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Dienstgeräte an Schulen

„Keine Angst vor Haftung!“

Wer muss zahlen, wenn das Dienst-Tablet oder -Notebook gestohlen oder beschädigt wird? Das sollen Leihverträge regeln, die viele Schulträger derzeit mit Lehrkräften abschließen. Das sorgt für Irritationen.

Einzelne Bundesländer versuchen, über Leihverträge die Haftung für dienstlich verwendete digitale Geräte auf die Lehrkräfte abzuwälzen. Ein GEW-Gutachten zeigt: Das ist nicht zulässig! (Foto: IMAGO/Westend61)

„Es gab Anfragen von Mitgliedern, ob die Verträge unterzeichnet werden sollen“, berichtet Annette Loycke, Referentin Rechtsschutz beim GEW-Landesverband Hessen. Der GEW-Landesverband Niedersachsen sah bereits Ende 2020 Handlungsbedarf. „Wir haben ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben“, erklärt Anne Kilian, beim Landesverband zuständig für Digitalisierung und Mitglied im Schulhauptpersonalrat.

Ergebnis des Gutachtens: Leihverträge zwischen Schulträgern und Lehrkräften seien „sehr wahrscheinlich nichtig“. Sie müssten von Lehrerinnen und Lehrern „nicht unterzeichnet werden“. Zu diesem Urteil kommt Karl Otte, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hannover. Grund: Eine im Dienst des Bundeslandes stehende Lehrkraft nehme „im Rahmen ihrer Unterrichtstätigkeit keine Aufgaben des kommunalen Schulträgers wahr“. Dies gelte auch für den Umgang mit Sachmitteln, die der Schulträger angeschafft hat. Als Beispiele nennt Otte Kopiergeräte oder Schlüssel für zentrale Schulschließanlagen.

Er erläutert: Haftungsfragen seien in Paragraf 48 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) geregelt. Demnach greift in den meisten Fällen die „Amtshaftung“ – das Land steht für den Schaden gerade. Verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer haften demnach „nur bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen“. Entsprechende Vorschriften gelten auch für Lehrkräfte, die beim Land angestellt sind. Geregelt sei dies in den Tarifverträgen der Länder. Und was bedeutet „grob fahrlässig“? Dies sei regelmäßig nicht der Fall, „wenn ich aus Versehen Kaffee über das Tablet kippe oder wenn der Dienst-Laptop aus dem Kofferraum des verriegelten Privat-PKW gestohlen wird“, so Ulrike Roth von der GEW-Bundesstelle für Rechtsschutz.

Verträge rechtlich „nichtig“

Und was soll die Lehrkraft tun, wenn ihr ein Leihvertrag vorgelegt wird? „Wer nicht unterschreibt, bekommt das Gerät nicht“, lautet die Erfahrung von Peter Zeichner, Leiter des Referats Mitbestimmung der GEW Hessen und Vorsitzender des hessischen Hauptpersonalrats der Lehrerinnen und Lehrer. Eine Unterschrift sei jedoch „unschädlich“. Denn auch Zeichner geht davon aus, dass die Verträge mit Blick auf die Haftungsklausel bei Beschädigung oder Verlust rechtlich „nichtig“ seien. Er rät außerdem davon ab, dem Paragrafen 14 im hessischen Muster-Leihvertrag zu folgen.

Dort wird der Lehrkraft nahegelegt, „eigenverantwortlich eine Versicherung“ abzuschließen – „zur Absicherung im Falle des Verlusts oder eines Diebstahls oder einer anfallenden Reparatur des mobilen Endgerätes“. Die Kosten für die Versicherung „trägt der Entleiher“, heißt es dort weiter. Solche Versicherungen abzuschließen „wäre umsonst ausgegebenes Geld“, urteilt Zeichner mit Blick auf das BeamtStG und tarifvertragliche Regelungen. Nach Kritik an diesem Paragrafen habe das Kultusministerium reagiert und bereits vor Monaten angekündigt, den Muster-Leihvertrag zu ändern. Jedoch: „Die alte Fassung steht immer noch auf der Webseite des -Ministeriums“, kritisiert Zeichner.

„Keine Angst vor Haftung!“, überschreibt denn auch die GEW Hessen ihre Pressemitteilung zu den Leihverträgen. Sie verweist auf die Berufshaftpflichtversicherung, die bundesweit in der GEW-Mitgliedschaft enthalten ist. Sie greife auch in den Fällen, „in denen durch grob fahrlässiges Handeln ein Schaden am Leihgerät entsteht“. Sie könne ferner helfen, unberechtigte Schadensersatzansprüche abzuwehren. Keinen Schutz biete sie bei vorsätzlichem Handeln und wenn das Tablet oder das Notebook verlorengeht.

Kein Anspruch auf Ersatz

Im Rahmen einer Zusatzvereinbarung zum DigitalPakt stellt der Bund 500 Millionen Euro bereit, damit die Schulträger Lehrkräfte mit Leihgeräten ausstatten können. Länder und Kommunen leisten einen Eigenanteil von 10 Prozent. Gefördert werden Laptops, Notebooks, Tablets, aber keine Smartphones.

Wie aus verschiedenen Verträgen hervorgeht, verleiht zum Beispiel die Stadt Langenhagen bei Hannover ein Tablet von Apple. Wert: 437 Euro plus Mehrwertsteuer. Der südhessische Landkreis Groß-Gerau entschied sich laut Leihvertrag ebenfalls für ein Tablet von Apple (420 Euro) sowie für einen Laptop im Wert von 410 Euro. Die Stadt München hat nach GEW-Informationen Notebooks von Lenovo angeschafft (ca. 1.500 Euro). Wie der GEW-Landesverband Niedersachsen auf seiner Homepage erläutert, hätten Lehrkräfte allerdings keinen Anspruch auf Ersatz, wenn das Leihgerät beschädigt oder gestohlen wurde.

Die Mittel aus dem DigitalPakt seien „einmalig und abschließend für den Zweck der Kompensation pandemiebedingter Unterrichtsausfälle“ zur Verfügung gestellt worden, erläutert der Landesverband. Ein „Rechtsanspruch auf Ausstattung mit digitalen Geräten“ lasse sich aus dieser einmaligen Zuwendung nicht ableiten. Und wenn die Lehrkraft die Schule wechselt? Dann müsse das Gerät zurückgegeben werden, betont die GEW Niedersachsen. Dessen Verwendung sei „an den Einsatz in der jeweiligen Schule“ gebunden.

Umfrage unter den Ländern

Eine Kurz-Umfrage der E&W ergab: Etliche Bundesländer haben einen Muster-Leihvertrag für Schulträger entwickelt. Neben Hessen gilt dies etwa für Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. „Eine Nutzungsordnung für Leihgeräte zu erlassen, ist das Recht des Schulträgers“, teilt das Kultusministerium in Stuttgart mit. Und: „Lehrkräfte könnten entscheiden, Leihgeräte nicht zu nutzen.“ Das Ministerium für Bildung in Sachsen-Anhalt erklärt, man habe „Nutzungsbedingungen erarbeitet und an die Schulen versandt“. Diese würden „derzeit überarbeitet“. Dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus sei „kein Muster-Leihvertrag“ bekannt, heißt es aus München. Hamburg teilt mit: Der Stadtstaat sei gleichzeitig Schulträger und Beschäftigungsstelle. Leihverträge gebe es nicht: „Die Dienstgeräte werden als Arbeitsmittel bereitgestellt.“