlichen Mehrarbeit nur verpflichtet werden, wenn (1.) zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und (2.) muss die Anordnung auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.

Der Personalrat ist in der Mitbestimmung gemäß Landespersonalvertretungsgesetz (LPersVG) § 80 Abs. 2 Nr. 5 und 6 sowie Abs. 3.

 

 


[1]     Siehe hierzu auch die Organisatorischen Handreichungen für Schulen, Punkt 15

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