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Jugendhilfe braucht mehr öffentliche Wahrnehmung und größere Wertschätzung

Aktuelle Erfahrungsberichte von Beschäftigten in der Jugendhilfe zeigen zweierlei. Es wächst die Sorge, dass prekäre Beschäftigung in diesem Arbeitsfeld weiter zunimmt. Und: Das Image der Jugendhilfe leidet, sodass Fachkräfte teilweise nur schwer gewonnen werden können. Eine Diskussion, die im GEW Bezirk Koblenz über die Arbeitssituation in der Jugendhilfe geführt wurde, bietet auch eine Antwort auf einen Leserbrief von Georg Büttler aus Worms, der in der Ausgabe der GEW Zeitung 11/12 schrieb: „Was in der Kinder- und Jugendhilfe los ist, steht vornehmlich im SGB VIII und in den §§ 1666 und 1666a des BGB.“

Maria Schäfer, Erzieherin und Soziologin B.A., ist Mitglied im GEW-Kreisvorstand Koblenz-Mayen

„Es fehlt nicht an gesetzlichen Grundlagen, die einen Rechtanspruch auf Hilfe und rechtliche Rahmenbedingungen für Qualität in der Arbeit festlegen, sondern an ausreichenden Kontrollen seitens der Behörden, ob die Vorgaben auch eingehalten werden.“, berichtete eine Fachkraft aus der Führungsebene eines mittelgroßen Jugendhilfeträgers. Stellenschlüssel würden nicht immer eingehalten, teilweise würden Fachkraftstellen mit Berufspraktikanten besetzt. Eine Lehrerin einer Fachschule für Sozialpädagogik berichtete, dass sich angehende Erzieherinnen und Erzieher immer häufiger gegen das Arbeitsfeld Jugendhilfe entscheiden. Als Grund dafür würde genannt, dass sie sich in ihren Praktika allein gelassen fühlten. Qualifizierte Anleitung fände nicht überall statt und häufig erfolge sogar ein Einsatz als Ersatzkraft für fehlendes Fachpersonal. Dies führt dazu, so die Lehrerin, dass das Arbeitsfeld Jugendhilfe, welches ebenso wie die Kindertageseinrichtungen schon heute unter Fachkräftemangel leidet, aus Sicht des Nachwuchses nicht genügend Attraktivität entwickelt.

Die Leiterin eines größeren Trägers für Hilfen zur Erziehung sieht einen Zusammenhang zwischen fehlenden Kontrollen der Aufsichtsbehörden und dem Unterlaufen geltender Rechtsbestimmungen. Herr Büttner empfiehlt in seinem Leserbrief: „Die Jugendhilfe muss sich aber auch selbst mehr wehren.“ Doch das Wehren und der Einsatz für gute Qualität haben Grenzen. Die Leiterin des Jugendhilfeträgers erkennt eine zunehmende Ökonomisierung in Verhandlungen zwischen Träger und Jugendamt. „Diese erinnern manchmal an das Handeln wie auf einem Basar. Dort muss um jede Stunde für eine Familie gekämpft werden.“, sagt sie.

Für Berufsanfänger, die kaum über Erfahrungen im Job verfügen, ist es offenbar besonders schwer, sich selbstbewusst und konsequent problematischen Entwicklungen entgegen zu stemmen. Wer riskiert als junger Mensch schon gerne einen Konflikt mit dem Arbeitgeber oder dem Jugendamt. Zum kritischen Mitdenken und solidarischen Zusammenhalt werden junge Erzieher und Erzieherinnen, sowie Sozialpädagogen und -pädagoginnen oftmals nicht ermutigt. Unter dem Druck von Wirtschaftlichkeit gilt es mit knappen Ressourcen auszukommen und bei fachlich gerechtfertigtem Mehrbedarf Grenzen der ökonomischen Machbarkeit nicht zu hinterfragen. Dies gilt natürlich nicht für alle Einrichtungen und Arbeitgeber, jedoch kommt es offensichtlich immer wieder vor.

„Bis 2030 werden ca. 350.000 Fachkräfte mehr im Sozialwesen … gebraucht als heute, damit wird für diese Branche die zweithöchste Wachstumsrate prognostiziert.“ (Quelle: LWL-Landesjugendamt Westfalen vom 11.10.2017). Vor dem Hintergrund dieser Prognose bekommt die Aussage eines Mitarbeiters einer stationären Jugendhilfeeinrichtung in Rheinland-Pfalz noch einmal besondere Bedeutung. Dieser sagt voraus, dass es immer schwerer wird Fachkräfte zu finden, die mit „Herzblut und Engagement“ dabei sind, sollte sich das Image der Jugendhilfe nicht endlich verbessern. Das Arbeitsfeld und dessen gesellschaftliche Bedeutung müssen stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. „Mehr öffentliche Wahrnehmung und größere Wertschätzung würden der Jugendhilfe gut tun.“

Die GEW wird sich weiterhin für die Kinder- und Jugendhilfe stark machen. Dabei kann sie nicht nur auf die Unterstützung der benachbarten sozialen Arbeitsfelder setzen. In der Zusammenarbeit mit Kitas und Schulen kann die enorme Bedeutung der Kinder- und Jugendhilfe noch deutlicher werden.

Maria Schäfer, Bezirksfachgruppe Sozialpädagogische Berufe Koblenz

Der Artikel erschien in der GEW-Zeitung 1/2018