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Arbeitsalltag von Kita-, Hort- und Schulleitungen

Auf eine Lücke folgt die nächste

Fachkräftemangel und Verwaltungsaufgaben belasten Kita-Leitungen. E&W hat mit der Kita-Leiterin Petra Kilian aus Stuttgart gesprochen.

„Es muss dringend mehr Leitungszeit her, sonst werden Menschen auf diesen Positionen verheizt.“ (Petra Kilian, Leiterin der Tageseinrichtung für Kinder Griegstraße, Stuttgart / Foto: Christoph Bächtle)
  • E&W: Wie viele Erzieherinnen und Erzieher sind in der Kita Griegstraße für wie viele Kinder zuständig?

Petra Kilian: Die Kita hat auf dem Papier sieben Gruppen mit Kindern von null bis sechs Jahren. Aber wir arbeiten nicht im Gruppenkontext, sondern in einem offenen Konzept mit 105 Kindern. Im Moment haben wir nur 95 Plätze belegt, die anderen zehn bleiben offen, weil die Fachkraftstellen nicht besetzt sind. Aktuell stehen mir 28 pädagogische Kräfte zur Verfügung – allerdings nicht alles Fachkräfte, sondern auch Auszubildende und zwei Corona-Aushilfen. Damit decken wir zehn Stunden Öffnungszeit pro Tag ab.

  • E&W: Sind Sie damit gut aufgestellt?

Kilian: Im Moment stehen wir im Vergleich zu anderen Zeiten gar nicht so schlecht da. Aber es sind nie alle Mitarbeiterinnen gleichzeitig da, weil einige nur drei oder vier Tage die Woche oder halbtags arbeiten. Im August ist eine Kollegin schwanger geworden. Diese Stelle hatten wir gerade besetzt, da wurde die nächste Schwangerschaft bekannt. Eine andere Kollegin fällt jetzt aus, weil ihre Mutter schwer erkrankt ist. So kommt es immer wieder zu einer enormen Arbeitsverdichtung für die, die da sind.

  • E&W: Was bedeutet das für Sie als Leitung?

Kilian: Immer wieder akut reagieren und immer wieder Bewerbungsgespräche führen. Das sind alles sehr zeitaufwändige Prozesse. Wenn es gut läuft, habe ich zwar drei oder vier Bewerbungen, aber das heißt auch, drei bis vier Gespräche zu führen und alle abzuwägen. Und mit diesen Prozessen haben wir seit sieben Jahren zu tun: Seit 2015 hatte ich noch nie alle Planstellen besetzt. Ist eine Lücke gestopft, entsteht an einer anderen Ecke ein Loch.

  • E&W: Wie stark spüren Sie dabei den Fachkräftemangel?

Kilian: Das Jugendamt Stuttgart, bei dem ich beschäftigt bin, ist ein großer Träger. Wir haben eine zentrale Stelle, die sich um Bewerbungen und Einstellungen kümmert. Aber manchmal, wenn ich eine freie Stelle melde, schreiben mir die Kolleginnen: Es gibt zurzeit keine Bewerbung. Und ich will ja nicht nur eine Stelle besetzen, sondern eine Fachkraft bekommen, von der ich inhaltlich überzeugt bin und von der ich denke, dass sie gut ins Team und unser offenes Konzept passt.

  • E&W: Was stresst Sie in Ihrem Leitungsjob neben dem fehlenden Personal?

Kilian: Dass auf Kita-Leitungen immer mehr Verwaltungsaufgaben heruntergebrochen werden. Nicht die einzelnen Tätigkeiten sind dabei der Stress, sondern die Fülle. Und es geht um Aufgaben, bei denen ich sage: Dafür habe ich keine pädagogische Ausbildung gemacht. Letztens musste der Fettabscheider für die Spülmaschine in der Großküche gereinigt werden. Das musste ich vier Mal in die Hand nehmen, bis es geklappt hat. Formulare, Tabellen und Krankmeldungen ausfüllen, so etwas könnte eine Verwaltungskraft an einem Tag in der Woche abarbeiten. Es wäre sinnvoll, dafür jemanden anzustellen. Natürlich trage ich die Verantwortung, aber meine Hauptaufgaben sind zum Beispiel die fachliche Qualitätssicherung sowie Personalführung und -entwicklung.

  • E&W: Was brauchen Kita-Leitungen zur Entlastung außerdem?

Kilian: Es muss dringend mehr Leitungszeit her, sonst werden Menschen auf diesen Positionen verheizt. Wenn man gute Kitas will, muss als erstes die Leitung gestärkt werden, damit sie Teamentwicklung betreiben kann. Darin sehe ich im Moment auch meine erste Aufgabe: Da zu sein und in Kontakt mit allen zu sein, damit sich niemand innerlich verabschiedet oder krank wird, weil er oder sie überfordert ist. Ich habe gelernt, gutes Management funktioniert „by walking around“. Aber in meinem 800 Quadratmeter großen Haus bin ich froh, wenn ich es einmal am Tag schaffe, eine Runde zu drehen.

  • E&W: Sind Sie komplett freigestellt für Leitungsaufgaben?

Kilian: Ja, die Einrichtung ist so groß, dass wir nach der Personalausstattungsrichtlinie 120 Prozent Leitungsanteil haben – die Leitung 100 und die Stellvertretung 20 Prozent. Ich habe reduziert, daher ist unsere Aufteilung 80 zu 40. Aber wenn Not an der Frau ist, fließt diese Zeit in den Gruppendienst. Und im Moment ist die Notsituation der Standard. Dann sind Kita-Leitungen die Springkraft im Haus. Ich will aber nicht nur schwarzmalen. Ich habe in meinen 45 Jahren Kita-Leitung mit einem tollen Team gearbeitet, und es macht auch Spaß zu sehen: Wir schaffen das, wir stehen schwierige Situationen miteinander durch. Aber diese Momente werden weniger, wenn alles auf uns abgeladen wird.