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Rechtsanspruch ab 2026

Ein guter Ganztag ist möglich

Ab 2026 haben die ersten Grundschulkinder einen Rechtsanspruch auf Ganztagsschule. Doch wie sollen die Angebote aussehen und wer leistet die pädagogische Arbeit? Mit diesen Fragen befasste sich ein GEW-Fachtag in Göttingen.

GEW-Vorsitzende Maike Finnern eröffnete die GEW-Fachtagung am 11.11.2022 in Göttingen (Foto: Jamil Jalla).

Offene Lern-Lofts, in denen Kinder mehrerer Jahrgänge gemeinsam lernen, spielen und toben: Die Staatliche Gemeinschaftsschule in Weimar denkt bereits beim Bau an inklusives und ganzheitliches Lernen. Bei der GEW-Tagung „Keinen Tag ohne – Qualität im Ganztag“ wurde das Konzept aus Thüringen vorgestellt. Denn solche Modelle könnten als Vorbild dienen, um Schule neu zu denken.

Die Bildungsgewerkschaft zählt dazu ein hochwertiges Angebot am Vor- und Nachmittag. Fachkräfte verschiedener Professionen sollen im Team auf Augenhöhe zusammenarbeiten und auch auf der Leitungsebene gemeinsam verantwortlich sein. Hochwertige Angebote für die Kinder und faire Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten: „Das ist das Ziel, und bei allen Schwierigkeiten möchte ich mich nicht damit zufriedengeben, dass diese Forderungen Utopie bleiben“, sagte die GEW-Bundesvorsitzende Maike Finnern.

„Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsproblem.“ (Doreen Siebernik)

„Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsproblem“, ergänzte Doreen Siebernik, im GEW-Vorstand zuständig für den Bereich Jugendhilfe und Sozialarbeit. Sie hatte gemeinsam mit Vorstandskollegin Anja Bensinger-Stolze, die dem Bereich Schule vorsteht, zu der Veranstaltung eingeladen. Denn Ganztag ist für die GEW ein Querschnittsthema, das in den kommenden Jahren noch stärker eine Rolle spielen wird, so Bensinger-Stolze: „Die GEW befasst sich seit über 20 Jahren mit dem Thema Ganztag, in allen Landesverbänden gibt es bereits Erfahrungen.“

Es fehlen Räume und Personal

Zu der Tagung hatte die GEW Fachleute aus Wissenschaft und Politik eingeladen, schließlich „wollen wir uns vernetzen und Verbündete um uns sammeln“, betonte Siebernik. „Wir müssen das Zeitfenster bis 2026 nutzen.“

Über den Forschungsstand berichtete der Bildungswissenschaftler Heinz Günter Holtappels, einer der Väter der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG). Er forderte von allen Beteiligten einen „hohen Zielanspruch“. Es brauche gute pädagogische Konzepte und Personal, das eng angebunden und fachlich gut ausgebildet ist. Eine Lanze für den Einsatz von „Laien“ brach Pia Rother von der Universität Kassel. Zwar müssten die außerschulischen Kräfte gut einbezogen werden. Doch die Stunden außerhalb des Unterrichts dürften sich nicht nur der „schulischen Logik“ unterwerfen: „Die Ausrichtung muss immer am Kind orientiert sein“, sagte sie unter Beifall.

Der Ganztags-Ausbau leidet vor allem unter dem Fachkräftemangel. Zudem fehlen Räume, besonders in den Städten. Ein weiteres Problem ist der große Chor beteiligter Stimmen: Bund und Länder schaffen den rechtlichen Rahmen, über Bezahlung und Arbeitsbedingungen des Personals verhandeln Länder oder Kommunen mit Personalräten und Gewerkschaften, über Standards müssen sich Länder und Schulträger einigen, und die Finanzierung wird zwar vom Bund angeschoben, muss aber aus Töpfen der Länder und Schulträger ergänzt werden.

Wir brauchen einen kooperativen Föderalismus. (Mark Rackles)

Bei so vielen Beteiligten kann es leicht passieren, dass gar nichts passiert –Mark Rackles erinnerte das an den Scheinriesen aus Michael Endes „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, der schrumpft, je näher der Betrachter kommt. Der SPD-Politiker Rackles, heute als Berater tätig, war Amtschef der Kultusministerkonferenz (KMK) und hat als Staatssekretär den Ganztagsausbau in Berlin vorangetrieben. Er sprach über „Wunsch und Wirklichkeit des deutschen Bildungswesens“ und hofft auf Veränderungen bei der Zusammenarbeit der Länder: „Wir brauchen einen kooperativen Föderalismus.“

Der Bildungsforscher Professor Thomas Rauschenbach, der ebenfalls an StEG beteiligt war, hielt dagegen: „Nur weil es keine festen Vorgaben, sondern Wildwuchs gab, ist überhaupt etwas gewachsen“, sagte er in einer Podiumsdiskussion, an der sich auch Marion Binder von Bundesfamilienministerium und Michael Töpler, ehemaliger Vorsitzender des Bundeselternrats, beteiligten.

Zum Abschluss der zweitägigen Veranstaltung betonten Anja Bensinger-Stolze und Doreen Siebernik, dass das Treffen in Göttingen nur der Auftakt zu weiteren Fachrunden und Debatten in allen Landesverbänden war: „Wir sind gefragt, uns einzubringen. Schließlich sind wir Expertinnen und Experten des Alltags“, so Siebernik.