Ganztag
Schulgemeinschaften nicht im Regen stehen lassen
Der Ausbau der Ganztagsschulen ist ein zentrales bildungspolitisches Vorhaben in Deutschland, das weit über die bloße Schaffung zusätzlicher Betreuungsplätze hinausgeht. Die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz für Grundschulkinder bis 2026 stellt Länder, Kommunen und die gesamten Schulgemeinschaften vor enorme Herausforderungen. Neben infrastrukturellen Maßnahmen und der Bereitstellung personeller Ressourcen geht es vor allem um die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Bildung, die allen Kindern gleiche Chancen auf Bildung und Teilhabe bietet. Doch bisher hapert es an vielen Stellen – von der Finanzierung über die personelle Ausstattung bis hin zur organisatorischen Umsetzung.
Als GEW sehen wir dringenden Handlungsbedarf und fordern Unterstützung auf allen Ebenen. Insbesondere die Kommunen dürfen nicht im Regen stehen gelassen werden. Ihnen kommt eine entscheidende Rolle beim Ausbau der Infrastruktur zu, da sie in ihrer Funktion als Schulträger für die Bereitstellung der notwendigen Räumlichkeiten verantwortlich sind. Überall in Rheinland-Pfalz haben sich bereits in der Planung Verzögerungen und Hindernisse ergeben und ohne ein entschlossenes Handeln wird es nicht zu schaffen sein, die Nachfrage nach Ganztagsplätzen zu decken. Der Vorstoß der Ministerpräsident:innen, eine Verlängerung der Fristen des Ganztagsfinanzhilfegesetzes (GaFinHG) des Bundes um zwei Jahre bis Ende 2028 zu fordern, ist zwar ein wichtiger Schritt, jedoch kein Freifahrtschein. Vielmehr braucht es jetzt konkrete Investitionen, um den dringend benötigten Ausbau der Ganztagsbetreuung voranzutreiben, und eine Entbürokratisierung bei der Umsetzung der baulichen Voraussetzungen.
Neben der Infrastruktur wird aber vor allem die personelle Ausstattung ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Ganztags sein. Schon jetzt fehlen Fachkräfte, und die Arbeitsbedingungen in Bildungseinrichtungen sind vielerorts unzureichend. Für die Durchführung eines funktionierenden Ganztags bedarf es multiprofessioneller Teams, die eng abgestimmt miteinander agieren, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. Hier ist auch die Politik gefordert: Lehrkräfte müssen in den Ganztagsbetrieb eingebunden und entsprechend qualifiziert werden. Ohne eine ausreichende personelle und finanzielle Ausstattung kann es keinen nachhaltigen und qualitativ hochwertigen Ganztag geben. Daher ist es umso weniger nachzuvollziehen, dass sich Rheinland-Pfalz noch immer nicht auf den Weg zu A13 für alle Lehrkräfte macht. Dabei müssen bereits jetzt Planstellenbesetzungen verschoben werden und einzelne Regionen rutschen in die Mangelversorgung – knapp zwei Jahre vor dem Rechtsanspruch. Ein unhaltbarer Zustand, den wir nicht müde werden zu benennen.
Ein weiteres zentrales Anliegen von uns als Bildungsgewerkschaft ist die Sicherstellung der pädagogischen Qualität im Ganztag. Es reicht nicht, Kinder lediglich am Nachmittag zu betreuen – es bedarf eines integrativen pädagogischen Konzeptes, das Vormittags- und Nachmittagsangebote miteinander verzahnt. Nur so kann der Ganztag seinem Anspruch gerecht werden, Bildungsgerechtigkeit zu fördern und allen Kindern, unabhängig von ihrer sozialen und ökonomischen Herkunft, gleiche Chancen auf Bildung und Entwicklung zu ermöglichen. Die gebundene Ganztagsschule, bei der Unterricht und Freizeitangebote eng miteinander verknüpft sind, stellt hierfür das vielversprechendste Modell dar. Sie schafft Raum für individuelles Lernen und eine gezielte Förderung der Kinder.
Zwingende Voraussetzung für das Gelingen ist eine ausreichende Personalisierung. Fehlende personelle Ressourcen, mangelnde Zeit für die Entwicklung ganzheitlicher Konzepte und unzureichende räumliche Ausstattung erschweren den Schulalltag erheblich.
Die multiprofessionelle Zusammenarbeit ist ein Schlüssel zum Erfolg des Ganztags. Nur durch eine enge Kooperation von Lehrkräften, sozialpädagogischen Beschäftigten und weiteren Fachkräften können die vielfältigen Aufgaben des Ganztags bewältigt werden. Dies erfordert jedoch auch strukturelle Anpassungen, wie etwa gemeinsame Fortbildungen und eine systematische Kooperation zwischen den beteiligten Professionen.
Der Ausbau der Ganztagsschulen bietet eine große Chance, die Bildungsgerechtigkeit in Deutschland zu fördern. Doch er stellt auch eine enorme Herausforderung dar, die nur durch ein gemeinsames, entschlossenes Handeln aller Akteure bewältigt werden kann.
Wir appellieren an die politisch Verantwortlichen, die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur, die personelle Ausstattung und die pädagogische Qualität zu tätigen. Nur so kann der Ganztag zu einem Erfolgsmodell werden, das allen Kindern gleiche Chancen auf Bildung und Teilhabe ermöglicht.