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Lehrkräftemangel

„Man muss grundsätzlicher an das Problem ran“

Das Schulsystem steht vor einer Mammutaufgabe: Es fehlen Lehrkräfte. Dass einige Bundesländer engagiere Lehrerinnen und Lehrer in die Sommerferienarbeitslosigkeit schickt, ist nur eines von vielen Probleme.

Überall fehlen Lehrkräfte. Wenn nicht jetzt, dann sicher in fünf bis sechs Jahren.

Während in Bayern gerade die Sommerferien beginnen, startet in der kommenden Woche mit Nordrhein-Westfalen das erste Bundesland in das neue Schuljahr. Doch es gibt ein Problem – genau genommen Tausende: In den kommenden fünf bis sechs Jahren werden rund 250.000 Beschäftigte in den Schulen fehlen, viele davon Lehrerinnen und Lehrer. Dieses düstere Bild zeichnet der im Juni veröffentlichte „Nationale Bildungsbericht 2022“. Gleichzeitig schicken landauf, landab Kultusministerien viele ihrer angestellten Lehrkräfte in den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit. In Baden-Württemberg ist das Problem am größten. Zwischen 8.000 und 9.000 Lehrkräfte, rechnet der GEW Landesverband Baden-Württemberg, hat die Landesregierung letzte Woche in die Sommerferienarbeitslosigkeit geschickt. Als Zeichen „mangelnder Wertschätzung“, empfinden dass die Kolleginnen und Kollege aus der pädagogischen Praxis.

Die mangelnde Wertschätzung empfinden viele Kolleginnen und Kollegen in den Schulen. Das sieht auch  Daniel Merbitz, GEW-Experte für Tarif- und Beamtenpolitik, so. „Der Lehrkräftemangel wird derzeit auf dem Rücken der engagierten Kolleginnen und Kollegen an den Schulen ausgetragen. Allein auf die hohe Identifikation mit ihrer Arbeit und damit auf Selbstausbeutung zu setzen, ist verantwortungslos. Eine Dauerüberlastung der Lehrkräfte, die täglich vor der Schulklasse stehen, ist keine Werbung für einen der schönsten Berufe der Welt,“ sagt er mit Blick auf die tausenden arbeitslosen angestellten Lehrkräfte. Es gehe jetzt darum, die Ursachen des Lehrkräftemangels zu bekämpfen, damit das Schulsystem nicht wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt.

„Was wir brauchen sind weniger Pflichtstunden und kleinere Klassen.“ (Daniel Merbitz)

„Man muss grundsätzlicher an das Problem ran. Wenn die Politik nun sagt, dass wir die Arbeitszeit nicht senken können, weil wir keine Lehrkräfte haben, dann sage ich, dass genau andersherum ein Schuh daraus wird: Mit abschreckenden Arbeitsbedingungen kann man nicht locken! Die Arbeitsbedingungen der Lehrerinnen und Lehrer müssen dringend verbessert werden. Was wir brauchen sind weniger Pflichtstunden und kleinere Klassen.“ Gleichzeitig müssen die die Schulen sich differenzierter aufstellen. „Wir brauchen mehr Fachkräfte, die nicht-pädagogische Arbeiten übernehmen, um Lehrkräfte von administrativen Aufgaben oder IT-Betreuung zu entlasten. Dadurch gewinnen sie mehr Zeit und Energie für die wichtige pädagogische Arbeit. Auch die Hochschulen müssen helfen, indem sie die Ausbildungskapazitäten sofort hochfahren.“

„Das wird Signalwirkung auf andere Bundesländer haben.“ (Daniel Meritz)

Auch die Bezahlung von Lehrkräften müsse sich verbessern, argumentiert das GEW-Vorstandsmitglied Merbitz. Dass in vielen Bundesländern nun Lehrkräfte an Grundschulen endlich mit A 13 besoldet werden, so wie Lehrkräfte an alle anderen Schulformen auch, sei längst überfällig. „Das ist ein großer Erfolg der GEW. Das sich jetzt auch das große Bundesland Nordrhein-Westfalen auf den Weg machen will, ist ein wichtiger Schritt. Das wird Signalwirkung auf andere Bundesländer haben.“ Alle Lehrämter mit einer akademischen Ausbildung müssten bundesweit dem höheren Dienst zugeordnet werden, so Merbitz. Mittlerweile geht die Hälfte der Länder diesen Weg. Auch der Süden der Republik werde irgendwann nicht mehr anders können, prognostiziert Merbitz.