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GEW gegen Lebensarbeitszeitverlängerung

Die Lebensarbeitszeitverlängerung für Beamtinnen und Beamte in Rheinland-Pfalz ist aus Sicht der GEW ein Lehrstück falscher politischer Entscheidungen! Die Entscheidung des rheinland-pfälzischen Kabinetts vom 11.06.14, die Lebensarbeitszeit von Beamtinnen und Beamten in Rheinland-Pfalz zu verlängern, hat DGB und GEW inhaltlich nicht überrascht.

Diese Maßnahme war schon im Koalitionsvertrag angekündigt und deren Umsetzung wurde durch die Verabschiedung des Doppelhaushalts 2014/15 angebahnt. Jedoch blieb unklar, in welcher Art die Umsetzung erfolgen soll.

Die Gewerkschaften hatten von Ministerpräsidentin Malu Dreyer erwartet, dass mit ihnen vor Erstellung eines Gesetzentwurfs zumindest über Detailfragen verhandelt wird. Leider wurden unsere Erwartungen massiv enttäuscht. Die Art und Weise, wie nun zum wiederholten Male mit den Beamtinnen und Beamten umgegangen wird, hat die Gewerkschaften in höchstem Maße verärgert. „Verhandeln statt Verordnen“ als ein demokratisches Selbstverständnis spielt für die Landesregierung in Rheinland-Pfalz offensichtlich keine Rolle. Nach Gutsherrenart wird von oben herab festgesetzt, was mit den Beamtinnen und Beamten geschehen soll. Dabei sind die Bedürfnisse der Betroffenen offenbar nicht von Bedeutung. Als oberste Priorität wird immer wieder die Haushaltskonsolidierung vorgeschoben. Ob ältere Lehrkräfte auf der Strecke bleiben oder jüngere keine Einstellungsperspektive haben, tritt dabei in den Hintergrund.

Die Erhöhung der Lebensarbeitszeit ist aus Sicht der Gewerkschaften eine grundsätzlich falsche politische Entscheidung! Selbst wenn die Lehrkräfte in Rheinland-Pfalz „nur“ bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres arbeiten müssen, und nicht bis zur Vollendung des 67. Lebensjahrs, wie andere Beamtinnen und Beamten, ist diese Entscheidung schlicht kontraproduktiv. Lehrkräfte sind Zeit ihres Berufslebens stets einer hohen physischen und psychischen Belastung ausgesetzt, ein Grund, weswegen Viele das Pensionsalter gar nicht mehr erreichen. Zudem wird erkennbar, dass die vorgesehene Regelung bei Lehrkräften zu Ungerechtigkeiten führen wird, weil z.B. Lehrkräfte der Jahrgänge 1953 bis 1958 länger arbeiten müssen als die anderen Landesbeamtinnen dieser Jahrgänge. Wir haben bereits das Problem benannt und warten auf eine Reaktion des Innenministeriums. Wenn die Landesregierung nicht einlenkt, werden wir uns zur Wehr setzen.
Der Sparzwang - durch die Verpflichtung zur Einhaltung der Schuldengrenze - verhindert vernünftige Perspektiven sozialer Verantwortung gegenüber den älteren Kolleginnen und Kollegen und einer Gesellschaft, die insgesamt immer älter wird. Statt Modelle zu entwickeln, um den Kolleginnen und Kollegen zu ermöglichen, überhaupt das bisher geltende Pensionsalter erreichen zu können, erhöht man deren Lebensarbeitszeit. So fallen wichtige Gestaltungsaspekte wie Altersermäßigung, Aspekte der Arbeitszeitreduzierung und alternative Arbeitszeitmodelle unter den Tisch und finden keine Beachtung. Darüber hätte die Landesregierung mit den Gewerkschaften Gespräche führen müssen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Verärgerung und Frustration der verbeamteten Kolleginnen und Kollegen immer mehr zunimmt. Und es ist kein Wunder, dass sich die Mehrheit von ihnen nicht mehr so behandeln lassen möchte.
Die GEW hat letztes Jahr richtig entschieden, die Beamtinnen und Beamte zum Streik gegen das Besoldungsdiktat der Landesregierung aufzurufen. Dass dieses Menschenrecht auch für die verbeamteten Lehrkräfte in Deutschland gelten muss, dürfte mittlerweile wohl Jeder und Jedem klar geworden sein, es sei denn, man ist mit der Behandlung nach Gutsherrenart durch den Dienstherrn einverstanden. Das aktuelle Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum BeamtInnenstreik unterstützt unsere Auffassung und macht uns Mut, hierfür weiter zu kämpfen. In diesem vielbeachteten Urteil vom 27.02.2014 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zwar den Streik von Beamtinnen und Beamten nach deutschem Verfassungsrecht für (noch) nicht zulässig erklärt. Gleichzeitig stellten die Richter jedoch fest, dass dieses Verbot gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt und in Deutschland entsprechende gesetzliche Regelungen getroffen werden müssen, um das Streikrecht für Lehrkräfte zu gewährleisten. Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Und wir brauchen dieses Recht, damit Beamtinnen und Beamte nicht weiter von wichtigen sie betreffenden Entscheidungen abgehängt werden, wie dies seit 2012 bei der Besoldung der Fall ist und nun bei der Frage der Lebensarbeitszeit fortgesetzt werden soll.

Nach dem Vorlagebeschluss des VG Koblenz an das Bundesverfassungsgericht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Ein-Prozent-Besoldungsdiktats und einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Nordrhein-Westfalen vom Juli 2014 zum insoweit vergleichbaren NRW-Besoldungsgesetz ist es keine Kunst mehr vorauszusagen, dass die Landesregierung mit ihrer Sparpolitik gegenüber den Landesbeamtinnen und –beamten Schiffbruch erleiden wird. Wir müssen den verantwortlichen Politikern deutlich machen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es mit einer Politik nach dem Motto, „wen kann ich am leichtesten und ohne Widerstand befürchten zu müssen schröpfen“, ein Ende haben muss, und zwar gleichgültig, ob es um Fragen der Besoldung oder um Arbeitsbedingungen geht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
vieles ist zurzeit im Fluss. Wir werden versuchen mit Hilfe des DGB in der Frage der Lebensarbeitszeitverlängerung Änderungen zu erwirken, so z.B. den Zeitpunkt der Pensionierung, der aus unserer Sicht schulhalbjährlich sein sollte und nicht zum Ende des Schuljahres. Auch möchten wir, wie schon erwähnt, darauf einwirken, dass die ungerechte Regelung bezogen auf die Jahrgänge 1953 bis 1958 verschwindet. Wir setzen uns zudem für wichtige Gestaltungsaspekte einer lebensphasenorientierten Personalpolitik, wie z.B. Altersermäßigung, Aspekte der Arbeitszeitreduzierung und alternative Arbeitszeitmodelle ein.

Unsere Minitserpräsidentin Malu Dreyer unterschrieb dieser Tage eine Vereinbarung bezüglich „Fachkräftesicherung“. In dieser Vereinbarung werden Unternehmen darauf hingewiesen, in ihrer Rolle als Arbeitgeber auf die Interessen und Bedürfnisse ihrer Beschäftigten einzugehen und über deren Erfüllung bzw. Entsprechung Attraktivität zu entfalten und dauerhaft aufrecht zu erhalten, und sich dadurch als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Ein weiterer Teil der Vereinbarung ist, dass die ArbeitgerberInnen auch Sorge tragen, hemmend wirkende Rahmenbedingungen abzubauen. Ein integraler Bestandteil einer attraktiven Unternehmenskultur ist eine lebensphasenorientierte Personalpolitik. Dies beinhaltet auch die strategisch verankerte Wertschätzung der Vielfalt der Beschäftigten. Weiter heißt es, dass es Ziel der Partner des Ovalen Tisches sei, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Beschäftigten erlauben, ihre Motivation, Qualifikation und Gesundheit über alle Lebens- und Berufsphasen hinweg in Einklang mit den betrieblichen Belangen zu bringen.
Soweit zur Vereinbarung. Wieso, soll dies für Kolleginnen und Kollegen im Schuldienst keine Rolle spielen?

Was die Frage der BeamtenInnenbesoldung angeht, ist die Landesregierung am Zuge. Wir werden darauf einwirken, dass konkrete Aussagen getroffen werden und wir nicht mit leeren Versprechungen abgespeist werden. Ihr könnt euch auch diesbezüglich einmischen und Kontakt mit euren Landtagsabgeordneten aufnehmen und sie danach fragen, wie sie sich in dieser Sache für euch einsetzen wollen. Denn jeder Tropfen höhlt den Stein und nur gemeinsam erreichen wir mehr.

Damit in der Sommerpause das wichtige Thema „Verlängerung der Lebensarbeitszeit“ nicht in Vergessenheit gerät und um unsere Forderungen aktiv zu unterstreichen, möchten wir euch bitten, euch an unserer Unterschriftenaktion zu beteiligen.
Sprecht so viele Kolleginnen und Kollegen an, dass sie unterschreiben, denn es ist sehr wichtig, dass wir auch hier deutlich unseren Unmut zu erkennen geben und schickt die Liste so schnell es geht, möglichst bis Mitte September an uns zurück. Sie ist auch auf unserer Homepage zu finden und entsprechend runterzuladen.
Die Liste findet ihr im Anhang dieses Schreibens.
Wir wünschen euch schöne und vor allem erholsame Sommerferien.
Solidarische Grüße
 
Klaus-Peter Hammer (Foto rechts)