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GEW fordert verbindliches Gesamtkonzept für Inklusion

„Die seitens der Landesregierung geplante Schulgesetznovelle ist ein richtiger Schritt, den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention nachzukommen und ein inklusives Schulsystem in Rheinland-Pfalz zu schaffen“, sagte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Klaus-Peter Hammer, heute vor der Presse.

„Aus unserer Sicht ist es nun aber dringend notwendig, dass aus diesen ersten positiven Entwicklungen ein tragfähiges, belastbares Gesamtkonzept für die Umsetzung inklusiven Unterrichts entwickelt wird, das für alle Beteiligten verbindlich ist und inhaltliche Orientierung gibt.“

Die Bedingungen an den Schwerpunktschulen, die als Regelschulen mit der Durchführung des inklusiven Unterrichts beauftragt sind, sind laut GEW in Rheinland-Pfalz in der Realität nicht einheitlich, weswegen beeinträchtigte Schülerinnen und Schüler an Regelschulen nicht überall die gleiche Förderung und damit gleiche Chancen hätten. „In Rheinland-Pfalz gibt es bisher für Schwerpunktschulen keine klaren Vorgaben, wie, mit welchen Mitteln und welchen unterrichtlichen Bedingungen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet werden sollen. Schulen wird aufgetragen, ein schuleigenes Konzept zu entwickeln. Dieser an sich gute Gedanke führt leider nicht selten dazu, dass Schulen und Lehrkräfte mit dieser Aufgabe zunächst einmal vor zu hohe Hürden gestellt werden“, sagte die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Sylvia Sund.

„Gemeinsamer Unterricht mit behinderten und nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die einer besonderen Unterstützung bedarf. Die Kolleginnen und Kollegen an Schwerpunktschulen brauchen dringend mehr fachkundige Begleitung. Erforderlich sind gezielte Fortbildungs- und Coaching-Angebote zur Umsetzung der Inklusion und der entsprechenden Konzeptentwicklung an den jeweiligen Schulen. Für die Entwicklung der Zusammenarbeit der multiprofessionellen Teams ist dies unabdingbar. Hierfür benötigen die Schulen Freiräume und Entlastungsmöglichkeiten. Die Mittel für Fortbildungen und Beratungen müssen deshalb drastisch erhöht werden. Die bisher im Landeshaushalt vorgenommenen Kürzungen sind absolut kontraproduktiv. Damit kann der Fortbildungs- und Beratungsbedarf bei weitem nicht abgedeckt werden“, sagte Sund.

Schwerpunktschulen gibt es seit 2001 und viele der zurzeit eingerichteten 262 Schwerpunktschulen arbeiten laut GEW bereits jetzt erfolgreich auf der Grundlage guter und tragfähiger Schulkonzepte und einer zufriedenstellenden Personalausstattung. Dem gegenüber gäbe es aber noch viel zu viele Schwerpunktschulen mit unzureichender Personalzuweisung und unzureichenden Rahmenbedin-gungen. Die GEW fordert deshalb, dass alle Schwerpunktschulen personell so ausgestattet werden und sich konzeptionell so weiterentwickeln, dass sie ihren gesetzlichen Auftrag des inklusiven Unterrichts tatsächlich erfüllen können. Leider lasse sich schon bei der Personalzuweisung über Planstellen im Hinblick auf die Vergabe durch das Ministerium an die drei Aufsichtsbezirke der ADD kein einheitliches und verlässliches Konzept erkennen, kritisiert die GEW. Rheinland-Pfalz habe sich von einer rein schülerbezogenen Zuweisung (Lehrerwochenstunden pro SchülerIn mit Förderbedarf) zu einer pauschalen Zuweisung für die Schwerpunktschulen entschieden. Vor allem im Bereich der Realschulen plus und der integrierten Gesamtschulen sei aber ein klares Konzept  der pauschalierten Zuweisung nicht erkennbar.

Die GEW fordert mehr Transparenz und Verlässlichkeit, damit den Schwerpunktschulen landeseinheitlich und nach klaren Regeln Planungssicherheit verschafft werde. „Schulen müssen mindes¬tens mit dem aus dem vorläufigen Gliederungsplänen berechneten Lehrkräfte-Stellenbedarf versorgt werden“, forderte Sylvia Sund. „Es gibt einen Anstieg von Anträgen auf Feststellung von Förderbedarf. So sind ca. 3500 Überprüfungen bei Kindern und Jugendlichen vorgenommen worden. Obwohl dieser Prozess noch nicht abgeschlossen ist, kann davon ausgegangen werden, dass bis zu zwei Drittel, d.h. bis zu 2000 SchülerInnen mit Förderbedarf, noch hinzugerechnet werden müssen. Die Zahlen der ADD und des Ministeriums lassen jedoch nicht erkennen, inwieweit diese Zahl bei der Berechnung der Personalplanung berücksichtigt wird. Hier fehlt Transparenz und Klarheit.“

Die GEW stellt zudem fest, dass es zu erheblichen Versorgungsengpässen mit ausgebildeten Förderschullehrkräften kommt, wenn im laufenden Schuljahr u.a. durch Erkrankung, Mutterschutz, Elternzeit oder aus anderen Gründen Vertretungsbedarf entsteht, der dann mit Regelschullehrkräften abgedeckt werden müsse, die auf die Aufgaben nicht hinreichend vorbereitet seien. Dies treffe vornehmlich im Bereich der Sekundartstufe I zu. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass die bereitgestellten Vertretungsmittel auch für ein ganzes Schuljahr ausreichen.

„Uns ist bekannt, dass junge ausgebildete Förderschullehrerinnen und -lehrer nach Hessen, Baden-Württemberg und ins Saarland wechseln, wenn ihnen in Rheinland-Pfalz keine Planstellen, sondern lediglich Vertretungsverträge angeboten werden. Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, diese jungen Lehrkräfte an das Land zu binden und analog zu den anderen Schularten auch für Förderlehrkräfte einen auf Planstellen basierenden Vertretungspool einzurichten, damit der vorhersehbare Vertretungsbedarf im Schuljahr 2014/2015 annähernd mit voll ausgebildeten Förderschullehrkräften gedeckt werden kann“, sagte der GEW-Landesvorsitzende.

„Aus unserer Sicht kann nur mit verbindlichen Vorgaben die Qualität der Schwerpunktschulen gesichert werden. Verbindlichkeit erwarten wir neben der notwendigen und verlässlichen Personalausstattung insbesondere für die Vorbereitung der Schulen auf ihre neue Aufgabe, die kontinuier¬liche Fortbildung des Kollegiums, die Entwicklung eines inklusiven Schulkonzepts und die Vernetzung mit den Förderschulen und den zukünftig entstehenden Förder- und Beratungszentren,“ ergänzte die stellvertretende Landesvorsitzende Sylvia Sund. „Auch die systemische Prozessbegleitung durch die so genannten Beraterinnen und Berater für Integration/Inklusion ist aus unserer Sicht verbindlich festzulegen und kann nicht wie bisher von der Nachfrage der Schulen nach Unterstützung abhängen.“

Die GEW verweist darauf, dass inklusiver Unterricht und die Gestaltung des inklusiven Schulentwicklungsprozesses Aufgaben des gesamten Kollegiums einer Schule sind. Den Schulleitungsmitgliedern komme dabei eine Schlüsselfunktion zu. Sie seien daher verbindlich fortzubilden und durch die Schulaufsicht zu begleiten. Schulentwicklungsprozesse und die Entwicklung von Teamstrukturen zwischen Regel- und Förderschullehrkräften als Grundlage für erfolgreichen gemeinsamen Unterricht brauchten zudem Zeit. Den Schulen müssten durch einen Pool von Anrechnungsstunden die dafür notwendigen zeitlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Auch für die Sachausstattung mit Lehr- und Lernmitteln und für notwendige bauliche Umbaumaßnahmen fordert die GEW verbindliche Regelungen, damit an allen Schulen die notwendigen und gleichen Rahmenbedingungen für den inklusiven Unterricht geschaffen werden können.

Von zentraler Bedeutung für den Erfolg der Schwerpunktschulen ist für die GEW, dass die notwen¬dige sonderpädagogische Unterstützung sichergestellt wird. Zumindest die 200 für den Ausbau der Inklusion zusätzlich in Aussicht gestellten Vollzeitlehrereinheiten seien nun dringend bereitzustellen.

Die GEW stellt insofern folgende kurzfristig zu lösenden Aufgaben an das Bildungsministerium:

  1. Die etwa 50 ausgebildeten Förderschullehrkräfte, die im Sommer das Studienseminar Neuwied verlassen, müssten den Schwerpunkt- und Förderschulen im ADD-Bereich Koblenz, wo seit Jahren gravierender Lehrkräftemangel besteht, erhalten bleiben. Im Februar 2014 seien ca. 30 (knapp die Hälfte) der im Studienseminar Kaiserslautern ausgebildeten Förderschullehrkräfte aus Rheinland-Pfalz abgewandert, weil sie in den angrenzenden Bundesländern Planstellen erhalten haben. Das dürfe sich das Land zukünftig nicht mehr leisten!
  2. Die finanziellen Mittel für befristete Vertretungsstellen sollten auch bei den Förderschullehrkräften zumindest teilweise für Planstellen in einem einzurichtenden Vertretungsstellenpool verwendet werden, wie dies in den anderen Schularten bereits der Fall sei. Insgesamt müssten mehr Vertretungsmittel bereitgestellt werden.
  3. An Schwerpunktschulen sei die Bereitstellung von Förderschullehrkräften und pädagogischen Fachkräften, auch bei kurzfristigen Ausfällen, zu garantieren.
  4. Die Berechnung des tatsächlichen Bedarfs von Förderschullehrkräften an Förder- und Schwerpunktschulen müsse nachvollziehbar sein.
  5. Der Fortbildungsetat sei erheblich auszuweiten.
  6. Für Fragen rund um die Inklusion sollten Beratungsstellen mit jederzeit erreichbarem Personal eingerichtet werden.

Mainz, den 22.05.2014