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Umfrage zum Kindertagesstättengesetz

GEW erwartet Chaos bei Umsetzung des neuen Kita-Gesetzes

Am 01. Juli 2021 tritt die entscheidende Stufe des neuen Kita-Gesetzes in Rheinland-Pfalz in Kraft. Mehr als 1.200 Kita-Beschäftigte wurden von der GEW befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten Einrichtungen den neu definierten gesetzlichen Betreuungsanspruch zunächst nicht erfüllen können. Laut GEW braucht es jetzt von Seiten der Elternschaft Rückendeckung und Verständnis für die Beschäftigten, da sie für das erwartete Chaos nicht verantwortlich sind.

P R E S S E M I T T E I L U N G

Unmittelbar vor Umsetzung des Kita-Zukunftsgesetzes:
GEW-Umfrage lässt Chaos erwarten!

Am 01. Juli 2021 tritt die entscheidende Stufe des neuen Kita-Gesetzes in Rheinland-Pfalz in Kraft. Mehr als 1.200 Kita-Beschäftigte wurden von der GEW befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten Einrichtungen den neu definierten gesetzlichen Betreuungsanspruch zunächst nicht erfüllen können. Laut GEW braucht es jetzt von Seiten der Elternschaft Rückendeckung und Verständnis für die Beschäftigten, da sie für das Chaos nicht verantwortlich sind.

Wenn das neue Kita-Gesetz am morgigen Donnerstag vollends in Kraft tritt, wissen viele Einrichtungen noch immer nicht, wie zukünftig die Grundlage der Arbeit ihrer Kita aussehen wird. Sie wissen nicht, welches Personal zur Verfügung stehen wird, um die neuen Aufgaben zu erfüllen. Das hat eine Umfrage der Bildungsgewerkschaft GEW Rheinland-Pfalz unter den Beschäftigten der rheinland-pfälzischen Kindertagesstätten ergeben. Die Beteiligung an der Umfrage war sehr hoch. Mehr als 1.200 Teilnehmende beteiligten sich an der flächendeckend durchgeführten Befragung. Lena Schmoranzer, die die Umfrage als Politologin wissenschaftlich begleitet hat: „Ziel der Umfrage war es, zu ermitteln, wie sich unmittelbar vor Inkrafttreten des Gesetzes und inmitten der Coronapandemie die Situation in den Einrichtungen darstellt. Arbeitszufriedenheit und Wertschätzung der Arbeit der Beschäftigten waren ebenfalls Thema.“

Die aussagekräftigen Ergebnisse der Umfrage zeichnen ein deutliches Bild. Knapp zwei Drittel der Einrichtungen kennen ihre neue Betriebserlaubnis noch immer nicht oder seit weniger als einem Monat. „Für eine verantwortungsvolle und solide Planung in den Kindertagesstätten ist das deutlich zu spät. Viele Einrichtungen werden Eltern und Kinder, die ihre Bedarfe anmelden, erst einmal enttäuschen müssen“, erläutert Ingo Klein, Gewerkschaftssekretär der GEW Rheinland-Pfalz. „Außerdem wurde das politische Versprechen einer fachlichen Begleitung der Leitungskräfte bei der Bedarfsplanung nicht erreicht, denn laut Umfrage haben diese nur 51 % der Leitungskräfte erhalten“, so Klein weiter, den täglich Nachfragen aus der Praxis erreichen. Die fehlenden Handlungsgrundlagen lassen nach Ansicht der GEW Rheinland-Pfalz ein Chaos in den Einrichtungen erwarten.

Die neuen Regelungen im Gesetz verlangen von den Kitas umfassende personelle, organisatorische, wie konzeptionelle Veränderungsprozesse. Das ist in einer so kurzen Zeit nicht zu stemmen. „Mit der Lösung dieser Probleme können Beschäftigte und Eltern vor Ort nicht alleine gelassen werden“, fordert Kathrin Gröning, stellvertretende Landesvorsitzende der GEW Rheinland-Pfalz. „Jetzt ist Rückendeckung für die Einrichtungen und Verständnis dafür, dass nicht alles reibungslos funktionieren könne, gefragt. Für das Chaos sind weder die Beschäftigten noch die Eltern verantwortlich. Deshalb braucht es unbedingt den gemeinsamen Schulterschluss im Miteinander“, appelliert Gröning, die selbst als Erzieherin in einer Kindertagesstätte arbeitet.

Mit wieviel Einsatz und Engagement die Erzieher*innen und Kita-Leiter*innen ihrer Arbeit nachgehen, zeigt die überdurchschnittliche Identifikation mit dem eigenen Beruf. Über 95 % der Befragten gaben an, dass sie sich grundsätzlich mit ihrem Beruf identifizieren. „Das ist ein bemerkenswert hoher Prozentsatz, bedenkt man, dass im Bundesdurchschnitt die Identifikation mit dem eigenen Beruf bei 87 % liegt“, erklärt Schmoranzer. Gleichzeitig meldeten 95 % der Umfrageteilnehmer*innen zurück, dass sie sich nicht oder überhaupt nicht durch die Politik wertgeschätzt fühlen. „Wir haben bei der Konzeptionierung der Umfrage damit gerechnet, dass einige Beschäftigte sich in ihren Bedürfnissen durch die politisch Verantwortlichen nicht gesehen und vertreten fühlen. Die Deutlichkeit dieses Ergebnisses überrascht uns aber doch“, bemerkt Klein. Es zeige sich klar, dass die politische Kommunikation und die Transparenz gegenüber der Berufsgruppe nicht ausreichend vorhanden sei. „Es ist alarmierend, dass sich die engagierten Kita-Beschäftigten durch die Politik nicht gesehen fühlen. Die Politik muss dringend das Vertrauen gewinnen“, ergänzt Gröning. Nach Ansicht der GEW ist es daher zwingend notwendig, dass die politischen Entscheidungsträger*innen im Sinne der Beschäftigten, aber auch im Sinne einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung, handelten. Dazu gehöre, dass die Bedarfe nach Zeit, Personal und angemessener Bezahlung dringend aufgegriffen würden.

Die Auswertung der Umfrageergebnisse zeigt, dass sich die Wertschätzung der Arbeit der pädagogischen Fachkräfte in den Kindertagesstätten in den letzten Jahren zudem deutlich verschlechtert hat. Als ausschlaggebende Faktoren kommen in Rheinland-Pfalz die gesetzlichen Neuerungen rund um das Kita-Gesetz sowie die Corona-Pandemie in Frage. „Die Beschäftigten fühlen sich offensichtlich im Regen stehen gelassen. Die Aufgaben nehmen zu, die Bedarfe der Praxis sind aber nicht ausreichend abgedeckt“, so Gröning. „Wenn 71 % der Befragten angeben, dass sich das Gefühl von Wertschätzung durch Gesellschaft und Politik in den letzten Jahren eher oder voll und ganz verschlechtert hat, müssen die Ursachen hierfür dringend aufgearbeitet werden.“

Auf die Frage, ob die Befragten ihren eigenen Ansprüchen an ihre Tätigkeit gerecht werden könnten, antworteten 81 % der Befragten, dass sie diesen unter den gegebenen Rahmenbedingungen eher nicht oder überhaupt nicht gerecht werden könnten. „Die Umfrageergebnisse zeigen deutlich auf, dass die momentan gegebenen personellen und zeitlichen Ressourcen nicht für die pädagogische Arbeit ausreichen“, so Klein.

In der Folge führe dies zu Unzufriedenheit und Resignation, erhöhe den Stress und die Arbeitszufriedenheit sinke. „Hochmotivierte Beschäftigte werden durch dieses Spannungsfeld enorm belastet, was nicht im Sinne einer qualitätsvollen, pädagogischen Arbeit sein kann“, führt Gröning aus. „Im Rahmen der Umfrage haben uns Beschäftigte zurückgemeldet, dass sie der Spagat zwischen Anspruch und Rahmenbedingungen vor Erreichen des Rentenalters aus dem Beruf treibt.“ Gerade in Zeiten eines eklatanten Fachkräftemangels im Bereich der frühkindlichen Bildung sei dies außerordentlich problematisch.

Nach Ansicht der GEW Rheinland-Pfalz zeigen die Ergebnisse der Umfrage, dass die Stimmung in den rheinland-pfälzischen Kindertagesstätten schlecht ist und das neue Kita-Gesetz viele Einrichtungen nicht ausreichend vorbereitet trifft. Bereits im Gesetzgebungsverfahren wies die Gewerkschaft auf entsprechende Mängel im Gesetz hin und forderte deutlichere Nachbesserungen der Rahmenbedingungen, insbesondere mit Blick auf die Personalisierung. „Wir brauchen jetzt Perspektiven für die Kitas, umgehend Unterstützung für die Praxis bei der Umstellung und vor allem eine große Portion Verständnis für die Belange vor Ort“, so Gröning abschließend.

 

Weitere Informationen zur Pressekonferenz finden Sie unter:
https://cloud.gew-rlp.de/index.php/s/LtHy6pqitZQtZRN

 

 

Mainz, 30.06.2021

Kontakt
Kathrin Gröning
Stellvertretende Vorsitzende GEW Rheinland-Pfalz
Mobil:  0151 17267950
Kontakt
Ingo Klein
Gewerkschaftssekretär
Adresse Regionalbüro Süd, Mainz
Telefon:  06131 28988-19