Mit dem neuen Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) vom 6. März 2016 sollten Missstände aus der Anwendung des alten WissZeitVG beseitigt werden, die sich in der praktischen Umsetzung ergeben haben. So hat die Zahl der Befristungen erheblich zugenommen, die Laufzeit der Verträge hat sich zudem immer weiter verkürzt. 53% der Verträge der wissenschaftlichen Mitarbeiter haben eine Laufzeit von unter einem Jahr, nur 11% eine Laufzeit von mehr als zwei Jahren.1
Mit der Novellierung des WissZeitVG soll insbesondere dieser Zustand korrigiert werden. Die Vertragslaufzeit kann jetzt nicht mehr beliebig und sachgrundlos befristet werden, sondern wird an ein Qualifizierungsziel gekoppelt. Damit ist eine sachgrundlose Befristung nach dem WissZeitVG nicht mehr möglich, allerdings weiterhin nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).
Jetzt muss bei jedem Vertragsschluss ein Qualifizierungsziel genannt werden. Zudem muss das Qualifizierungsziel genau definiert sein, das Qualifizierungsziel muss strukturiert erreichbar sein und ferner muss es zertifiziert bzw. belegbar sein. Das bedeutet, eine allgemeine Fort- oder Weiterbildung ist als Begründung für eine Befristung nicht möglich. Für wissenschaftliche Mitarbeiter, die im Anschluss ihres Studiums beschäftigt werden wollen, ist das Qualifikationsziel in der Regel die Promotion. Die Laufzeit muss zudem zur Erreichung des Qualifikationsziels angemessen sein. Leider gibt das Gesetz keine nähren Vorgaben vor und bleibt an dieser Stelle schwammig. Bei Promotionen kann dies die „übliche“ Dauer im jeweiligen Fachgebiet sein. Hier kann i.d.R. ein Zeitrahmen von 3-5 Jahren angenommen werden. Dennoch ist ungeklärt, wann eine Promotion beginnt und wann sie endet. Dies ist in den Ländern oder Hochschulen unterschiedlich geregelt (Tag der Prüfung, Ausstellung der Urkunde).
Beschäftigung auf Drittmittelstellen
Neben der Qualifizierung als Befristungsgrund können wissenschaftliche Mitarbeiter auch befristet auf so genannte Drittmittelstellen eingestellt werden. Drittmittel sind finanzielle Ressourcen, die nicht im Landeshaushalt für den regulären Hochschulbetrieb zur Verfügung gestellt werden, sondern von „Dritten“ bereitgestellt werden. Dies sind zum einen die öffentlichen Forschungsförderer wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG, oder andere Stiftungen (Volkswagenstiftung, private Stiftungen), aber auch Mittel aus Bundes- und Landeshaushalten, die direkt projektbezogen sind. Weitere Drittmittel können aus privaten Quellen kommen wie Unternehmen, Industrie oder Verbänden. Letztere spielen in den Ingenieurswissenschaften eine nicht unerhebliche Rolle.
Beschäftigte auf Drittmittelstellen müssen nun über die gesamte Laufzeit des aus den Drittmitteln geförderten Projektes eingestellt werden. Die meisten dieser aus Drittmitteln finanzierten Projekte haben eine Laufzeit von 2-3 Jahren. Die Anzahl von Drittmittelverträgen ist nicht begrenzt, d.h. man kann auf Drittmitteln sein ganzes berufliches Leben verbringen – im Gegensatz zu den Qualifikationsstellen: diese sind auf maximal 6 Jahre vor der Promotion und 6 Jahre nach der Promotion begrenzt, in der Medizin in der zweiten Phase auf maximal 9 Jahre.
Aber Achtung: Drittmittelzeiten werden auf die jeweiligen Höchstgrenzen der Qualifizierung (6+6 Jahre) angerechnet. Hat man zuvor auf einer Drittmittelstelle drei Jahre gearbeitet, so ist eine Qualifizierungsstelle vor der Promotion nur noch für drei Jahre möglich. Die Möglichkeit der Verlängerung jenseits der 6+6 Regelung ist durch die Berücksichtigung einer familienpolitischen Komponente gegeben (zusätzlich um zwei Jahre pro Kind unter 18 Jahren im eigenen Haushalt), eine „behindertenpolitische“ Komponente, die eine Verlängerung um zwei Jahre ermöglicht, ist nur mit der Zustimmung des Arbeitgebers möglich.
Verbesserung, auch wenn nicht alles Wünschenswerte umgesetzt ist
Alles in allem ist die Neuregelung im WissZeitVG eine Verbesserung gegenüber der alten Regelung, auch wenn bei weitem nicht alles Wünschenswerte umgesetzt ist wie z.B. eine Mindestvertragslaufzeit. Vieles ist derart schwammig formuliert, dass im Zweifelsfall Gerichte Unklarheiten beseitigen müssen. Aus gewerkschaftlicher Sicht ist eindeutig die Herausnahme der nichtwissenschaftlich Beschäftigten (technische Mitarbeiter, Verwaltungsmitarbeiter) aus dem WissZeitVG ein Fortschritt. Diese können nicht mehr im Rahmen von Drittmittelfinanzierung befristet beschäftigt werden, eine Befristung im Rahmen des allgemeinen Teilzeit- und Befristungsgesetz bleibt aber möglich.
Wesentlich weniger wurde allerdings für die Post-doc-Phase erreicht. Wie bisher gilt auch für die Phase nach der Promotion eine Sechsjahresfrist (9 in der Medizin). Hier sind die Qualifizierungsziele zudem wesentlich vielfältiger als vor Abschluss der Promotion. Primär seht hier im Fokus die „Erlangung der Berufungsfähigkeit“, d.h. die Habilitation oder der Erwerb habilitationsäquivalenter Leistungen. Aber auch weitere Qualifikationen sind denkbar wie Erwerb von Kenntnissen in der Lehre, Erwerb von Kenntnissen/Fähigkeiten in der Drittmittelaquise/-Forschung. Während für den Erwerb der Habilitation/habilitationsäquivalenter Leistungen Verträge über bis zu 6 Jahre abgeschlossen werden können (vergleichbar der Juniorprofessur), erlauben die übrigen Qualifikationsziele wesentlich kürzere Laufzeiten. Hier muss sich zeigen, ob und inwieweit Missbrauchsmöglichkeiten genutzt werden, um möglichst Kurzfristverträge abzuschließen. Hinsichtlich der Planbarkeit der beruflichen Perspektive hat sich für die Post-docs keine Besserung ergeben. Nach wie vor endet die wissenschaftliche Laufbahn nach i.d.R. 12 Jahren, wenn kein Ruf auf eine Professur erfolgt oder sich weitere befristete Stellen aus Drittmitteln ergeben. Auch die zunehmenden beruflichen Perspektiven im Wissenschaftsmanagementbereich sind zumeist befristet, teilweise als wissenschaftliche Mitarbeiter und dann gilt die 6+6 Jahres Regelung.