Internationale Solidarität
GEW solidarisiert sich mit Protestierenden im Iran
Die GEW stellt sich hinter die Protestierenden im Iran und verurteilt das brutale Vorgehen der Machthaber in diesem Land. Peimaneh Nemazi-Lofink (Foto), Mitglied im GEW-Landevorstand, hat dazu eine Erklärung verfasst. Die Vorsitzende des Vorstandsbereichs Migration, Diversity, Antidiskriminierung macht darauf aufmerksam, dass sich zahlreiche Lehrkräfte, Studierende sowie Schülerinnen und Schüler der Protestbewegung im Iran angeschlossen haben.
Erklärung Vorstandsbereich Migration, Diversity, Antidiskriminierung zu den Protesten im Iran
„Angesichts der nicht abebbenden Proteste unzähliger mutiger Menschen, die sich zurzeit in aller Entschlossenheit im Iran gegen das streng klerikale und überaus brutale Regime stellen, sehen wir es als unsere Pflicht an, die Tötung Masha Jina Aminis und vieler anderer sowie das skrupellose Vorgehen gegen die Demonstrierenden, unter denen sich unzählige SchülerInnen, Student:innen und Lehrenden befinden, vonseiten der totalitären Führung strengstens zu verurteilen.
Die durch den Tod der 22-jährigen ausgelösten Proteste im Iran unterstützen wir ausdrücklich und fordern die politischen Verantwortungsträger auf der deutschen und europäischen Ebene auf, unverzüglich die Vermögenswerte der politischen und religiösen Führer des Iran einzufrieren, die ganz eindeutig für die grausamen Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Darüber hinaus gilt es weitgehende Visa-Stopps für staatliche Vertreter und deren Familie zu verhängen. Wir sind zutiefst beeindruckt von dem Mut und der Willenskraft der demonstrierenden Lehrenden, Schüler:innen sowie allen Menschen die ihr Leben riskieren, um für ihre fundamentalen Menschenrechte auf die Straße zu gehen.
Auch die systematischen Einschüchterungen sowie Inhaftierungen von Journalist:innen und Aktivist:innen verurteilen wir aufs Schärfste, an denen sich exemplarisch zeigen lässt, dass sich der Iran vollkommen zu Recht auf Ranglistenplatz 178 von 180 der Pressefreiheit befindet. Die großflächigen Sperren von Internet- und Telefonverbindungen veranschaulichen den verzweifelten Versuch der iranischen Führung, die aus allen gesellschaftlichen Schichten unterstützten Proteste unter Kontrolle bringen zu wollen. Jene Sperren wurden z.T. auch regional begrenzt verhängt, wie beispielweise während des Streiks von Studierenden einer Elite-Universität in Teheran. Hier zeigt sich die bewundernswerte Stärke und Entschlossenheit der jungen Studierenden und Lehrenden, ein solch repressives Regime zu stürzen. Der dem Regime und insbesondere den Eliten der iranischen Führung inhärenten Misogynie gilt es etwas entgegenzusetzen. Die Anzahl der Todesopfer beläuft sich inzwischen auf über 250 Menschen, die seit Beginn der Proteste im September getötet worden sind und die Zahl steigt mit jedem Tag weiter an. Dabei darf die Tatsache, dass sich unter den Getöteten auch ca. 30 Kinder befinden, nicht verschwiegen werden. Das Bedrängen der Familien, falschen Angaben bezüglich der Todesursache ihrer Kinder zu machen, ist bezeichnend für das menschenverachtende iranische Regime, das eindeutig die Schuld am Tod dieser Kinder trägt. Auch die höchst fragwürdigen Umstände rund um den Brand im Gefängnis Evin, in dem zahlreiche politische Gefangenen festgehalten werden, ist ein verzweifelter Akt der elitären iranischen Führung, die Protestbewegung eindämmen zu wollen.
Der vom Außenministerium gerne hochgehaltenen feministischen Außenpolitik gilt es nun entsprechend Taten folgen zu lassen. Wir fordern die Bundesregierung auf, eine konsequente, die Menschenrechte würdigende Politik zu betreiben und die brutalen Menschrechtsverletzungen und Tötungen von Protestierenden im Iran nicht nur auf das Schärfste zu verurteilen, sondern mit allen der Bundesregierung zur Verfügung stehenden Mitteln, die iranische Regierung zur Verantwortung zu ziehen. An dieser Stelle unterstützen auch wir die Forderung von Amnesty International nach einem internationalen und unabhängigen Untersuchungsmechanismus im Rahmen des UN-Systems. Dabei darf unter keinen Umständen das wirtschaftliche Interesse einzelner Länder Vorrang vor dem fundamentalen Grundsatz der Menschenrechte erhalten. Wir fordern ein Ende der Symbolpolitik und konkrete international koordinierte Sanktionen. Gerade in der Rolle als wichtigster Handelspartner des Irans darf Deutschland sich eine zurückhaltende und inkonsequente Außenpolitik nicht länger leisten. Deshalb unterstützen auch wir einen bundesweiten Abschiebestopp in den Iran, wie er von einzelnen Bundesländern bereits verhängt wurde, als Zeichen der Solidarität mit den demonstrierenden Student:innen, Lehrenden und insbesondere den Frauen, die für ihre grundlegenden Rechte auf die Straße gehen und Leib und Leben riskieren.
Wie entschieden der zivilgesellschaftliche Protest auch außerhalb des Iran gegen das dortige Unrechtsregime weitergeht, zeigte sich am vergangen Samstag in Berlin. Über 100.000 Teilnehmer:innen aus USA, Kanada und zahlreichen europäischen Ländern, vor allem Mitglieder iranischer Exil-Communities, sind dem Aufruf des „Woman* Life Freedom Kollektiv“ gefolgt, sich mit der Protestbewegung im Iran solidarisch zu zeigen. Dazu aufgerufen hatte der aus Kanada angereiste Mitbegründer der Initiative „Iranians for Justice and Human Rights“, Hamed Esmaeilion. der beim Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine nahe Teheran im Januar 2020 seine Frau und seine Tochter verloren hat.
Weltweit gehen seither nicht nur in Deutschland sondern auch in anderen Ländern mehrere tausende Menschen auf die Straße, um ihre Solidarität mit den Demonstrierenden in Iran zu zeigen und ihre Forderungen an die westlichen Länder zu richten.
Deshalb sind auch die Anstrengungen der EU darauf zu konzentrieren, die menschenrechtsfeindliche iranische Führung durch Sanktionen spüren zu lassen, dass ihre Handlungen keineswegs ohne Konsequenzen der internationalen Gemeinschaft bleiben werden. Anstrengungen auf diversen politischen Ebenen, die reale spürbare Konsequenzen für die Verantwortlichen zur Folge haben, sind unabdingbar und liegen in der Verantwortung der politischen Entscheidungsträger, die nicht erst seit dem verhängnisvollen Tod Masha Jina Aminis Zeuge der schon lange andauernden antifeministischen und höchst klerikalen Politik des Irans sind.
Masha Jina Amini musste ihr Leben lassen und es liegt an uns, sie zu würdigen und nicht zu vergessen. Der Protest muss und wird daher weitergehen. Ihr Fall steht darüber hinaus für eine zutiefst tragische Erinnerung, dass Menschenrechte als höchstes und unverhandelbares Gut stets über wirtschaftliche Interessen einzelner Staaten zu stellen sind.“