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Debatte zum WissZeitVG

Alles in der Schwebe

Nach den massiven Protesten gegen die Eckpunkte zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hat das BMBF zu einem öffentlichen Gespräch eingeladen. Die wesentlichen Fragen blieben offen.

Die GEW kämpft seit vielen Jahren gegen unsachgemäße Befristungen und für berechenbare Karrierewege an Hochschulen. (Foto: Kay Herschelmann)

Wie geht es jetzt weiter mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG)? Das ist die große Frage, seitdem das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) am 17. März seine Reform-Eckpunkte bekanntgegeben hat und nur zwei Tage später zurückrudern musste – mit der Ankündigung, „kurzfristig“ zu einer neuen Gesprächsrunde einzuladen, um „vor Fertigstellung des Referentenentwurfs noch einmal zu debattieren“.

Professorinnen und Professoren solidarisieren sich

Zu zahlreich und lautstark waren die Proteste, vor allem gegen den Vorschlag, die Höchstbefristungsdauer nach der Promotion von sechs auf drei Jahre zu verkürzen. Das bringe noch mehr Druck ins System und erhöhe die Unsicherheit, lautete die Kritik. „Man hat nur ein paar Zahlen in den Mixer geworfen“, klagten Betroffene. „Die Postdoc-Phase wird verkürzt, aber die Erwartungen bleiben.“ Unter dem Hashtag „#ProfsfürHanna“ solidarisierten sich Hunderte Professorinnen und Professoren. Mittlerweile ist ihre Zahl auf über 3.000 gestiegen. Und schließlich machte ein Bündnis aus Forschenden und Gewerkschaften eine Woche zuvor mit einer Kundgebung vor dem Bundesforschungsministerium in Berlin gegen die Eckpunkte mobil und forderte „Entfristung statt Befrustung“.

An diesem Donnerstag fand nun die angekündigte Gesprächsrunde statt. Zwei Stunden lang ging die Debatte, die das Ministerium als „Austausch zur Höchstbefristungsgrenze im Postdoc-Bereich mit wichtigen Stakeholdern und dem Parlamentarischen Staatssekretär im BMBF Jens Brandenburg“ verstanden wissen wollte. Die versprochene Kurzfristigkeit hat das Ministerium damit eingehalten. Doch alle weiteren Fragen blieben weiterhin offen.

Was soll sich denn nun an den Eckpunkten verändern? Wie könnte die „neue geteilte Vision“ aussehen, die Brandenburgs Kollegin Sabine Döring vor zwei Wochen anmahnte? Was will das Ministerium eigentlich, außer „mehr Verlässlichkeit und Transparenz“? Antworten: Fehlanzeige.

„Mit der heutigen Diskussion ist der Prozess nicht abgeschlossen.“ (Jens Brandenburg)

Offenbar sollten vor allem die Wogen geglättet werden. Man nehme den Protest wahr und ernst, sagte Brandenburg. Es gehe ja erstmal nur um „Kerneckpunkte“, im weiteren Verfahren seien noch Änderungen möglich, versicherte er. „Mit der heutigen Diskussion ist der Prozess nicht abgeschlossen.“ Mehrfach verwies er auf den Zukunftsvertrag mit den Ländern, der 20.000 neue Stellen bringe. Man tue schon viel, sollte das wohl heißen. Die Novelle des WissZeitVG sei „nur ein Baustein“.

Ausgerechnet Postdoc-Netzwerke nicht dabei

Gut ein Dutzend Expertinnen und Experten hatte das Ministerium eingeladen. Für die GEW war Vorstand und Hochschulexperte Andreas Keller dabei. Doch ausgerechnet die Postdoc-Netzwerke waren nicht vertreten. „Das bedrückt uns sehr“, hatte schon im Vorfeld Elizaveta Bobkova vom Netzwerk außeruniversitärer Promovierender N2 bei einem Town Hall Meeting, das die GEW am Tag vor dem BMBF-Austausch organisiert hatte, gesagt.

Die Arbeitgeberseite war hingegen gleich mehrfach vertreten und warnte vor einem Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, wenn an den Befristungen im Postdoc-Bereich gerüttelt und die Tarifsperre gelockert werde. Genau dieser Wettbewerbsgedanke war beim GEW-Meeting am Vortag scharf kritisiert worden, zugespitzt zu der Frage: „Ist die Wissenschaftsfreiheit überhaupt vereinbar mit Wettbewerb?“

Woher kommt die Angst vor Entfristung? (Chat-Beitrag)

Fluktuation sei nötig, sagte Anja Steinbeck von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), sonst habe die neue Generation keine Chance, weil keine Stellen frei werden. Otmar Wiestler von der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF) sprach sogar von einem „Frevel an der jungen Generation“. Im Chat wurde die Frage gestellt: „Woher kommt die Angst vor Entfristung?“ Und: „Warum wird nur den Postdocs vorgeworfen, dass sie das System verstopfen, nicht aber den Professor:innen?“

Die Postdoc-Phase ist keine Qualifizierungsphase – das sind gestandene Wissenschaftlerinnen und Wissenschafler. (Andreas Keller)

„Die Forderungen sind sehr sehr unterschiedlich“, fasste Brandenburg am Schluss zusammen. „Das lässt sich nicht leicht auflösen.“ Zum Beispiel bei der Frage, wie die Postdoc-Phase überhaupt zu verstehen ist. Ab dem Master sei eine Qualifizierungszeit von „mindestens zehn Jahren“ nötig, sagte Steinbeck, „kürzer auf keinen Fall“. „Die Postdoc-Phase ist keine Qualifizierungsphase“, widersprach Andreas Keller. „Das sind gestandene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.“ Zeitstellen solle es nur mit Entfristungszusagen geben, wie es die GEW letzten September in einen eigenen Gesetzentwurf geschrieben hat.

Allerdings gab es auch Statements, die über die verfahrene Diskussion hinauswiesen. Der Berliner Soziologe Steffen Mau, der als Vertreter von „#ProfsfürHanna“ eingeladen war, forderte ein „Gesamtpaket“ mit definierten Entfristungsquoten pro Universität auf Länderebene und neue Stellenprofile. Der Ökonom Rüdiger Bachmann, der aus den USA zugeschaltet war, plädierte dafür, Stellen zu befristen, aber nicht die Leute, die auf den Stellen sitzen. Wolfgang Wick vom Wissenschaftsrat sprach sich für eine Differenzierung aus: Dauerstellen für Postdocs mit geregelten Aufgaben, Befristungen hingegen für jene, die sich in den „Exzellenzwettbewerb“ begeben wollen.

Ob das Ministerium solche Vorschläge aufgreifen wird, um tatsächlich eine große Reform zu schaffen? Das hat Jens Brandenburg offen gelassen.