Vortrag „Digitale Welt – Analoges Gehirn“
Dr. Alexander Jatzko fesselte die Teilnehmenden mit seinem Fachvortrag zum Thema „Digitale Welt – Analoges Gehirn.“ Zunächst wies der Experte darauf hin, dass in Deutschland mittlerweile nahezu alle Haushalte mit Computern, Smartphones und/oder Tablets ausgestattet sind. Auch der persönliche Besitz dieser Geräte nimmt unter Kindern und Jugendlichen ständig zu. „Noch im Jahr 2011 habe ich mit Eltern darüber diskutiert, ob Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse ein Handy besitzen sollten. Heute führe ich diese Diskussionen mit Eltern von Grundschulkindern und viele Grundschüler haben ein Handy,“ macht der Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie auf eine rasante Entwicklung aufmerksam.
Eine immer höhere Präsenzzeit von Kindern und Jugendlichen im Internet gehe mit dieser Entwicklung einher. Ein Smartphonebesitz führe in der Regel zu pausenloser Aufmerksamkeit auf dieses Gerät. Ein Großteil der Jugendlichen schaue vor dem Zubettgehen nochmal auf das Smartphone, ein überwiegender Teil parke das Smartphone nachts auf dem Nachttisch, manche sogar unter dem Kopfkissen. Knapp ein Drittel würden ein bis zweimal pro Woche durch Nachrichten geweckt. Eine hohe Aufmerksamkeit auf ein Smartphone störe Schülerinnen und Schüler aber bei den Hausaufgaben und beeinträchtige auch deren Schlaf. Schlafmangel aber führe zu Erinnerungslücken und reduziere die Arbeitsleistung am Tag. Menschen, die ständig am Handy sind, seien zudem impulsiver, ungeduldiger, hielten weniger Stress aus und könnten sich schlechter auf andere Dinge konzentrieren.
Das Thema Datensicherheit und Datenschutz dagegen, so der Experte, spiele unter Kindern und Jugendlichen so gut wie gar keine Rolle. Kaum ein Kind oder ein Jugendlicher wisse, dass Anwendungen wie Facebook Daten über online und offline Aktivitäten sammelten, Mausbewegungen aufzeichneten oder auf Adressbücher zugriffen. Den Vorschlag auf einen Messenger mit europäischen Sicherheitsstandards auszuweichen, würden die Betroffenen meistens mit der Begründung „zu aufwändig“ zurückweisen.
Andere Untersuchungen zeigten, so Dr. Jatzko, dass die Aufmerksamkeitsspannen von Jugendlichen immer kürzer werden. Gleichzeit nähmen körperliche Aktivitäten der Jugendlichen immer weiter ab. Im Hinblick auf erfolgreiches Lernen sei es aber notwendig 5–15 Minuten am Stück ungeteilt aufmerksam zu sein, um sich richtig in eine Aufgabe hineindenken zu können. Abspeicherung und Gedächtnisabrufe brauchten entsprechende Zeit um sich im Gehirn eines Menschen zu verankern. Lernen und Ablenkungen konkurrierten aber um dieselben Aufmerksamkeitszentren im Gehirn. Auch Ablenkungen würden im Gehirn abgespeichert. Erlerntes brauche ausreichend Zeit, teilweise 2–3 Stunden, bis es richtig im Gehirn abgelegt sei. So könne Erlerntes auch weg sein, wenn nach dem Lernen Aufregendes (z.B. Actionfilme) gesehen oder Negatives erlebt würde.
Natürlich gibt es auch Maßnahmen, um den Smartphonegebrauch von Schülerinnen und Schülern zu disziplinieren. Dazu zählen generelle Verbote Smartphones zu nutzen, Verbote oder Erlaubnisse für bestimmte Zeiten oder Räume, im Privaten auch technikfreie Sonntage. Dr. Jatzko mahnt Regeln zur Smartphonenutzung an, die die Erkenntnisse der Fachwissenschaften berücksichtigen müssten. Er bedauert, dass es bisher keine allgemeingültigen Erkenntnisse und Regeln gibt, sodass auch Eltern und Schulen häufig eine gute Orientierung fehle und diese hier auf sich gestellt blieben.
In der sich anschließenden Diskussion wurde schnell deutlich, dass in der GEW eine Vielfalt von Meinungen zum Thema Digitalisierung und Auswirkungen auf die Arbeit in den Schulen vorhanden ist. Während die Forderung nach einer besseren Ausstattung mit technischer Infrastruktur, Endgeräten im Besitz der Schule sowie einer zielgerichteten Qualifizierung von Lehrkräften viel Unterstützung unter den Vertrauensleuten der GEW fand, gab es auch warnende Stimmen, die einen zu großen Einfluss der Konzerne auf die Bildungspolitik und das Geschehen in den Schulen verhindern wollen. In einer Stellungnahme der GEW zum Entwurf einer Richtlinie des Bildungsministeriums zur Digitalen Bildung in der Primarstufe (siehe Download in der Service-Box rechts) hat sich die GEW neulich folgendermaßen positioniert:
„Medien haben einen zentralen Stellenwert im Prozess der Sozialisation gewonnen, so dass Medienbildung und -erziehung als Teil gesellschaftspolitischer Bildung unerlässlich ist. Bereits in der Primarstufe muss eine altersgemäße Medienerziehung und -nutzung einsetzen. Die GEW kritisiert jedoch die zu starke Ausrichtung der Richtlinie auf den Erwerb von technischen Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien. Bildung in der digitalen Welt erfordert erheblich mehr, nämlich zu verstehen, wie digitale Systeme funktionieren und zu unserem Besten eingesetzt werden – und auch, wie sie uns manipulieren und steuern können.“
Klaus-Peter Hammer begrüßt zu Beginn der Tagung
Der Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft, der im Schloß Waldthausen in Budenheim zahlreiche Lehrkräfte und Kita-Beschäftigte begrüßen konnte, die für ihre Gewerkschaft als Vertrauenspersonen in rheinland-pfälzischen Schulen und Kitas fungieren, mahnte einen kritischen Umgang mit den „neuen“ Medien an und kritisierte, dass große Unternehmen versuchten, immer mehr Einfluss auf die Arbeit in den Einrichtungen zu nehmen. Hammer lenkte die Aufmerksamkeit auch auf die Bedeutung des Datenschutzes und der Datensicherheit, die als Themen einen herausragenden Platz bei den Bildungsinhalten erhalten müssten. Er kritisierte die bisher mangelhafte Ausstattung von Schulen mit technischer Infrastruktur und dienstlichen Endgeräten. „Die GEW empfiehlt ein sehr planvolles Vorgehen bei der Umsetzung des DigitalPakt Bildung. Wir wollen die Umsetzung der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern für eine bessere Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik kritisch begleiten und die Interessen von Lehkräften als wichtige Grundlage unseres Handels sehen,§ sagte Hammer. Darüber hinaus forderte der GEW-Chef mehr Engagement des Ministeriums in der Lehrkräftefortbildung. „Hier benötigen wir mehr Mittel, aber auch spezifische Konzepte für die einzelnen Schulformen, die professionell entwickelt und evaluiert werden müssen,“ führte Hammer dazu aus. In diesem Zusammenhang erneuerte er seine Kritik an der Schuldenbremse des Landes, die trotz hoher Steuereinnahmen dringend notwendige Investitionen in Infrastruktur und Ausgaben für Bildung verhindere.
In Bezug auf tarif- und beamtenpolitische Themen wies Hammer auf die Tarifrunde der Länder hin, in der die Gewerkschaften im ersten Quartal 2019 deutliche Einkommensverbesserungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder erreichen wollen. Tarifbeschäftigte sowie Beamtinnen und Beamte müssten in der zu erwartenden Auseinandersetzung mit der Arbeitgeberseite TdL (Tarifgemeinschaft Deutscher Länder) zusammen stehen und auch gemeinsame Aktionen starten. „Wenn wir geschlossen auftreten steigen die Chancen auf ein gutes Tarifergebnis. Davon würden auch Beamtinnen und Beamte profitieren, da ja die Landesregierung ihren Grundsatz „Besoldung folgt Tarif“ wieder aufgegriffen hat,“ warb der Vorsitzende schon jetzt für entsprechendes Engagement der Vertrauensleute seiner Gewerkschaft. Gleichzeitig versprach er den Kampf der Gewerkschaft für eine gerechte Bezahlung der Beschäftigten in Kitas und Schulen fortzusetzen. Schließlich kündigte Hammer an, dass er sich im Hauptvorstand der GEW dafür einsetzen werde, in der Auseinandersetzung um ein Beamtenstreikrecht nicht aufzugeben und in dieser Frage die europäische Gerichtsbarkeit zu bemühen.