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GEW äußert sich zu sexueller Gewalt gegen Frauen und Femiziden

Die Instrumentalisierung der Morde an Mädchen in Kandel und Mainz hat das Vorsitzendenteam des Landesfrauenausschusses in der GEW zum Anlass genommen, um einen Text zu Femiziden (Frauentötungen) zu verfassen. Der Text soll die geschlechtsspezifische Tötung von Frauen thematisieren und gleichzeitig aufzeigen, wie rassistisch und auch sexistisch die Debatte durch die Rechten befeuert ist.

Text des Landesfrauenausschusses:

Femizide sind weder Beziehungstat noch Eifersuchtsdrama

Die Bewegung gegen Femizide wächst weltweit, während in Deutschland Morde an Frauen instrumentalisiert werden, um Minderheiten zu verurteilen. Der Landesfrauenausschuss weist auf die Gefahr hin, dass die öffentliche Auseinandersetzung mit ausgewählten Mordfällen nicht nur rassistisch, sondern auch sexistisch ist.

In Rheinland-Pfalz instrumentalisieren die Rechten vermehrt die Morde an zwei jungen Mädchen, um gegen Menschen mit Fluchterfahrungen zu wettern und ihre rassistische Hetze zu verbreiten. Bereits seit Beginn des Jahres suchen immer wieder Rechtsextremisten und -populisten Kandel heim unter dem Deckmantel „Schutz von Frauen“, seit der Tötung eines 14-jährigen Mädchens aus Mainz auch die Landeshauptstadt.

Es ist auffällig, dass Femizide und Vergewaltigungen in Deutschland kaum thematisiert werden, wenn der Täter Teil der Mehrheitsgesellschaft ist. Und Femizide werden in Deutschland häufig verübt – nicht nur in Kandel und Mainz. Die Kriminalstatistik des Jahres 2016 weist 149 Frauen aus, die durch ihren männlichen Partner umgebracht wurden, 208 Frauen haben die Angriffe überlebt. Statistisch gesehen hat also fast jeden Tag ein Mann versucht, seine Partnerin zu töten. Dabei sind in der Statistik nur Fälle von häuslicher Gewalt erfasst und Körperverletzungen mit Todesfolge nicht aufgeführt. Ebenso wenig ist darin die Dunkelziffer an versuchten Tötungen eingeschlossen, die häufig nicht erkannt und erst recht nicht angezeigt werden. Die überwältigende Mehrheit der Täter hat einen deutschen Pass und ist weiß.

Wenn also Einzelfälle von Femiziden in Deutschland durch die Rechten instrumentalisiert werden, um Angstszenarien zu schaffen und gegen die Grundwerte unseres gesellschaftlichen Miteinanders zu kämpfen, ist das nicht nur rassistisch, sondern auch sexistisch, weil es die Dimension von Frauenmorden in Deutschland verharmlost.

Das gesellschaftliche Bewusstsein für geschlechtsbezogene Tötung ist gering. Ausschlaggebend ist dafür auch die mediale Berichterstattung, die, sofern überhaupt berichtet wird, Femizide als „Beziehungstat“, „Eifersuchtsdrama“ oder „Familientragödie“ bezeichnet. Durch die Benutzung dieser Begriffe wird das Bild von Schicksalsschlägen geprägt, nicht aber die strukturellen Ursachen der Gewalt gegen Frauen benannt.  Die Tötung von Mädchen und Frauen aufgrund ihres Geschlechts ist eine Zuspitzung patriarchaler Zustände und damit Ausdruck einer strukturellen Schlechterstellung von Frauen, stellte das Kollektiv „Ni una menos“ („Nicht eine weniger“) in Argentinien fest, welches im Jahr 2015 Hunderttausende von Menschen gegen Frauenmorde mobilisierte.  Das Kollektiv möchte die gesellschaftlichen Bedingungen anprangern, welche Femizide ermöglichen und die Gewalt gegen Frauen öffentlich machen. Unterstützung für ihre Feststellungen finden sich auch in zahlreichen Gutachten, die aufzeigen, dass das Risiko von Frauen, Gewalt ausgesetzt zu sein, besonders dann ansteigt, wenn die traditionelle Geschlechterhierarchie angegriffen wird, besonders während und nach Trennung und Scheidung.

Eine Debatte über geschlechtsspezifische Tötungen und Gewalt steht in Deutschland noch aus. Statt also die Morde an den Mädchen in unserem Bundesland zu einem Thema über Zuwanderung zu machen, ist es in unseren Augen notwendig über die sexuelle Gewalt gegen Frauen und Femizide zu sprechen, da es sich hierbei um ein strukturelles gesellschaftliches Problem handelt.