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Sommerferienarbeitslosigkeit

„Zeichen mangelnder Wertschätzung“

Die GEW kritisiert, dass sich in Baden-Württemberg tausende befristet beschäftigte Lehrkräfte in den Ferien arbeitslos melden müssen. „Für das Land sind wir offenbar Lückenfüller“, sagt eine betroffene Pädagogin.

Am Tag des offiziellen Ferienbeginns in Baden-Württemberg bekam auch Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) ihr Zeugnis überreicht. Die Versetzung ist einstweilen nicht gefährdet. Doch die Bewertung, die die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein ihr im Fach „Behandlung der befristet beschäftigten Lehrkräfte“ mitgab, fiel wenig schmeichelhaft aus. Schließlich müssen sich unter Schoppers Verantwortung im Südwesten viele tausend Lehrkräfte für die kommenden sechs Wochen arbeitslos melden.

Schlechtes Zeugnis für Kultusministerin Schopper

„Es macht den Anschein, dass sie stets bemüht war, aber nicht die nötige Durchsetzungsstärke entwickeln konnte“, heißt es deshalb im Zeugnis, das der Ministerin am frühen Nachmittag übergeben wurde. „Um ihren Platz im Kabinett zu sichern und ein erfolgreiches Schuljahr zu erleben, sollte Frau Schopper dieses Geld im Haushalt organisieren.“

„Am Ende des Schuljahres musste ich zum Amt, um dann bei Schulbeginn sechs Mal wieder durch die Probezeit zu müssen.“ (Sophie Hesse)

Zuvor hatte Stein bei einer gut besuchten Pressekonferenz im Stuttgarter Landtag ausgeführt, warum die GEW die von der grün-schwarzen Landesregierung forcierte „Sommerferienarbeitslosigkeit“ für Lehrkräfte vehement bekämpft. Begleitet wurde sie dabei von zwei Betroffenen, der Pädagogin Marijke Clark, die an einem Schulkindergarten für Sprachbehinderte arbeitet und Sophie Hesse (Name geändert), die in den vergangenen Jahren als Gymnasiallehrerin unterrichtete und seit 2014 sechs Mal einen befristeten Vertrag unterschrieben hat. „Am Ende des Schuljahres musste ich zum Amt, um dann bei Schulbeginn sechs Mal wieder durch die Probezeit zu müssen.“

„Für das Land sind wir offenbar Lückenfüller.“ (Marijke Clark)

Als Zeichen „mangelnder Wertschätzung“, empfindet diese Praxis auch die Diplom-Pädagogin Clark, die sich „in den letzten Ferienwochen auf das kommende Schuljahr vorbereitet, damit die Kinder nicht unter meiner Situation leiden müssen.“ Unbezahlt. Und von zu Hause aus. Denn das Schulgebäude darf die Quereinsteigerin während der Ferien nicht betreten. „Für das Land sind wir offenbar Lückenfüller“, so Clark, „die nach getaner Arbeit in die Arbeitslosigkeit entlassen werden.“

Tausende müssen sich arbeitslos melden

Zwischen 8000 und 9000 Lehrkräfte schickt die Landesregierung dieser Tage in die Arbeitslosigkeit. Von der Regelung betroffen sind nicht zuletzt Quereinsteigerinnen und junge Lehrkräfte, die nach dem Studium keine Planstelle erhalten haben. Sie können als Krankheitsvertretungen überall dort eingesetzt werden, wo Lehrkräfte fehlen. Und das ist in Baden-Württemberg so ziemlich überall. Deshalb, so Stein, wäre eine Erhöhung der Vertretungsreserve dringend geboten. „Aufgrund des Lehrkräftemangels sind in vielen Schulen bereits am ersten Schultag alle eingeplant, um den regulären Unterricht halbwegs sicherzustellen.“

Mit Aushilfsjobs über die Runden kommen

Zu den rund 4000 befristet beschäftigten Pädagoginnen kommen 4000 bis 5000 Referendarinnen und Referendare, von denen die meisten im kommenden Schuljahr ebenfalls wieder vor einer Klasse stehen werden. Die durch diese Praxis eingesparten Mittel beziffert Stein auf 14 Millionen Euro – zwei Drittel der umstrittenen Imagekampagne „The Länd“. Mit der, so Stein, „will das Land gute Fachkräfte ins Land holen, die eigenen werden derweil in den Sommerferien entlassen.“ Ein großer Teil von ihnen meldet sich arbeitslos, viele andere versuchten, durch Aushilfsjobs über die Runden zu kommen. Und viele wechselten in die Schweiz oder Bundesländer wie Rheinland-Pfalz, die ihre Lehrkräfte nicht derart entwürdigend behandeln.

„Wir haben genug Geld in Baden-Württemberg. Aber das wird an anderer Stelle ausgegeben.“ (Monika Stein)

Erstaunt zeigte sich Stein auch über die erstaunliche Wandlungsfähigkeit der Grünen. Schließlich hatte die Partei noch im Wahlkampf „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ plakatiert. Und Ministerin Schopper war zu Beginn ihrer Amtszeit mit dem Vorsatz angetreten, die schon unter den Vorgänger-Kabinetten geübte Praxis der „Sommerferienarbeitslosigkeit“ zu beenden. Doch offenbar messe das Kabinett der Bildungspolitik nicht den Stellenwert bei, der ihr auch außerhalb von Wahlkampfzeiten zukommen müsse, so Stein: „Wir haben genug Geld in Baden-Württemberg. Aber das wird an anderer Stelle ausgegeben.“