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Fachtagung Inkluisver Unterricht

Unter dem Schwerpunkt „Verankerung in der Ausbildung und Umsetzung in der Praxis“ veranstaltete die GEW Rheinland-Pfalz gemeinsam mit dem GEW Kreisverband Südpfalz eine Fachtagung zu Inklusivem Unterricht. Die Tagung fand am 25.09.2015 an der Universität in Landau statt. Bereits 2012 hatte eine Fachtagung zum Thema Inklusion in der Lehrer_innenbildung in Landau stattgefunden. Dass das Thema noch immer aktuell ist und es noch einiges an Nachholbedarf in Rheinland-Pfalz gibt, machten Jonas Priester (Kreisverband Südpfalz) und Stefan Jakobs (VB Schulen) in ihren Grußworten deutlich. „6 Jahre, nach dem die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert wurde hat bisher nur ein Etikettenwandel stattgefunden. Substanziell ist noch nicht sehr viel geschen“, so Stefan Jakobs.

In einem kurzen Vortrag führte Prof. Dr. Vera Moser in die Thematik Inklusion in der Lehrer_innenbildung ein. „Die Lehrerbildung für eine „Schule der Vielfalt“ ist […] eine Querschnittsaufgabe, der sich die Bildungswissenschaften, Fachdidaktiken und Fachwissenschaften im lehramtsbezogenen Studium für alle Lehramtstypen gemeinsam und aufeinander abgestimmt widmen müssen.“, fordern die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und die Kultusministerkonferenz (KMK) in einer gemeinsamen Empfehlung (2015) mit dem Titel „Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt“. Der Monitor-Lehrerbildung 2015 stellte fest: „Die bisher angebotenen Maßnahmen sind häufig noch in der Entwicklung, zeitlich zu kurz angelegt, stehen teilweise unverbunden nebeneinander, sind zu wenig aufeinander bezogen oder liegen in der Verantwortung unterschiedlichster Akteure. Darüber hinaus sind Praktikerinnen und Praktiker bislang zu selten in entsprechende universitäre Angebote eingebunden.“

In ihrem Vortrag stellte Prof. Dr. Vera Moser die drei Modelle der Lehrer_innenbildung der European Agency for the Development of Inclusive and Special Needs Education (European Agency) vor:

  • discrete / infusion model (1-2 Lehrveranstaltungen zu Inklusion)
  • collaborative / integrated model (Unterricht in inklusiven Settings als Bestandteil aller lehrerbildenden Studiengänge)
  • merged model (ein nicht nach Schularten differenzierter inklusionsbezogener Lehramtsstudiengang)

Das dritte Modell ist zwar das von der European Agency favorisierte Modell, Prof. Dr. Vera Moser sah es allerdings als kritisch an, dass es dann keine Sonderpädagogen als Experten im Schulsystem gebe. Dieses Expertenwissen dürfe nicht auf der Strecke bleiben. Deshalb ist das zweite das von ihr favorisierte Modell. Dieses Modell würde auch der Empfehlung von HRK und KMK nachkommen: „Alle Lehrkräfte sollten so aus-, fort- und weitergebildet werden, dass sie anschlussfähige allgemeinpädagogische und sonderpädagogische Basiskompetenzen für den professionellen Umgang mit Vielfalt in der Schule, vor allem im Bereich der pädagogischen Diagnostik und der speziellen Förder- und Unterstützungsangebote entwickeln können.“ Zu einer inklusionspädagogischen Grundqualifikation gehören für Prof. Dr. Vera Moser drei Säulen: Sprachbildung, Sonderpädagogik und Heterogenität/Diversity.

In einer anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert durch Frieder Bechberger, diskutierten Vertreter der Uni Landau, dem Bildungsministerium, der Studienseminare und der GEW über den Stand und die angestrebten Entwicklungen in Rheinland-Pfalz. Zunächst befragte Frieder Bechberger Dr. Markus Maier (Vertreter des Bildungsministeriums) nach dem Gesetz zur Stärkung der inklusiven Kompetenz und der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften. Mit dem Gesetz werde die Inklusion nun verortet, so Dr. Markus Maier. Auch in den Studienseminaren werden entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen. Die Einflussnahme auf die Universitäten wären allerdings begrenzt, da diese nur sehr wenig steuerbar sind. Prof. Dr. Andrea Dlugosch (Institut für Sonderpädagogik in Landau) erläuterte die aktuellen Entwicklungen in Landau: Aktuell wird geschaut, was innerhalb der engen Vorgaben möglich ist um eine Flexibilität der Lehrämter zu ermöglichen. Aktuell passiert einiges auf der Kooperativen Ebene, allerdings sei dieses für eine Weiterentwicklung nicht ausreichend. Einen Überblick über den Stand im Bereich der Germanistik gab Prof. Dr. Stephan Merten: Vor 10 Jahren ist der Bereich Heterogenität in die Lehrpläne gekommen. Allerdings ist die Thematik Inklusion in der Fachwissenschaft und Fachdidaktik bisher nur eine Randerscheinung, da die Lehre sehr stark durch die Modularisierung geprägt ist und es dadurch kaum Spielräume für neue Inhalte gäbe. Katharina Hendricks (Vertreterin des AStA) machte die Situation der Studierenden deutlich: Viele Studierende seien sehr verunsichert, da sie ihre Ausbildung nicht als Ausreichend ansehen. Auch die Verzahnung zwischen den Lehrämtern schätzen sie defizitär ein. Es fehle vor allem die Aussicht, wie die Teamarbeit aussehen solle. Daniela Bott (Fachleiterin am Studienseminar Gymnasien in Landau) beschrieb die aktuellen Entwicklungen in der zweiten Phase der Lehrer_innenbildung: Seit Herbst 2014 wird das Studienseminar durch eine Förderschullehrerin mit 10 Wochenstunden unterstützt. Bisher habe sie gemeinsam mit der Förderschullehrerin Kontakt mit den Ausbildungsschulen aufgenommen um den Bedarf an Beratung zu ermitteln. Sie haben eine Sprechstunde für Referendare und Fachleiter eingerichtet und eine Liste mit Ansprechpartnern und Literatur zum Thema Inklusion entwickelt. Zum Thema Inklusion hat bereits eine Seminarsitzung stattgefunden. Aktuell möchten sie noch die Seminare im Bezug auf Heterogenität und Diagnose aufarbeiten. Ruth Ratter (bildungspolitische Sprecherin der Grünen in RLP) forderte, dass die Verzahnung zwischen den drei Phasen der Lehrer_innenbildung noch besser werden müsse. Sylvia Sund (stellvertretende Landesvorsitzende der GEW Rheinland-Pfalz) begrüßte die aktuellen gesetzlichen Entwicklungen, allerdings gehen diese nicht weit genug. Es ist allerdings gut, dass in der 3. Phase der Lehrer_innenbildung angesetzt wird. Es fehlt aber noch an Qualitätskriterien, was eine Schule der Vielfalt ausmacht, auf die in der Lehrer_innenbildung hingearbeitet werden kann.

Dr. Markus Maier verkündete, dass die Universität Koblenz-Landau in der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ erfolgreich war. Inklusion war auch ein Teil des Antrages hierzu. Nun stünden finanzielle Mittel zur Verfügung, die es ermöglichen viele Akteure mitzunehmen, um eine gründliche Weiterentwicklung voranzutreiben. Aktuell gibt es in Landau die Überlegungen, einen Modellstudiengang Inklusion zu entwerfen, so Prof. Dr. Andrea Dlugosch. Prof. Dr. Stephan Merten hält solch einen Modellstudiengang für eine „feine Sache“, allerdings müsse auch geklärt werden, was die Studierende mit solch einem Studium anfangen können. Ruth Ratter sieht die Einführung eines solchen Studienganges kritisch. Sie befürchtet, das dadurch viel Zeit verloren geht. In den jetzigen Studiengängen käme es dann zu keiner Weiterentwicklung, da man erst die Ergebnisse eines solchen Modellstudienganges abwarten würde, was einige Jahre dauern würde. Es müsse aber jetzt etwas geschehen. Es müsse mehr Kooperation zwischen den Lehrämtern geben. Diese Forderung unterstütze auch Katharina Hendricks: Bisher gibt es zu wenige gemeinsame Seminare zwischen Studierenden der verschiedenen Lehrämter, diese müssen dringend mehr werden. Auch in den Bildungswissenschaften müsste das Thema Inklusion einen größeren Raum für alle Lehrämter einnehmen. Sylvia Sund machte noch mal deutlich, das auch die Kompetenzen für Teamarbeit sehr wichtig sind. An integrativen Schule laufe der Kompetenztransfer zur Zeit sehr gut. An vielen Schulen (auch an Schwerpunktschulen) fehle aktuell die nötige Ausstattung, um inklusiven Unterricht zu entwickeln.

Nach einer Mittagspause fanden verschiedene Workshops zur konkreten Umsetzung der Inklusion in der Praxis statt. Bei der Auswahl der Workshops wurde drauf geachtet, das für Pädagogen aller Schularten Angebote vorhanden waren.

Die Grundschule Süd aus Landau wurde beim Deutschen Schulpreis 2010 unter dem Qualitätsbereich Partizipation und Verantwortung ausgezeichnet. In ihrem Workshop stellte sie ihren Weg als Schwerpunktschule, Modellschule für „Demokratie leben und lernen“ und jetzige Ganztagsschule dar. Die Entstehung bzw. logische Vernetzung ihrer 3 Säulen (Umgang mit Vielfalt, Demokratisches Lernen, Eigenverantwortliches Lernen) war ebenfalls Thema.

Die Brüder-Grimm-Schule aus Ingelheim wurde 2014, als bis heute einzige Schule in RLP, mit dem „Jakob-Muth-Preis“ ausgezeichnet. Sie stellte in einem Workshop ihre Arbeit mit Lernstraßen und Ateliers vor. Auf Basis der schuleigenen Kompetenzraster und abgestimmt mit den eingeführten Unterrichtswerken wurden Lernstraßen in Deutsch und Mathematik entwickelt. Bei aller Individualisierung aber ist besonders das Erleben von Gemeinsamkeit und das Arbeiten am selben Unterrichtsgegenstand von Bedeutung, damit die Lerngruppe sich weiterhin als eine Klassengemeinschaft erlebt. Die an der Brüder-Grimm-Schule entwickelte „Atelierarbeit“ stellt das gemeinsame Thema in den Mittelpunkt, dem fächerübergreifend aus den Lernbereichen Deutsch, Mathematik, Kunst, Musik und Sachunterricht nach eigenem Vermögen zugearbeitet wird.

Die Modelle KoA (Keiner ohne Abschluss) und SVK (Sprachvorkurs) sowie das Unterrichtsfach „Ganz praktisch“ wurden als Konzepte für den Unterricht an weiterführenden Schulen vorgestellt. Am Beispiel des SVK wurde gezeigt, wie die Integration von Kindern und unbegleiteten Jugendlichen ohne Deutschkenntnisse in das Regelsystem gelingen kann. Das Projekt KoA bietet Jugendlichen, die die Schule ohne berufsqualifizierenden Abschluss verlassen müssen, eine letzte Möglichkeit. Rahmenbedingungen, Chancen und praktische Erfahrungen wurden erläutert. Das Wahl-Pflicht-Fach  „Ganz praktisch“ (WPF GaP) will Hilfen anbieten auf dem Weg, die Schülerinnen und Schüler stark und fit zu machen für ihren Weg in Beruf und Gesellschaft. Das WPF GaP verfolgt einen handlungsorientierten, praxisbetonten und schülerzentrierten Ansatz. Es versteht sich als komplementäre Ergänzung zu den überwiegend kognitiv orientierten Fächern. Das WPF GaP verbindet Elemente aus den Bereichen Arbeitslehre, Kunst und Handwerk, Berufsorientierung usw. zu einem neuen übergreifenden Projekt.

Zwei weitere Workshops widmeten sich der Umsetzung der Inklusion an Berufsbildenden Schulen. An der Johann-Joachim-Becher-Schule – Berufsbildende Schule Speyer werden Schülerinnen und Schüler aus Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen und ganzheitliche Förderung in einem integrativen Berufsvorbereitungsjahr beschult. Eine der Grundlagen für die erfolgreiche Arbeit in dieser Klasse ist ein funktionierendes Netzwerk mit vielen schulischen und außerschulischen Partnern. Die Altenberg-Schule, Bad Bergzabern präsentierte ihr vorläufigen Konzepts für Inklusionsklassen im BVJ und stellte ihre bisherigen Ereignisse und Erfahrungen vor.

Teachers on the Road gaben hilfreiche Informationen und Einblicke in Deutschkurse für Flüchtlinge. Thematisiert wurden die Rahmenbedingungen ehrenamtlicher Deutschkurse für Flüchtlinge, Aufgabenstellung solcher Kurse, Unterrichtsmethoden und -inhalte, Konversation in der Grundstufe sowie asylrechtliche Informationen für ehrenamtliche Lehrkräfte.

Abgerundet wurde das Angebot durch den neusten Film von Paul Schwarz. Der Film mit dem Titel “Jedes Kind ist einzigartig. Die inklusive Schule in Rheinland-Pfalz“ gibt einen aktuellen Überblick über den Stand inklusiven Unterrichts in RLP. Paul Schwarz erstellte ihn im Auftrag des Bildungsministeriums.