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Arbeitsplatz Grundschule neu denken

Das Motto „Vielfalt ist unsere Stärke“ stand in großen, weißen Lettern auf einer roten Stellwand im Atrium der Universität Landau und machte deutlich, worum es an diesem Tag ging. Die größte Fachgruppe der GEW Rheinland-Pfalz, die Fachgruppe Grundschulen, hatte – vertreten durch ihr Leitungsteam (Carmen Zurheide, Yvonne Rheinganz, Martina Krieger) – für den 15. März 2017 zu einem Grundschultag eingeladen; zahlreiche engagierte Kolleginnen und einzelne Kollegen waren dem Ruf gefolgt.

Der zweite Teil des Slogans „Arbeitsplatz Grundschule neu denken“ war das Arbeitsprogramm von drei Arbeitsgruppen unter kompetenter Leitung von erfahrenen Moderatoren von Arbeit und Leben. Ziel der Veranstaltung sei es, so führte Klaus-Peter Hammer in seiner Begrüßung aus, den Arbeitsplatz Grundschule aufzuwerten. Dazu soll in den Arbeitsgruppen ein Forderungskatalog an Politiker erarbeitet werden, der über eine Pressekonferenz an die Öffentlichkeit und an die Landtagsfraktionen weitergegeben werden soll. Nur durch stärkeren politischen Druck werde ein drohender und an den Grundschulen bereits spürbarer Fachkräftemangel verhindert. Die Grundschule brauche gut ausgebildete Lehrkräfte und diese in ausreichender Zahl! Ilka Hoffmann vom Hauptvorstand zeigte in ihrem Vortrag die große Vielfalt der Grundschule auf, die als gemeinsame Schule für alle Kinder seit 1920 bestehe und von allen Kindern als großer biographischer Einschnitt erlebt wird. Durch Zuwanderungs- und Flüchtlingskinder sei die ohnehin schon große Vielfalt für das Lernen noch erhöht worden. Zwar sollten Grundschullehrkräfte vom einzelnen Kind ausgehen und dieses entsprechend fördern, andererseits müsse aber auch auf ein gegliedertes Schulsystem vorbereitet, also selektiert werden. Diese zwei Anforderungen seien, so Hoffmann, in sich widersprüchlich. Auch sei nicht einsichtig, warum GrundschulpädagogInnen in allen Bundesländern die am schlechtesten bezahlten Lehrkräfte mit der höchsten Unterrichtsverpflichtung seien. Die Politik habe wohl die zentrale Bedeutung der Grundschule noch nicht richtig verstanden. Deshalb habe die GEW zu einer bundesweiten Kampagne für eine größere Wertschätzung der Grundschule und ihre Lehrkräfte aufgerufen. Im Rahmen dieser Forderung steht auch die Forderung nach einer höheren Besoldung in der Stufe A13 für beamtete und E13 für angestellte Lehrkräfte. Bereits bei der Anmeldung konnten die Kolleginnen und Kollegen dieser Forderung durch ein Foto und ein Plakat mit einer Begründung dafür unterstützen. Die Fotos sind auf der Homepage der Fachgruppe veröffentlicht. Auf die Frage, was sich an den Grundschulen ändern müsste, führte Ilka Hoffmann in einem Gespräch näher aus: „Zunächst müsste die Unterrichtsverpflichtung verringert werden, sodass mehr Zeit für Planung, Absprachen und Beratung zur Verfügung steht. Diese Zeiten sollten endlich als Arbeitszeit anerkannt werden.“ Durch die Realisierung der Höhergruppierung nach A13 könne einem drohenden Fachkräftemangel entgegen gewirkt werden. Die bisherige Eingruppierung stelle eine mittelbare Geschlechterdiskriminierung dar, da Frauen den überwiegenden Teil der Grundschullehrkräfte bilden. Da alle anderen Lehrämter bei A13 anfangen, müssten KollegInnen, die von anderen Schularten an die Grundschule kommen, nach erfolgter Wechselprüfung sogar mit einer schlechteren Bezahlung rechnen. Ideal seien multiprofessionelle Teams an jeder Schule, zum Beispiel für Kinder mit unterschiedlicher Muttersprache. Mittlerweile werden an den Grundschulen bundesweit 100 verschiedene Sprachen gesprochen. Hinzu kommen Kinder mit Lernbeeinträchtigungen oder traumatisierte Flüchtlingskinder, die besondere Betreuung erfordern. Dieser Herausforderung müsse professionell durch gut ausgebildetes Personal begegnet werden. Auch die Raumnot sei nach wie vor ein großes Problem, ideal seien z.B. drei Räume für zwei Klassen, so dass noch Platz für Differenzierungsgruppen bleibt. Überfällig sei eine akustische Sanierung vieler Schulgebäude, da der zunehmende Lärm gesundheitsschädlich ist, zumal wenn man ihm über Jahre ausgesetzt ist. Vorhandene Unterstützungs- und Beratungssysteme müssten intensiver ausgebaut werden. Insgesamt fehle eine deutliche gesellschaftliche Wertschätzung der Arbeit an den Grundschulen. Besonders Frauen nehmen die geringere Bezahlung als an anderen Schularten in Kauf, da sie mit großem Idealismus und Engagement ihre kräftezehrende pädagogische Arbeit verrichten. Gabriele Schneidewind, Geschäftsführerin von Arbeit und Leben in Rheinland-Pfalz, stellte im Anschluss an die Einführung die Arbeitsschritte der „Zukunftswerkstatt Grundschule“ vor: In einer ersten Phase gehe es um das Sammeln von Kritikpunkten, dann in einer „Phantasiephase“ um Wünsche und den Bau einer idealen Schule und schließlich in der „Realisierungsphase“ um konkrete politische Forderungen. Die Gruppen verteilten sich auf die mit Stellwänden, Flipcharts und Moderationsmaterial gut ausgestatteten Räume. In der anschließenden Arbeitsphase beschäftigte sich eine Gruppe mit dem Thema „Vielfalt der beteiligten Personen – Einzigartige SchülerInnen – multiprofessionelle Teams“. Zwei Gruppen setzten sich mit dem Thema „Vielfalt als pädagogisches Konzept – Vielfalt der Konzepte“ auseinander. Eine gefüllte Werkzeugkiste und ein gelber Schutzhelm in der Mitte eines Stuhlkreises halfen, das Bild von der Schule als Dauerbaustelle zu konkretisieren. Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt, und so entwickelten die Anwesenden schnell eine Vielzahl von Vorschlägen, wie eine ideale Schule gestaltet werden könnte. Viele Kärtchen mit Vorschlägen zeigten, hier waren ExpertInnen mit langjähriger Berufserfahrung am Werk. Einige enthielten auch grundsätzliche Fragen: „Wie schaffe ich es, jedem Kind gerecht zu werden?“ In ähnlicher Weise arbeiteten auch die anderen Gruppen. Nach einer Mittagspause, die für intensive Gespräche genutzt wurde, ging es am Nachmittag in die Phase der Umsetzung der vielen Wünsche in Forderungen an die Politik. Diese wurden am späten Nachmittag im Plenum durch die Arbeitsgruppen vorgestellt: Deutlich trat die Unzufriedenheit mit der vorhandenen Arbeitszeit hervor, die durch die Festlegung eines Stundendeputats nur unzureichend abgebildet werde. Gefordert wurde maximal eine 40-Stundenwoche, bei der jedoch die gesamte Arbeit in der Schule stattfinde und das Wochenende frei bleibe. In der Forderung nach höherer Wertschätzung durch Höhergruppierung ging man sogar über die A13-Forderung hinaus und orientiert sich an Baden-Württemberg, wo durch die Landeszuständigkeit infolge der Fö- deralismusreform die Beamtenbesoldung insgesamt höher ausfällt als in RheinlandPfalz, das mit Berlin ein Schlusslicht bildet. Eine breitere Ausbildung für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte und eine insgesamt bessere personelle Ausstattung der Schulen waren eine weitere zentrale Forderung. Ilka Hoffmann betonte in ihrem Abschlussvortrag noch einmal die hohe Professionalität und das Berufsethos der Grundschullehrkräfte: Wertschätzung gegenüber allen Kindern, kontinuierliche Weiterentwicklung bestehender Konzepte und Strukturen, gemeinsamer Kampf für bessere Bildung gegenüber der Politik. Der Grundschultag 2017 endete mit einem kulturellen Beitrag von Gabriele Frydrych, die in zwei satirischen Texten den Schulalltag kritisch und humorvoll unter die Lupe nahm.