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Sozial- und Erziehungsdienst

Tausende Beschäftige bundesweit im Ausstand

Im Tarifkonflikt des Sozial- und Erziehungsdienstes haben die Beschäftigten am Internationalen Weltfrauentag einen härteren Gang eingelegt: Unter anderem in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Sachsen gab es erste Warnstreiks.

Tausende Erzieherinnen und Erzieher an kommunalen Kitas sowie weitere Beschäftigte sozialer Berufe sind am Internationalen Frauentag  für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gegangen. Zu den Warnstreiks hatten die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die GEW aufgerufen, um den Druck in der laufenden Tarifrunde für den Sozial- und Erziehungsdienst (SuE) zu erhöhen. 

„Wir können nicht akzeptieren, dass soziale Berufe schlecht entlohnt werden.“ (Monika Stein)

In Baden-Württemberg beteiligten sich rund 5.000 Beschäftigte an den Warnstreiks. Gestreikt wurde unter anderem in Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Reutlingen, Singen, Stuttgart und Tübingen. „Wir können nicht akzeptieren, dass soziale Berufe schlecht entlohnt werden. Es sind zu 90 Prozent Frauen in den Einrichtungen, die dafür sorgen, dass das politische Versprechen einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf überhaupt in Ansätzen möglich ist. Unser Kampf für die Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes ist ein sozialer Kampf gegen Benachteiligung“, sagte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein bei der Kundgebung in Freiburg vor rund 600 Teilnehmenden.

Auch die Kinder aus der Ukraine, die nun in den Kitas hierzulande einen sicheren Ort finden sollten, bräuchten dringend die Unterstützung durch Profis. Diese fehlten, weil die Verantwortlichen beim Bund, im Land und bei den Trägern nicht bereit seien, die Beschäftigungsbedingungen zu verbessern.

In Baden-Württemberg arbeiten in der frühkindlichen Bildung rund 45.000 Beschäftigte bei den Kommunen. Bei den kirchlichen und freien Trägern sind es noch einmal knapp 60.000, in sozialen Diensten und Einrichtungen weitere 32.000. Bis 2025 würden zusätzlich 40.000 Erzieherinnen und Erzieher gebraucht, schätzt der Kommunalverband Jugend und Soziales Baden-Württemberg.

Demonstrationszug durch Kiel

In Schleswig-Holstein legten mehrere hundert Beschäftigte im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst die Arbeit nieder. Von den Warnstreiks betroffen war vor allem die Landeshauptstadt Kiel, aber auch in Lübeck, Norderstedt und Neumünster gab es Protestaktionen.

Bevor sich der Demonstrationszug durch die Kieler Innenstadt in Bewegung setzte, verwies auch die GEW-Landesvorsitzende Astrid Henke darauf, dass im Sozial- und Erziehungsdienst überwiegend Frauen arbeiteten. „Mangelnde Wertschätzung sowie unzureichende Bezahlung sind wahrhaftig kein Zufall, sondern immer noch ein Beispiel für Geschlechterdiskriminierung“, betonte sie. Die Tarifrunde müsse daher auch mehr Gleichstellung von Frauen und Männern im Beruf bringen. 

„Die Haltung der Arbeitgeber lässt uns aber keine andere Wahl.“ (Astrid Henke)

Mit Blick auf die gescheiterte erste Verhandlungsrunde mit den kommunalen Arbeitgebern sagte Henke: „Statt ein Angebot vorzulegen, schalten sie auf stur. Wegen der Belastungen von Kindern und Eltern durch die Corona-Pandemie hätten wir gerne auf die heutigen Warnstreiks verzichtet. Die Haltung der Arbeitgeber lässt uns aber keine andere Wahl.“

Warnstreiks in Sachsen und Sachsen-Anhalt

In Sachsen beteiligten sich Beschäftigte aus kommunalen Kitas in Chemnitz, Dresden und Leipzig an den Warnstreiks. „Die Gesellschaft ist auf gute Angebote in Kitas angewiesen. Auch deshalb muss sie sich von dem Grundsatz‚ kleine Kinder – kleines Geld‘ endlich verabschieden und Erzieherinnen und Erzieher besser bezahlen”, forderte die GEW-Landesvorsitzende Uschi Kruse. „Erzieherinnen und Erzieher setzen mit dem heutigen Streik ein deutliches Zeichen für die Aufwertung ihres Berufs.“ Die Streikbereitschaft am ersten Streiktag in dieser Tarifrunde zeige, wie ernst es den pädagogischen Fachkräften mit ihren Forderungen sei. Auch in Halle in Sachsen-Anhalt gingen Erzieherinnen und Erzieher auf die Straße. Landesvorsitzende Eva Gerth erklärte dazu: „Wir wollen gerade am Internationalen Frauentag darauf aufmerksam machen, dass für die Beschäftigten in den Kitas und in den anderen sozialen Berufen, die zum großen Teil Frauen sind, endlich deutliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen vereinbart werden müssen. Das sind Kolleg*innen, die mit großem Engagement in Bildungseinrichtungen arbeiten und großen Respekt verdient haben.“

Hintergrund

Die Gewerkschaften verhandeln seit 25. Februar 2022 mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) über die Weiterentwicklung der Sonderregelungen und der Tätigkeitsmerkmale für den Sozial- und Erziehungsdienst im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Beim ersten Treffen legten die Arbeitgeber kein Angebot vor. Die Verhandlungen gehen am 21./22. März in die nächste Runde.

Die Warnstreiks am Internationalen Frauentag am 8. März markierten den Auftakt des Arbeitskampfes. Zum Teil wurden Notbetreuungen eingerichtet. Ursprünglich waren die Tarifverhandlungen schon für das Frühjahr 2020 geplant, nach Beginn der Corona-Pandemie wurden sie jedoch zunächst auf Eis gelegt. Die dritte und nach bisherigem Stand voraussichtlich entscheidende Verhandlungsrunde soll am 16. und 17. Mai in Potsdam stattfinden. 

In der Tarifrunde für den kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst 2022 geht es um einen weiteren Schritt zur Aufwertung der Tätigkeit in Kitas, sozialen Einrichtungen und in der Behindertenhilfe. Es geht um eine bessere Eingruppierung und bessere Arbeitsbedingungen für die kommunal Beschäftigten im Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD). 2015 und 2009 kämpfte die GEW gemeinsam mit ver.di für die Aufwertung der Berufe im Sozial- und Erziehungsdienst. In den Tarifverhandlungen konnten sie für die Beschäftigte spürbare Verbesserungen erreichen. Dennoch blieben viele Forderungen offen. 2020 sollten die Verhandlungen fortgesetzt werden, pausierten jedoch pandemiebedingt. Die GEW fordert, gemeinsam mit ver.di, die für die DGB-Gewerkschaften die Verhandlungen führt, von den Arbeitgebern echte Anerkennung und Wertschätzung statt nur lobender Worte.