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Die PBL reagieren auf #IchBinHanna

„Das System gerät aus der Balance“

„Mit großer Sorge“ erfüllen Befristungswildwuchs und Druck auf die Beschäftigten die Personal- und Betriebsräte der Forschungsinstitute der Leibniz-Gemeinschaft (PBL). Ein GEW-Seminar gab den Anstoß für eine Stellungnahme.

Permanent jobs for permanent tasks – GEW action at the Berlin Brandenburg Gate 2015 (Foto: Kay Herschelmann)

„Der Wissenschaftsbetrieb gerät mehr und mehr aus der Balance“ – mit solch deutlichen Worten haben die Personal- und Betriebsräte der Leibniz-Gemeinschaft (PBL) auf das Thema #IchBinHanna reagiert. In einer Stellungnahme konfrontieren sie Bund, Länder und die Leibniz-Gemeinschaft als ihren Arbeitgeber mit konkreten Forderungen.

„Die Beschäftigtenvertretungen haben eine kluge Analyse und ein differenziertes Forderungspapier vorgelegt.“ (Andreas Keller)

„Die Beschäftigtenvertretungen haben eine kluge Analyse und ein differenziertes Forderungspapier vorgelegt“, sagte Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender und Vorstandsmitglied für Hochschule und Forschung der GEW. „Die GEW erwartet von Bund und Ländern, sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen und ihrer Verantwortung als Gesetz- und Geldgeber gerecht zu werden.“

Risiko- und Innovationsfreude werden erstickt

Die Personalvertretungen prangern in ihrem Papier die übersteigerte Ausrichtung des Wissenschaftsbetriebs an Leitbegriffen wie „Fluktuation“, „Dynamik“ und „Innovation“ an und kommen zu dem Schluss, dass „der Erfolgs- und Konkurrenzdruck, der auf diese Weise entsteht, Innovation eher hemmt als fördert“ und dazu führen kann, „dass die Leitlinien der guten wissenschaftlichen Praxis nicht immer eingehalten werden“.

Aufgrund des permanenten Personalwechsels gehe Wissen verloren, Personalressourcen würden für das Schreiben von Forschungsanträgen verschwendet, die in überwiegender Anzahl nicht bewilligt werden, hohe Befristungsquoten verstärkten Abhängigkeiten, erstickten Risiko- und Innovationsfreude und verstärkten vorhandene Diskriminierungsmuster.

Die Stellungnahme mündet in einem ausführlichen Forderungskatalog, u.a.:

  • Vollzeitstellen in der Promotion
  • sozialversicherungspflichtige Arbeitsverträge statt Stipendien
  • Stabile und verlässliche Grundfinanzierung oder
  • Dauerstellen nach der Promotion als Regelfall.

Damit greifen die PBL zentrale Reformvorschläge der GEW auf, wie sie diese zuletzt in der Petition „Dauerstellen für Daueraufgaben“ formuliert hat, und die auch in der #IchBinHanna-Bewegung eine große Rolle spielen. Unter diesem Hashtag wird auf Twitter über prekäre Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft debattiert.

Diskriminierung bekämpfen

Besonders schwer wiege aus der Perspektive der Beschäftigten, dass die bestehenden Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft Diskriminierungen erzeugen und verstärken. Prekäre Beschäftigungsbedingungen könnten sich – unabhängig von der individuellen wissenschaftlichen Kompetenz – nicht alle gleich gut leisten und nicht alle gleich gut aushalten, führen die Personal- und Betriebsräte in ihrer Stellungnahme aus.

„Es ist ein starkes Signal, dass die Personal- und Betriebsräte ihre Stimme erheben und so den Druck auf die Arbeitgeber sowie auf Bund und Länder erhöhen.“ (Andreas Keller)

„Es ist ein starkes Signal, dass die Personal- und Betriebsräte ihre Stimme erheben und so den Druck auf die Arbeitgeber sowie auf Bund und Länder erhöhen, für Dauerstellen für Daueraufgaben und verlässliche Karrierewege in der Forschung zu sorgen. Es kommt zur rechten Zeit: Die Ampel-Koalition hat bereits angekündigt, die überfällige Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes in Angriff zu nehmen“, sagte GEW Vize Andreas Keller.

Leibniz-Gemeinschaft selbst leidgeprüft

Die Personal- und Betriebsräte wissen sehr genau, wovon sie reden: Sie sind die Stimme der rund 20.500 Beschäftigten in dem überwiegend von Bund und Ländern finanzierten Verbund von 97 Forschungsinstituten. Etwas mehr als die Hälfte der Beschäftigten sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Niemand weiß so gut wie sie, wie es um die Beschäftigungsbedingungen in den Leibniz-Instituten bestellt ist, ihre Stimme hat Gewicht.

Zudem weist die Leibniz-Gemeinschaft mit 78 Prozent die höchste Befristungsquote beim wissenschaftlichen Personal auf – verglichen mit den anderen Verbünden außeruniversitärer Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft und Max-Planck-Gesellschaft.

Ausgearbeitet hat das Papier eine Arbeitsgruppe, die auf dem letzten GEW-Qualifizierungsseminar für die Personal- und Betriebsräte der Leibniz-Gemeinschaft im September letzten Jahres eingesetzt wurde.