Sehr geehrte Frau Dr. Hubig, herzlichen Dank, dass Sie sich kurzfristig Zeit für uns genommen haben. Ihre Ernennung hat für Überraschung gesorgt. Bei Ihnen am meisten?
Ich weiß nicht, bei wem die Überraschung am größten war. Aber es war für mich sehr unerwartet, dass mich die Ministerpräsidentin gefragt hat, ob ich in Rheinland-Pfalz Bildungsministerin werden möchte. Die Aufgabe war eine Überraschung, der Arbeitsort aber nicht: Ich lebe seit 2008 in Rheinland-Pfalz mit meinem Mann zusammen hier in Mainz. Aber das Thema ist für mich natürlich neu, das kann und will ich gar nicht verhehlen.
Aus Ihrer Vita erfahren wir einiges über Ihren beruflichen Weg. Erzählen Sie uns auch etwas über Ihren familiären Hintergrund?
Mein Vater ist gelernter Bergmann, hat später auf dem zweiten Bildungsweg im Abendgymnasium Abitur gemacht und danach Volkswirtschaft studiert, meine Mutter ist Kinderkrankenschwester. Ich habe eine fünf Jahre ältere Schwester, die ebenfalls Juristin ist. Mein Mann arbeitet als Professor der Psychiatrie und leitet die Klinik für Psychiatrie an der Universität Mainz.
Sie sind auch für frühkindliche Bildung zuständig. Wie war das denn bei Ihnen?
Dass die frühkindliche Bildung wieder zum Bildungsministerium gehört, freut uns alle, da wir die gesamte Bildungskette jetzt wieder unter einem Dach vereint haben. Ich freue mich auf dieses spannende Thema: Bei mir persönlich ist das Thema in meiner Kindheit allerdings nicht so spannend gewesen: Ich war am Anfang in einem Kindergarten, dann war ich jedoch immer wieder krank, sodass meine Eltern beschlossen haben, mich zuhause zu lassen. Das war aber oft ganz schön langweilig für mich. So konnte ich nur partizipieren, an dem, was meine Schwester schon gekonnt hat – ich habe jeden Tag gewartet, dass sie aus der Schule kommt, und wollte dann alles erfahren. Und ich konnte mit den vielen Kindern, die bei uns im Dorf gewohnt haben, spielen.
Grundschulen sind pädagogisch und didaktisch sehr innovativ. Haben Sie davon partizipieren können oder eher die strenge bayerische Paukschule ertragen müssen?
Ich bin ein Jahr in Nordrhein-Westfalen und drei Jahre in Bayern in die Grundschule gegangen. Das war keine strenge bayerische Paukschule. Wir lebten in einem relativ kleinen Ort, dadurch war die Grundschule auch klein. Der Unterricht war richtig gut. Wir hatten sogar Förderung für Kinder, die ihre Aufgaben besonders schnell oder auch langsam lösen konnten. Insoweit war die bayerische Grundschule vielleicht sogar innovativ.
Was waren im Gymnasium Ihre Lieblingsfächer, welche mochten sie ggf. gar nicht?
Ich bin richtig gerne zur Schule gegangen. Allerdings kann ich nicht behaupten, dass mir die Fächer, die heute MINT-Fächer genannt werden, besonders gelegen hätten. Meine Lieblingsfächer waren Deutsch, Geschichte, Englisch, Latein. Das klingt etwas langweilig, war aber eine gute Grundlage, um später einiges studieren zu können, wenn man nicht gerade in die Naturwissenschaften streben will.
Gab’s Lehrkräfte, die Sie geprägt haben oder umgekehrt Sie heute noch in Albträumen verfolgen?
Zum Glück habe ich keinen Lehrer und keine Lehrerin gehabt, die mich in Albträumen verfolgen würden. Meine Lehrer waren eigentlich alle gut oder sehr gut. Geprägt hat mich ein Lehrer, den ich in der Oberstufe in Latein hatte, weil er die Grenze zwischen Schule und dem, was man aus eigenem Interesse lernt, völlig hat verschwinden lassen. Ich habe dann sogar freiwillig in meiner Freizeit lateinische Texte gelesen.
Was hat Ihre Studienwahl beeinflusst?
Jura habe ich zum einen studiert, weil ich durch meine ältere Schwester wusste, was einen da erwartet. Zum anderen habe ich schon immer gerne nach Lösungen gesucht. Die Art und Weise, wie Juristen Sachverhalte auseinandernehmen und nach gerechten Entscheidungen suchen, hat mir gut gefallen. Das ist auch meine Art zu denken. Außerdem habe ich gedacht, dass man mit Jura später viele verschiedene Berufe ergreifen kann. Ehrlich gesagt: Noch lieber hätte ich Altphilologie studiert. Aber das war – aus Sicht meiner Eltern – kein „Brot- und Butter-Studium“.
Worum ging es bei Ihrer Dissertation?
Meine Doktorarbeit ist eine rechtsgeschichtliche Arbeit. Ich habe Geschichte immer gemocht und wollte keine rein juristische Arbeit schreiben, das wäre mir zu trocken gewesen. Ich habe über die Geschichte des Vermögensgerichtsstandes promoviert. Das ist eine Vorschrift in der Zivilprozessordnung, die sich über Jahrhunderte entwickelt hat.
Unsere Ministerpräsidentin hat ja Ihre Führungskompetenz gelobt. Was macht für Sie gute Führung aus?
Für mich macht gute Führung vor allem aus, im Team zu arbeiten, und zwar auch in hierarchischen Strukturen wie in einem Ministerium. Auch wenn jeder seine eigene Rolle und Funktion hat, arbeitet man gemeinsam an einem großen Ganzen. Wenn man eine Führungskraft ist, muss man diese Rolle annehmen und manchmal eben auch entscheiden. Diese Entscheidungen müssen aber im Diskurs mit den Beteiligten erfolgen, nicht aus dem Bauch heraus und im Alleingang. Das kann auch mal bedeuten, gegen die Mehrheit zu entscheiden, weil man den Sachverhalt fachlich anders sieht.
Zu guter Führung gehört für mich außerdem, jedem den Raum zu geben, den er braucht, und die einzelnen Mitarbeiterinnen zu fördern und zu entwickeln.
Wie sehen Ihre ersten 100 Tage im neuen Amt aus?
Meine Planung für die ersten 100 Tage – und ehrlich gesagt auch für die restlichen vier Jahre und 265 Tage – ist zu lernen und mich in die neue Materie einzuarbeiten. Ich führe jetzt ganz viele Gespräche, möchte ganz viele Beteiligte kennenlernen. Seit Anfang Juni habe ich begonnen, Schulen in Rheinland-Pfalz zu besuchen, spreche dort mit Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften, Eltern und auch mit der Schulaufsicht. Hinzukommen Gespräche mit Verbänden und natürlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Hause. Da lernt man schon eine ganze Menge hinzu. Ganz wichtig zuletzt auch: Ich lese jede Menge Vermerke und mache mich schlau.
Inhaltlich steht eine Reihe von Themen an: die Kita-Novelle, die wir schnell auf den Weg bringen müssen; wir müssen über die Wechselprüfung sprechen, wir haben auch viele Themen im Zusammenhang mit der Inklusion zu bearbeiten, und die Unterrichtsversorgung zum Beginn des kommenden Schuljahres beschäftigt uns ebenfalls sehr. Schließlich steht aktuell die Beschulung von Flüchtlingskindern beziehungsweise deren Spracherwerb in der Kita und die Ausbildung von älteren Flüchtlingen ganz oben auf der Agenda.
Wie entspannen Sie sich, falls es denn mal Zeit dazu geben sollte?
Ich lese gerne, vor allem Romane aus dem 19. Jahrhundert, aber auch viele aktuelle Sachen. Ich handarbeite leidenschaftlich, nähe gerne mit der Nähmaschine, wozu ich leider kaum Zeit habe. Ich mache Yoga und liebe es, draußen an der frischen Luft zu sein. Und ich entspanne mich mindestens genauso gut, wenn ich abends mit Freunden zusammensitze, um zu essen, zu trinken und zu erzählen.
Vielen Dank für das Gespräch!