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Mangel an Lehrkräften

Große Engpässe in den Grundschulen

Der Lehrkräftemangel zeigt sich besonders an Grundschulen – allerorten sind Kollegien nicht komplett besetzt und überlastet. Darunter leidet die Betreuung der jüngsten Schülerinnen und Schüler. Ein Ausweg ist: eine bessere Bezahlung der Lehrkräfte.

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Viele Bundesländer melden einen enormen Bedarf an Lehrkräften in der Primarstufe. (Foto: GEW/Shutterstock)

Mike Litschko ist GEW-Kreisvorsitzender, Bezirkspersonalrat und Leiter von zwei Grundschulen im Harz – er muss Tag für Tag die Misere des Lehrkräftemangels hautnah erleben. „Überall fehlen Kolleginnen und Kollegen, Unterricht fällt aus“, erzählt er. „Wir schaffen es nicht mal, dass an allen Grundschulen vor jeder Klasse eine Klassenleiterin oder ein Klassenleiter steht.“ Er kenne eine Schule, an der allein im Dezember vergangenen Jahres mehr als 150 Stunden nicht regulär unterrichtet werden konnten. Immer wieder müssten Klassen zusammengelegt werden, in denen dann bis zu 35 Kinder sitzen. Individuelle Förderung und gute Beziehungsarbeit? Fehlanzeige. „Wir brauchen alle verfügbaren Kräfte, um überhaupt unsere Öffnungszeiten abzudecken“, sagt Litschko. Die Kollegien seien völlig überlastet.

Die Lage in vielen Einrichtungen in Sachsen-Anhalt und ganz Deutschland ist ähnlich: Grundschulen sind angesichts steigender Schülerzahlen und wachsender Anforderungen zum Sorgenkind geworden. In Sachsen-Anhalt etwa ist nach Zahlen des Bildungsministeriums in Magdeburg zu Beginn des Schuljahres fast jede zehnte Stunde ausgefallen. Die Unterrichtsversorgung habe zuletzt bei 92 Prozent gelegen – durchschnittlich. Kolleginnen und Kollegen der GEW haben jüngst mit einer Mauer aus Umzugskartons vor dem Magdeburger Landtag protestiert. Mit dem Slogan „JA 13“ fordern sie, dass Lehrkräfte nach Entgeltgruppe E13 (Angestellte) oder nach A13 (Beamte und Beamtinnen) bezahlt werden, wie es in vielen anderen Bundesländern mittlerweile üblich ist.

„Wenn die Landesregierung nicht endlich tätig wird, sind unsere Schulen bald leer.“ (Eva Gerth)

„Grundschullehrkräfte haben in Sachsen-Anhalt die höchste Unterrichtsverpflichtung und verdienen eine bessere Bezahlung“, sagt GEW-Landeschefin Eva Gerth. Einige würden inzwischen ihre Umzugskartons packen, um in einem besser zahlenden Nachbarbundesland zu arbeiten. „Wenn die Landesregierung nicht endlich tätig wird, sind unsere Schulen bald leer“, warnt Gerth.

Auch viele andere Bundesländer melden enormen Bedarf in der Primarstufe. In Sachsen, hier erhebt die GEW regelmäßig die Zahl fehlender Kolleginnen und Kollegen, sind von knapp 8.500 Vollzeitstellen für Grundschullehrkräfte aktuell 492 nicht besetzt. Bundesweite Daten werden jedoch nicht erhoben. Doch selbst die Kultusministerkonferenz (KMK) schrieb in einer Veröffentlichung vom März 2022: „Bei den Lehrämtern der Grundschule zeigen sich zum Teil große Engpässe.“ Die Situation sei bis 2025 „sehr angespannt“, erst in den Folgejahren bis 2035 trete wieder „etwas Entspannung“ ein.

„Die Politik verschließt die Augen vor den Problemen.“ (Anja Bensinger-Stolze)

„Die KMK hat sich total verschätzt und ist von viel zu niedrigen Schülerzahlen ausgegangen“, sagt Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandsmitglied für den Schulbereich. Davon seien Grundschulen jetzt härter betroffen als andere Schulformen. Die Politik habe sie jahrelang nicht angemessen unterstützt und nicht genügend in Personal investiert. Dabei sei die Belastung der Kollegien nicht nur in sozial benachteiligten und in Regionen mit sehr großen Klassen besonders hoch. „Diese geringe Wertschätzung rächt sich jetzt“, sagt Bensinger-Stolze. „Wir brauchen endlich bundesweit eine Bezahlung der Grundschullehrkräfte nach A13 und E13.“ Außerdem sei es unverständlich, dass an vielen Unis immer noch ein Numerus clausus den Zugang zum Lehramtsstudium regele und damit erschwere. „Die Politik“, sagt Bensinger-Stolze, „verschließt die Augen vor den Problemen.“