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GEW-Vorsitzender Hammer sieht Schulen am Rande ihrer Leistungsfähigkeit

Die GEW Rheinland-Pfalz zieht zum Schuljahresende ein negatives Resümee und sieht bei einem „Weiter So“ das rheinland-pfälzische Schulsystem vor großen Problemen „Unsere Schulen können ihren Bildungsauftrag vielerorts schlicht nicht mehr erfüllen“, sagte Klaus-Peter Hammer, Vorsitzender der GEW Rheinland-Pfalz, heute vor der Presse.

 „Die Beschäftigten fühlen sich ausgebrannt und sie fühlen sich mit ihren Problemen vor Ort oft allein gelassen und in ihrer Arbeit nicht genügend unterstützt. Die in erheblichem Ausmaß gestiegenen Anforderungen im Schulbereich sind ohne eine grundsätzliche Neugestaltung der Rahmenbedingungen nicht zu stemmen.“

Die GEW fordert deshalb von der Landesregierung mehr konkrete Umsetzungsschritte zur Verbesserung der Situation an den Schulen aller Schularten durch die Bereitstellung von deutlich mehr Planstellen. Ein „Weiter So“ kann es nach Meinung des Landesvorsitzenden nicht mehr geben: „Es darf nicht mehr nach dem Motto gehandelt werden: ‚Knapp bemessen, wird schon reichen, die Schuldenbremse gibt halt nicht mehr her`.“

Nach Ansicht der GEW gehört zu einer „Guten Schule“ eine deutlich verbesserte Unterrichtsversorgung, die den Schulen den notwendigen Puffer gibt, um in bestimmten Situationen flexibel zu reagieren. Es müsse endlich sichergestellt werden, dass Ausfälle, beispielsweise aufgrund von Krankheiten, Fortbildungen und anderen Freistellungsregelungen, hundertprozentig aufgefangen werden können. Denn leider sei dies derzeit nicht der Fall und eine von der Landesregierung propagierte vermeintlich gute Unterrichtsversorgung nur auf dem Papier vorhanden.

In diesem Zusammenhang moniert die GEW, dass aufgrund mangelhafter Organisationsabläufe, auch weil seitens der Administration Personalmangel herrscht, Vertretungsverträge häufig viel zu spät geschlossen werden können. Eine Möglichkeit, kurzfristige Unterrichtsausfälle schnell und unkompliziert aufzufangen, bietet das Personalmanagement im Rahmen Erweiterter Selbstständigkeit von Schulen (PES). Allerdings wurden die hierzu zur Verfügung stehenden Mittel für PES seit Jahren nicht aufgestockt und reichen schon lange nicht mehr aus, um den tatsächlichen Bedarf zu decken.  

„Von der ADD fordern wir ein frühes und weitsichtiges Handeln“, so Hammer. „Es ist eine unhaltbare Situation, dass den Schulleiterinnen und Schulleitern am Ende des Schuljahres oft noch nicht mitgeteilt wird, mit welchem Personal sie nach den Ferien rechnen können.“ Ein großes Problem gibt es derzeit an den Grundschulen und den Förderschulen. Dort fehlen die notwendigen für die Schulart ausgebildeten Lehrkräfte, um die frei werdenden Planstellen zu besetzen.

Hinzu kommt, dass wiederholt einige Lehrkräfte in die benachbarten Bundesländer abwandern, weil sie dort schneller ein Stellenanbot erhalten. „Rheinland-Pfalz sollte dringend darüber nachdenken, das Einstellungsverfahren so zu ändern, dass jederzeit Planstellen vergeben werden können, um somit die Abwanderung von Lehrkräften zu verhindern.“

Dieses Fehlen von ausgebildeten Lehrkräften hat die Folge, dass Klassenleitungen nicht besetzt und hierdurch weniger Klassen gebildet werden können, was dazu führt, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Klassengrößen überschritten werden müssen, um die Schülerinnen und Schüler versorgen zu können“, so Klaus-Peter Hammer.

Besonders problematisch gestaltet sich zurzeit die Versorgung mit Förderschullehrkräften. Es zeichnet sich ab, dass im neuen Schuljahr aufgrund von Bewerberinnen- und Bewerbermangel erneut nicht alle Planstellen besetzt werden können. Selbst an den Studienseminaren sind nicht alle Ausbildungsplätze besetzt, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Situation sich künftig weiter verschlechtern wird. „Das Land propagiert eine erfolgreiche Umsetzung der Inklusion, doch in dem Bereich, der hierfür zuständig ist, fehlen ausgebildete Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte und Planstellen bleiben unbesetzt. Dies kann und darf nicht sein. Es wird endlich Zeit, mit gezielten und schnell wirkenden Maßnahmen eine Lösung zu finden. Leider hat die Landesregierung viel zu lang die Problematik negiert und nicht auf die Warnsignale gehört. Sie muss endlich handeln“, so der Landesvorsitzende weiter.

Die Berufsbildenden Schulen befürchten erneut einen Mangel an ausgebildeten Lehrkräften und erwarten daher eine schlechte Unterrichtsversorgung gerade an den Stellen, an denen auch Bedarf besteht. Wir fordern die Landesregierung auf, diesem seit Jahren bestehenden Problem der Unterversorgung in bestimmten Berufsfeldern endlich wirksam entgegenzutreten. Vorstellbar wäre für uns in diesem Zusammenhang z. B. eine Öffnung der Studiengänge Master of Education für Absolventinnen und Absolventen ingenieurwissenschaftlicher Studiengänge an Fachhochschulen und Dualen Studiengängen. Angesichts der zunehmenden Komplexität von Erziehung und Bildung benötigen die Berufsbildenden Schulen mehr Fachpersonal für Schulsozialarbeit, psychosomatische Betreuung und Sprachbegleitung. Wir fordern daher eine Unterstützung der Schulen und Lehrkräfte, die sich überaus engagiert - und das nicht nur im Berufsvorbereitungsjahr - für alle Schülerinnen und Schüler einsetzen. Bei der Beschulung von Geflüchteten sollte das Bildungsministerium Schulen und Lehrkräften in Form einer informativen und umfassenden Handreichung unterstützen. Diese könnte z. B. Hinweise auf schulorganisatorische Möglichkeiten, Netzwerke, mögliche Hilfeleistungen und rechtliche Hintergründe enthalten. Auch sollte den Berufsbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz die Möglichkeit gegeben werden, an dem Ganztagsschulkonzept des Landes teilzunehmen, um die dort möglichen organisatorischen und personellen Verbesserungen im Rahmen von pädagogischen Konzepten zu nutzen.

„Im Gesamtblick“, so Hammer, „muss es uns deshalb nicht wundern, wenn viele Funktionsstellen im Bereich der Schulleitungen aller Schularten nicht besetzt oder schnell genug besetzt werden können. Viele Schulleitungsstellen müssen mehrmals ausgeschrieben werden. Dies halten wir für äußerst problematisch, denn eine gute Schulleitung ist für eine gut funktionierende Schule unverzichtbar.“ Die Anforderungen an Schulleitungen seien sehr hoch und insbesondere in den letzten Jahren erheblich gestiegen, ohne dass die Rahmenbedingungen für eine gute Schulorganisation angepasst worden sind.

Besonders an den Grundschulen und Förderschulen fehle es an Verwaltungskräften, so dass ein erhöhtes Maß an Verwaltungsarbeit von der Schulleitung erledigt werden müsse. Immer noch sei die Bezahlung der Schulleitungen, insbesondere im Bereich der Grundschulen, unangemessen niedrig. „Wer gute Schulleitungen haben möchte, muss dafür sorgen, dass diese Arbeit auch attraktiv ist. Hierzu gehört die Aufwertung der Schulleitungstätigkeit. Es ist dringend notwendig, die zeitlichen Ressourcen für Schulleitungsarbeit durch mehr Freistellung zu sichern“, sagt der GEW-Vorsitzende.

Hammer: „Wir fordern nicht weniger als ein generelles Umdenken. Die Rahmenbedingungen müssen endlich angepasst werden!“ Die Vorstellungen der GEW von einer guten Schule seien,
- dass es selbstverständlich ist, dass Unterricht auch in Doppelbesetzung stattfindet,
- dass Schulen mit genügend Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern, pädagogischen Fachkräften und Förderschullehrkräften versorgt sind,
- dass die dem schulischen Bedarf entsprechenden Planstellen frühzeitig, passgenau und schnell besetzt werden, damit der Abwanderungstendenz junger Kolleginnen und Kollegen in andere Bundesländer entgegengewirkt wird,
- dass Funktionsstellen so attraktiv werden, dass sie nicht über Monate vakant bleiben, sondern sich die Besten gerne darauf bewerben,
- dass auch im Schulbereich lebensphasenbezogene attraktive Arbeitszeitmodelle entwickelt und angeboten werden,
- dass die Rücknahme der Altersermäßigung wieder aufgehoben und dass ein attraktives Altersteilzeitmodell angeboten wird.  

„Ohne diese notwendigen Ressourcen bleiben wichtige pädagogische Aufgaben, insbesondere die Umsetzung der Inklusion, die individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler sowie die gute Förderung und Integration von Kindern geflüchteter Familien, auf der Strecke,“ so der Landesvorsitzende Klaus-Peter Hammer. Die GEW fordert die Koalitionspartner eindringlich auf, verantwortungsbewusst zu handeln und bei den bevorstehenden Haushaltsberatungen die massiven Probleme im Schulbereich in den Blick zu nehmen. Für eine „Gute Schule“ seien erheblich mehr Ressourcen im Landeshaushalt einzuplanen. Die Landesregierung müsse auf den bevorstehenden und jetzt schon erkennbaren Lehrkräftemangel reagieren und jungen Lehrkräften an allen Schularten deutlich mehr Einstellungsperspektiven bieten. Der Arbeitsplatz Schule müsse wieder attraktiv werden. Eine vorausschauende Fachkräftesicherung ist auch für den Schulbereich dringend erforderlich.

Kontakt: Klaus-Peter Hammer (Vorsitzender) unter 0151 52582408 Mainz, den 15.07.2016