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GEW für einen Kurswechsel in der Bildungspolitik und der Bildungsfinanzierung

Die GEW macht sich für einen Kurswechsel in der Bildungspolitik und der Finanzierung des Bildungswesens stark.

Für einen Kurswechsel in der Bildungspolitik und der Finanzierung des Bildungswesens hat sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stark gemacht. Sie schlug ein Investitionsprogramm in Bund und Ländern vor, um den Bildungsbereich zukunftsfähig zu machen.

GEW-Vorsitzende Marlis Tepe und Doro Moritz, Vorsitzende der GEW Baden-Württemberg, gaben heute während einer Pressekonferenz in Berlin den Startschuss für die bundesweite Initiative „Bildung. Weiter denken!“. „Bildung ist ein Menschenrecht. Sie unterstützt die Persönlichkeitsentwicklung, ist der Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe und eröffnet Zugänge zum Arbeitsmarkt.

Der Zustand des Bildungswesens steht der Bedeutung der Bildung, die immer wieder gerne in Sonntagsreden beschworen wird, jedoch diametral entgegen“, betonte Tepe. „Das gilt für Quantität und Qualität der Bildungsangebote und -einrichtungen ebenso wie für deren Finanzierung. Deshalb braucht Deutschland mehr und bessere Bildungsangebote für alle Menschen!“

Als zentrale Aufgaben benannte die GEW-Vorsitzende den Ausbau der Inklusion und der Ganztagsangebote, die Integration geflüchteter Menschen, die Verbesserung der Kitaqualität sowie ein Sanierungs- und Neubauprogramm für die Bildungseinrichtungen und Arbeitsbedingungen, die gute Bildungsangebote ermöglichen. „Alle diese Aufgaben stehen und fallen mit qualifiziertem Personal. Deshalb brauchen wir an erster Stelle eine Offensive, um Erzieherinnen, Sozialarbeiter, Lehrkräfte und Wissenschaftler zu gewinnen“, sagte Tepe. „Hier unsere Vorschläge, damit Bund, Länder und Kommunen diese Herausforderungen stemmen können.“ „Das Kooperationsverbot für den Bildungsbereich muss endlich fallen. Dann könnte der Bund Länder und Kommunen ohne Umwege bei der Finanzierung der Bildungsaufgaben unterstützen. Dass wir politisch noch nicht so weit sind, darf keine Ausrede dafür sein, die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu tun“, unterstrich Tepe.

„Unsere Forderungen, die wir mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 machen, lassen sich auch ohne Grundgesetzänderung umsetzen.“ Tepe stellte die Kernaussagen des 15-Punkte-Programms der Bildungsgewerkschaft zur Bundestagswahl vor: „Der Bund kann Länder und Kommunen bei der Sanierung, Modernisierung und dem Neubau von Schulen und Hochschulen entlasten. Wenn in Klassenräumen der Putz von den Wänden fällt oder die Schülerinnen, Schüler und Studierenden den Gang zur Toilette scheuen, leidet auch der Lernprozess. Für Ganztag und Inklusion brauchen die Bildungseinrichtungen darüber hinaus andere Lernräume als etwa im Schulalltag vergangener Jahrzehnte. Der Bund kann mit einem Sanierungs- und Modernisierungsprogramm unmittelbar dazu beitragen, die Lehr- und Lernqualität zu verbessern.“ Dieses Programm müsse auf zehn Jahre angelegt sein. Es erfordere einen jährlichen Investitionsbedarf von 3,2 Milliarden Euro für die Schulen und einer Milliarde Euro für die Hochschulen.

„Im Gegenzug müssen sich die Länder verpflichten, mehr Personal einzustellen und die Bezahlung der Pädagoginnen und Pädagogen strukturell zu verbessern“, unterstrich Tepe. „Darüber hinaus muss der Bund den Ausbau der Schulsozialarbeit dauerhaft fördern. Wir brauchen einen Schlüssel von einem Sozialarbeiter auf 150 Schülerinnen und Schüler“, sagte die GEW-Vorsitzende. Um die entsprechenden Stellen zu schaffen, seien jährlich rund 2,7 Milliarden Euro notwendig.

Zudem könne der Bund auch als Gesetzgeber einiges bewegen. „Wir brauchen dringend ein bundesweites Kita-Qualitätsgesetz, das hohe Standards sichert. Mit diesen, die die Fachkraft-Kind-Relation, die Freistellung der Leitungskräfte, die Fachberatung und die Anerkennung mittelbarer pädagogischer Arbeitszeit festschreiben, verbessert sich die Qualität in den Kitas strukturell deutlich.“ Das sei dringend notwendig. Nach dem erfolgreichen quantitativen Ausbau der Kitas werde immer deutlicher, dass es in den Einrichtungen erhebliche Qualitätsunterschiede und –mängel gibt. „Dabei belegen alle Studien: In der frühen Kindheit werden die Weichen für eine erfolgreiche Bildungsbiographie gestellt“, sagte Tepe. Es gebe bundesweit einen Bedarf von deutlich mehr als 100.000 vollzeitbeschäftigten Fachkräften an Kitas. Für diese Stellen müssten rund fünf Milliarden Euro bereitgestellt werden.

Die GEW-Vorsitzende setzte sich dafür ein, dass sich der Bund stärker als bisher an den Hochschulen engagiere: „Der Hochschulpakt muss ausgebaut werden. Mittelfristig muss der Pakt in eine deutlich bessere Grundfinanzierung der Hochschulen umgewandelt werden.“

„Ja: Gute Bildung ist teuer. Schlechte Bildung ist aber so teuer, dass unser Land sie sich nicht leisten kann“, sagte Moritz. „In fast allen Bundesländern haben wir – wie in Baden-Württemberg – Lehrermangel. Die meisten Länder hatten zu Beginn des Schuljahres Probleme, allein die Stellen zu besetzen, um die Unterrichtsversorgung sicher zu stellen. In Baden-Württemberg konnten zehn Prozent der unbefristeten Stellen, überwiegend für Beamtinnen und Beamte, nicht besetzt werden – vor allem in den Grundschulen.“

In Sachsen beispielsweise seien zum neuen Schuljahr 45 Prozent der Stellen mit Seiteneinsteigern besetzt worden, in der Mittelschule sogar 54 Prozent. In Rheinland-Pfalz seien 25 Prozent der neu eingestellten Lehrkräfte in der Grundschule keine ausgebildeten Grundschullehrkräfte. Die Gründe für den Lehrermangel: Wegen der starken Pensionsjahrgänge gebe es erheblichen Ersatzbedarf. Zudem erfordere etwa die sachgerechte Umsetzung der Inklusion in großem Umfang zusätzliche Lehrkräfte, aber auch Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte und Schulsozialarbeiter. „Wir müssen den Lehrerberuf wieder attraktiver machen: Dazu gehört: die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung, insbesondere der Grund- und Hauptschullehrkräfte, zu verbessern“, betonte Moritz.

„Auf den Anfang kommt es an! Deshalb muss der Beruf der Erzieherin aufgewertet werden“, sagte Moritz. „Baden-Württemberg hat zwar im Kita- und Krippenbereich bundesweit den besten Personalschlüssel. Allerdings sagt dieser nichts darüber aus, wie viel Arbeitszeit einer Fachkraft direkt beim Kind ankommt: Weder Leitungstätigkeit noch Vor- und Nachbereitungszeit, Urlaub, Krankheit, Mutterschutz, Elternzeit sind hier eingerechnet. Deshalb ist die Fachkraft-Kind-Relation entscheidend.“ 20 Prozent der Kitas, so Moritz, hätten keine Zeitkontingente für Leitungsarbeit. Deshalb verlange die GEW je Kita-Gruppe 25 Prozent Freistellung für Leitungstätigkeiten. „Allein dafür sind in den Kitas 2.000 zusätzlichen Stellen notwendig“, sagte die GEW-Landesvorsitzende.

„Unsere Vorschläge lassen sich alle finanzieren: Dafür muss der Staat seine Einnahmen erhöhen“, sagte Tepe. „Deshalb brauchen wir eine Reform der Einkommensteuer: Kleine und mittlere Einkommen müssen ent-, hohe Einkommen stärker belastet werden.“ Sie wies auf das Steuerkonzept hin, das die GEW vorgelegt hat. Zudem sprach sich Tepe dafür aus, die Vermögensteuer wieder einzuführen, große Erbschaften stärker zu besteuern und die Gewerbe- zu einer Gemeindewirtschaftsteuer weiter zu entwickeln: „Diese Maßnahmen bringen jährlich fast 74 Milliarden Euro zusätzlich in die öffentlichen Kassen.“