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Lehrkräfte kritisieren CDU-Kampagne gegen Methode "Schreiben nach Gehör"

In einem Offenen Brief fordert die GEW dazu auf, die aus ihrer Sicht unsinnige und bevormundende Kampagne gegen die Methode "Schreiben nach Gehör" zu beenden. Die Bildungsgewerkschaft reagiert damit auf Kritik vieler Grundschullehrkräfte, die sich in ihrer Arbeit durch eine undifferenzierte Methodenkritik diskreditiert sehen!

Der Brief, der unter anderem adressiert ist an die Landesvorsitzenden der Parteien CDU, SPD, B90/Die Grünen, FDP und Die Linke, lautet:

Sehr geehrte Damen und Herren,

viele Grundschulkolleginnen und -kollegen sind derzeit sehr verwundert und erschrocken über die von der CDU angeführte Kampagne gegen eine Methode, die seit vielen Jahren an Grundschulen bisher unbeanstandet Anwendung findet. Es handelt sich (eigentlich) um die Methode „Lesen durch Schreiben“, die von der CDU als „Schreiben nach Gehör“ benannt wird. Die Methode „Schreiben nach Gehör“ gibt es so gar nicht.

Mit Hilfe der Methode „Lesen durch Schreiben“ orientieren sich die Kinder beim Schreiben am Sprechen. Durch die Benutzung einer Anlauttabelle versuchen sie, Wörter selbstständig zu schreiben. Zusätzlich erlernen die Schülerinnen und Schüler an den rheinland-pfälzischen Grundschulen selbstverständlich die notwendigen Regeln und Normen der deutschen Rechtschreibung. Letztendlich dient diese Methode dazu, Schülerinnen und Schüler zum selbstständigen Schreiben zu motivieren.

Laut Sicht der CDU hat diese Methode Schuld daran, dass die Kinder nicht mehr richtig lesen und schreiben würden. Es erscheint so – liest man die derzeitigen CDU-Publikationen –, als sei dies das zentrale Problem der Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz. Dabei wird vergessen, dass diese Methode seit vielen Jahrzehnten an Grundschulen angewandt wird und in der Fachwissenschaft anerkannt ist. Was die Kolleginnen und Kollegen ärgert, ist nicht nur, dass man eine Methode verbieten möchte, sondern auch, dass suggeriert wird, sie seien daran schuld, dass die Lese- und Rechtschreibkompetenz der Schülerinnen und Schüler immer schlechter werde. Letztendlich wird generell ihre fachliche und methodische Kompetenz hinterfragt. Dies hat es in dieser Form bisher noch nicht gegeben.

Es ist an der Zeit, die Grundschulkolleginnen und -kollegen vor diesen Angriffen in Schutz zu nehmen und sie vor Bevormundung zu bewahren.

Die von Prof. Reichen entwickelte Methode wird – wie schon erwähnt – seit vielen Jahren in der Praxis angewandt und gehört zum Methodenrepertoire der Grundschulkolleginnen und -kollegen. An nur wenigen Schulen (an 16 von 969 Grundschulen) wird diese Methode jedoch in „Reinform“ angewandt, was die Kritik und die angeblich negativen Auswirkungen dieser Methode noch weiter relativiert.

Es ist bisher einmalig, dass eine fachwissenschaftlich fundierte und anerkannte Methode, die seit vielen Jahren in der Praxis erprobt wurde und angewandt wird, verboten werden soll. Viele Kolleginnen und Kollegen haben sich mit der Bitte an die GEW gewandt, sich dafür einzusetzen, dass die Grundschullehrkräfte auch weiterhin die notwendigen Freiräume für die Wahl der geeigneten Methode haben und dass kein Methodenverbot verhängt wird.

Die GEW erwartet, dass man die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen unterstützt, ihnen die notwendigen Freiräume verschafft und bessere Arbeitsbedingungen sichert und dadurch ihre wichtige Arbeit stärkt und wertschätzt. Die Grundschullehrkräfte sind die Expertinnen und Experten in ihrem Beruf und wissen, was sie tun. Statt gegen eine Methode zu wettern, wäre es hilfreich, wenn sich die rheinland-pfälzischen Politiker stärker dafür einsetzen würden, dass das Vertrauen zwischen Eltern und Lehrkräften gestärkt und eine insgesamt bessere Kooperation zwischen beiden gefördert wird. Denn für die Eltern ist es wichtig, dass sie sich auf die Expertise der gut qualifizierten Kolleginnen und Kollegen verlassen können. Dies wäre ein wichtiges Zeichen seitens der Politik.

Wir appellieren an die politisch Verantwortlichen, sich hierfür aktiv einzusetzen und dazu beizutragen, diese unsinnige und bevormundende Kampagne gegen eine Methode zu beenden und vielmehr sich konstruktiv den zentralen Aufgaben zu stellen, die derzeit die Kolleginnen und Kollegen beschäftigen.

Wir freuen uns auf Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung.

Klaus-Peter Hammer (GEW-Vorsitzender)