Bildungswende Jetzt! Unser Auftrag für die nächsten Jahre
Vorabauszug aus der GEW-Zeitung 07/08: Die Herausforderungen in der Bildungslandschaft sind enorm. Omnipräsent ist der Fachkräftemangel in nahezu allen Bildungsbereichen. Tausende von Erzieher:innen und Lehrkräften fehlen. Viel Arbeit muss sich auf zu wenige Schultern verteilen.
Dass das auf Dauer nicht gutgehen kann, dürfte allen klar sein. Wir entfernen uns in der aktuellen Situation immer mehr von dem eigentlichen Anspruch an Bildung: Faire Bildungschancen für alle in einem inklusiven Bildungssystem, in dem Kinder und Jugendliche unabhängig ihrer Herkunft ihre Potentiale voll entfalten können. Doch aufgeben ist keine Option und wir als neues Vorsitzendenteam möchten gemeinsam mit euch die Herausforderungen annehmen und angehen.
Bildungsgerechtigkeit: Ein zentrales Anliegen
Die Förderung von Bildungsgerechtigkeit bleibt unser Kernanliegen. Unser Ziel ist es, gleiche Bildungschancen für alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu schaffen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Wir pochen auf das Einhalten der UN-Kinderrechtskonvention, die das Recht auf Bildung für jedes Kind festschreibt, Mindeststandards für Bildungseinrichtungen vorgibt und die Weiterentwicklung der Bildungsgerechtigkeit einfordert. Dies beginnt in der Kita, wo wir qualitativ hochwertige Plätze für alle Kinder brauchen. Unbestritten trägt frühkindliche Bildung maßgeblich dazu bei, dass Bildungschancen erhöht werden. Umso dramatischer ist es, dass aktuell viel zu vielen Kindern erst spät ein Kita-Platz in ihrer Kommune angeboten werden kann. Wenn wir z.B. gerade aus Ludwigshafen immer wieder zurückgemeldet bekommen, dass Vierjährige noch immer auf einen Platz in der Kita warten müssen, dann sehen wir unmittelbar, wie sich Chancen für Kinder massiv verringern. Statt also erwiesenermaßen wenig zielführende Vorschulklassen oder gar ein Zurück zu den sogenannten Schulkindergärten zu fordern , braucht es das gemeinsame Leben und Lernen von allen Kindern in der Kita. Essenziell hierfür sind Bindungsprozesse und qualifizierte pädagogische Fachkräfte, die konstant die Kinder in ihrer Entwicklung begleiten können. Daher müssen Rahmenbedingungen so ausgestaltet sein, dass die Arbeit von den Beschäftigten gut bewältigbar ist und Fachkräfte für dieses wertvolle Arbeitsfeld gesichert werden können. Auch mit Blick auf die Grundschulen braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung aller. Besonders in herausfordernden Lagen im städtischen Raum sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich. Unter anderem müssen gerade hier die Klassengrößen deutlich verkleinert werden, um dem individuellen Bedarf der Schüler:innen gerecht werden zu können. Grundschüler:innen brauchen mehr Zeit für ein längeres gemeinsames Lernen. Eine Aufteilung in unterschiedliche Schulsysteme nach der vierten Klasse ist schlicht nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr muss es zukünftig darum gehen, dass der individuelle Lernfortschritt in den Blick genommen wird und dafür ausreichend Zeit für die Entwicklung gegeben wird. Eine zusätzliche Herausforderung wird ab 2026 die Verwirklichung des Rechtsanspruchs nach dem Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) sein, das auch grundlegend in Schulstrukturen eingreifen wird. Wir begreifen dies aber in erster Linie als Chance für ein anderes Lernen und Leben in den Grundschulen im Land.
Grundsätzlich wird der Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit nicht ohne eine grundlegende Schulreform gelingen können. Wir pochen auf das Einhalten der UN-Behindertenrechtskonvention. Daher fordern wir weiterhin konsequent, den Weg zu einer Schule für alle anzugehen und das mehrgliedrige Schulsystem zu überwinden. Wir sind davon überzeugt, dass wir ein inklusives Schulsystem brauchen für eine gerechte Bildung, für die Stärkung unserer Demokratie und für mehr Solidarität in unserer Gesellschaft. Denn nur durch das Lernen miteinander und voneinander kann es gelingen, dass alle Kinder und Jugendlichen ihre Potentiale voll ausschöpfen können. Deshalb werden wir weiter für die dafür notwendigen Ressourcen und die Einrichtung von echten multiprofessionellen Teams streiten.
Bildungswende Jetzt: Zeit für radikale Veränderungen
Unsere Bildungslandschaft steht vor großen Herausforderungen, die ein Umdenken und entschlossene Maßnahmen erfordern. Unter dem Motto „Bildungswende Jetzt“ (auch das Motto unseres diesjährigen Gewerkschaftstages) fordern wir gemeinsam im Bündnis mit Eltern- und Schüler:innenvertretungen eine tiefgreifende Reform des Bildungssystems und die Schaffung eines bundesweiten Sondervermögens Bildung in Höhe von 100 Milliarden Euro. Das Geld wird dringend benötigt, um den Wandel hin zu einem inklusiven Schulsystem zu schaffen und gleichzeitig den Investitionsstau anzugehen.
Bildungschancen: Für alle, ein Leben lang
Bildung endet nicht mit dem Schulabschluss, dem Ausbildungsende oder dem Abschluss eines Hochschulstudiums. Wir verstehen Bildung als lebenslangen Prozess. Deshalb legen wir einen besonderen Fokus auf die Erwachsenenbildung und die Weiterbildung. Wir fordern, dass berufliche und persönliche Weiterbildungsmöglichkeiten ausgebaut und gefördert werden, damit alle Menschen die Chance haben, sich weiterzubilden und ihre beruflichen und persönlichen Ziele zu erreichen.
In der Forschung setzen wir uns für bessere Arbeitsbedingungen und eine auskömmliche Finanzierung ein. Wissenschaftler:innen dürfen nicht länger in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Wir kämpfen für unbefristete Stellen und faire Bezahlung in der Forschung und bleiben beim TVStud am Ball.
Gemeinsam stark für eine bessere Bildung.
Wir, die neuen Vorsitzenden der GEW Rheinland-Pfalz, möchten neue Perspektiven in unsere Gewerkschaftsarbeit bringen. Mit unserer Agenda für die nächsten vier Jahre setzen wir ein klares Zeichen für mehr Bildungsgerechtigkeit, eine umfassende Bildungswende und die Schaffung besserer Bildungschancen für alle. Diese Ziele sind nur durch ein starkes Engagement aller Mitglieder und die gemeinsame Anstrengung zu erreichen. Lasst uns zusammenstehen und gemeinsam für eine gerechtere und bessere Bildung sowie die dafür nötigen guten Arbeitsbedingungen kämpfen – von der Kita bis zur Erwachsenenbildung.