Nach Wegen suchen, dem Stress vorzubeugen
„Burnout“, so Prof. Dr. Stephan Letzel, Direktor des Instituts für Lehrergesundheit, sei ein „sehr plakativer Begriff“, weil er pauschal von der Belastung der Lehrenden spreche, aber wenig konkret, welche Belastungen in der Schule dafür verantwortlich seien und wie die Verantwortlichen mit diesen Belastungen umgehen sollen? Die Schule verändere sich ständig, z.B. durch neue Medien oder die Digitalisierung, auf die man die Lehrerschaft vorbereiten müsse. „Damit Burnout nicht aufkommt, müssen wir überlegen, wie wir Schule und Unterricht gestalten“.
Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig meinte in ihrem Grußwort, man könne über eine Gesellschaft viel lernen anhand der Gegenbewegungen, die sie hervorbringe, und verwies auf die Bahnhofsbuchhandlungen, wo die Titelblätter der Zeitschriften gerne zur inneren Revolution gegen den äußeren Streß aufriefen: Flow und Slow, Bewusster Leben. „Yoga Journal“ oder „Happinez“ und „Landlust“ hießen die Trendzeitschriften unserer Zeit.
Eine Menge Systemkritik also, die aber nicht nach außen gewandt sei, sondern nach innen. Die Menschen hofften nicht mehr auf Besserung der Gesellschaft, sondern auf Besserung in sich selbst. „Mindstyle ist der neue Lifestyl“. Das Außen werde als hektisch und stressig wahrgenommen, das Innere soll vor ihm beschützt werden. Hubig: „Stress scheint ein – negatives - Lebensgefühl unserer Zeit geworden zu sein, und die Menschen suchen nach Wegen, ihm vorzubeugen und zu begegnen.“
Der 3. Tag der Schulgesundheit greife den Auftrag auf, den oder die Einzelne(n) nicht alleine zu lassen mit dem Thema „Burnout“, sondern zu sensibilisieren und Wege aufzuzeigen, um Überforderungen zu vermeiden, zu erkennen und ihnen zu begegnen. Denn es sei der Landesregierung und auch den Menschen in unserem Land wichtig, dass Schule ein geschützter Lernraum sei, dass „Lernen und Lehren beste Bedingungen vorfinden und dass wir gesundheitlichen Belastungen an diesem Ort entgegenwirken“. Die Ministerin dankte ausdrücklich dem „bundesweit einzigartigen Institut für Lehrergesundheit“, dessen Leiter Prof. Letzel und seinen MitarbeiterInnen für die tägliche Arbeit an der Gesundheit der Lehrkräfte und für die so „hochkarätig besetzte Tagung“.
Deutschland liege im internationalen Vergleich beim Schulstress auf einem mittleren Rang, betonte der Prodekan für Forschung der Uni Mainz, Prof. Dr. Hansjörg Schild, in seinem Grußwort. SchülerInnen und LehrerInnen würden das freilich etwas anders sehen, da sie persönlich betroffen seien. Die Veranstaltung helfe, die Situation zu verbessern.
Wie äußert sich Burnout?
„Man muss nicht gebrannt haben, um ausgebrannt zu sein“. So begann Dipl.-Psychologe Till Beutel vom „Institut für Lehrergesundheit“ (IfL) in Mainz seine Ausführungen und definierte Burnout so: „Dauerhafter negativer arbeitsbezogener Seelenzustand normaler Individuen, gekennzeichnet durch Erschöpfung, gesunkene Motivation und die Entwicklung dysfunktionaler Einstellungen und Verhaltensweisen bei der Arbeit“. Arbeitsplatzfaktoren des Burnouts seien physikalisch-chemische Aspekte wie Lärm, Hitze, Kälte, organisatorische Bedingungen wie Arbeitsorganisation, Pausen, Fairness, Arbeitsmaterialien, Arbeitsaufgaben wie Handlungsspielraum, Feedback, Kontrolle, Zeitdruck, dauernde Erreichbarkeit sowie Faktoren auf der sozialen Ebene wie Teamklima, Anerkennung, Schülerrückmeldungen, Konflikte mit der Schulleitung. Äußern könne sich Burnout in einer depressiven Stimmung, einer Angststörung, Schlaf- und Essstörungen, innerer Leere und soziale Isolierung.
Körperlich fit, seelisch belastet
Den „Prozess zur Gefährdungsbeurteilung Wechselwirkung Arbeitsbedingungen und Psyche“ beschrieb Dipl. -Ing. Klaus Schöne aufgrund der Erfahrungen aus der Arbeit des „IlF“. Die Ausgangssituation: Laut einer aktuellen Studie seien Lehrkräfte sportlich, hätten seltener Übergewicht und rauchten halb so häufig wie die allgemeine Bevölkerung. Sie ließen sich zudem seltener krankschreiben als der Rest der Pflichtversicherten, auch die krankheitsbedingten Frühpensionierungen seien zurückgegangen. Jedoch: Die Pädagogen erkrankten häufiger an Burnout und psychischen Krankheiten als der Rest der Bevölkerung.
Nach dem Gesetz sei der Dienstherr verantwortlich für die 1. Erfassung und Bewertung arbeitsbedingter Gefährdungen und Belastungen. Zu berücksichtigen seien
1. physikalische, chemische, biologische Einwirkungen und Belastungen.
2. Die Durchführung erforderlicher Präventionsmaßnahmen.
3. Die Durchführung entsprechender Wirksamkeitskontrollen.
4. Die Dokumentation der Ergebnisse durchgeführter Gefährdungsbeurteilungen.
5. Die Anpassung der Beurteilung bei Änderungen.
Schöne: „Als Führungskraft vor Ort tragen die Schulleitungen die Hauptverantwortung im Bereich Gesundheitsschutz.“ Es folgten die Schulträger, der örtliche Personalrat sowie die Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte. Ein wichtiges Instrument zur Erfassung und Bewertung psychischer Belastungen sei eine standardisierte (schriftliche) Mitarbeiterbefragung oder zur Erfassung des individuellen Gesundheitsempfindens eine Online-Befragung aller an der Schule tätigen Personen.
Für die Hilfestellung solcher Befragungen stehe das „Institut für Lehrergesundheit“ bereit.
Kooperatives und differenziertes Lernen entlastet
Durch welche unterrichtlichen Maßnahmen kann die Überforderung der SchülerInnen verringert werden? Mit dieser Frage befasste sich Monika Jost vom „Pädagogischen Landesinstitut“. Was überfordert (gilt auch für LehrerInnen): Das Gefühl, dass Anforderungen gestellt werden, von denen ich denke, dass ich sie nicht erfüllen kann. Das Gefühl, nicht zu wissen, was von mir erwartet wird. Das Gefühl, nicht verstanden zu werden oder nicht so sein zu dürfen, wie ich bin.
Was man gegen Überforderung tun könne, sei z.B. das kooperative Lernen: Alle SchülerInnen arbeiten allein. Sie haben dann die Möglichkeit, ihre Erkenntnisse mit dem eigenen Wissensnetz zu verknüpfen. Sie tauschen sich mit Partner oder in der Kleingruppe aus. Sie vergleichen die Ergebnisse und diskutieren abweichende Resultate. Die Gruppenergebnisse werden vorgestellt und diskutiert, korrigiert. Der Vorteil des kooperativen Lernens: eine Entschleunigung für die SchülerInnen, aber auch Pausen für die Lehrkraft. Das Ergebnis von wissenschaftlichen Studien zeige, dass die kooperativen Lernarrangements das Selbstwertgefühl der Schüler verbessert. Monika Jost sprach dann noch über das differenzierte Lernen. Der Unterricht werde geöffnet. Wahlmöglichkeiten würden sich ergeben und unterschiedliche Zielsetzungen für unterschiedliche SchülerInnen ermöglicht. Beim differenzierten Lernen werde dem persönlichen Lernvermögen der SchülerInnen Rechnung getragen.