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Angehende ErzieherInnen enttäuscht von Politik und Verwaltung

FachschülerInnen protestieren vergebens gegen Klassenzusammenlegung. Aus drei mach zwei. Sprich: Wegen sinkender Schülerzahlen bzw. fehlender Fachkräfte werden im zweiten Jahr eines Bildungsganges Klassen zusammengelegt. Nicht nur im BBS-Bereich kennen Lehrer wie Schüler diese Maßnahme, durch die Lehren und Lernen oft nur noch unter schwierigen Bedingungen stattfinden können.

SchülerInnen einer staatlichen Erzieherfachschule in Ludwigshafen wollten sich das Ende vergangenen Schuljahres nicht bieten lassen und protestierten (und protestieren immer noch) in vielfältiger Form, worüber auch die regionalen Medien berichteten. Was daraus geworden ist, wollte Günter Helfrich in einem Gespräch mit den Wortführern der drei Erzieherklassen 14 (Namen sind der Redaktion bekannt) wissen.

Wie und wann haben Sie von dem Plan der Schulleitung erfahren?

Wir haben die Information nur stückweise bekommen. Zwei Wochen vor dem Praktikum hatten wir dann kaum noch Zeit, um zu reagieren. Wie wir gehört haben, waren die Lehrkräfte frühzeitig informiert; ihnen sei allerdings die Weitergabe verboten worden.

Warum haben Sie das nicht einfach akzeptiert; rein formal war die Zusammenlegung ja korrekt?

Sehr gestört hat uns, wie mit uns als Erwachsenen umgegangen wurde. Es gab keine Transparenz, keine Kommunikation, unser Angebot zur Kooperation wurde abgelehnt. Uns hat einfach die Unterstützung gefehlt. Ärgerlich ist auch die Streichung von Projekten im ersten Erzieherjahr.

Bitte erläutern Sie Ihre Argumentation näher, warum so große Klassen in der Erzieherausbildung nach Ihrer Meinung kontraproduktiv sind.

Generell werden Gruppenprozesse und Gruppenarbeiten erschwert, Diskussionen mit der ganzen Klasse wie inhaltliche Vertiefungen sind fast unmöglich. Schülerinnen und Schüler, die mehr Zeit brauchen, fallen hinten runter, denn die Lehrkräfte haben keine Zeit, sich ihnen individuell zu widmen.

Was haben Sie alles unternommen, mit wem gesprochen?

Eine ganze Menge: zunächst natürlich Gespräche mit der Schulleitung, dann mit der ADD und dem Ministerium. Wir haben sogar die Ministerpräsidentin direkt angesprochen und bekamen von ihr die Zusage, uns zu unterstützen. Parallel dazu haben wir auch die Presse eingeschaltet. Alles vergeblich.

Wie waren die Reaktionen bzw. die Argumentationen Ihrer Gesprächspartner auf den verschiedenen Ebenen?

Es hieß immer, es gebe nicht genügend Lehrkräfte und unsere Schülerzahl sei zu gering. Wir hatten immer den Eindruck, unsere Meinungen / Gefühle würden von der Schulleitung abgeschmettert, belächelt und von oben herab behandelt.

Wie reagierten/reagieren eigentlich die Lehrkräfte auf diese Situation?

Wir hatten den Eindruck, dass sie die ungünstigen Umstände erkannten, aber im Loyalitätskonflikt zu ihren Vorgesetzten waren und Angst vor eventuellen Folgen hatten.

Leider war Ihr Protest nicht von Erfolg gekrönt. Von wem sind Sie besonders enttäuscht?

Zunächst mal von der Schulleitung aufgrund mangelnder Transparenz und Kommunikation. Wir haben leider keine Unterstützung in unserem Kampf für bessere Verhältnisse bekommen. Die ADD hat uns Hoffnungen bzw. Zugeständnisse im Klassengespräch gemacht, aber sobald der Schulleiter dabei war, wurde alles wieder zurückgenommen. Sehr enttäuscht sind wir auch von Frau Dreyer: Die Kommunikation mit ihr war sehr schleppend, trotz erneuten Aufsuchens wurden wir nur vertröstet. Wir hatten eigentlich gehofft, mit ihrer Hilfe zu einer Lösung zu kommen. Wir haben das Gefühl, sie hat uns fallen lassen.

„Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft hat schon verloren“, soll Brecht mal geschrieben haben. Können Sie auch Positives aus dem vergeblichen Protest ziehen?

Ja, durchaus. Viele von uns haben zum ersten Mal politisches Engagement erlebt und dadurch ein Bewusstsein für Politik bekommen. In den Klassen ist ein Gemeinschaftsgefühl entstanden. Auch konnten wir die Regierung auf unsere Situation aufmerksam machen.

Zum Zeitpunkt dieses Gespräches sind gerade Herbstferien. Der Unterricht läuft seit sechs Wochen in zwei Klassen mit je 31 SchülerInnen. Haben sich Ihre Befürchtungen bestätigt?

Inzwischen hat sich die Schülerzahl auf je 29 vermindert. Das hat aber nichts an der schwierigen Situation geändert. Wie haben keine geeigneten Klassenräume, die genug Platz bieten, und ziemliche Akustikprobleme. Die Gruppenarbeit ist erschwert durch die beengten Verhältnisse und fehlende Gruppenräume. Aufgrund der hohen Schülerzahl sind Diskussionen kaum möglich. Auch ist keine Teilung der Klassen während des Unterrichts möglich und dadurch keine Entzerrung.

Nach wie vor werden wir von der Schulleitung nur informiert, es fehlen immer noch Transparenz und echte Kommunikation. Wir fragen uns, wie unter diesen Umständen die Mitarbeit bewertet werden kann, und fürchten generell, dass die Noten darunter leiden. Es gibt keine Projektarbeit mehr und es wird nur noch ein Wahlpflichtfach angeboten. Nicht nur für uns kontraproduktiv war die von oben verordnete Streichung des gemeinsamen Wandertagtermins aller Klassen. Dies hat den Gruppenfindungsprozess in den neu zusammengewürfelten Klassen erschwert. Wir empfinden die Erzieherausbildung an dieser Schule inzwischen als Mogelpackung: Da ist nicht drin, was draufsteht!

Vielen Dank für das Gespräch und trotz allem viel Erfolg in Ihrer Ausbildung bzw. später im Erzieherberuf. Sie wissen ja: Mit der GEW haben Sie starke und kompetente Partner an Ihrer Seite.

Vorabdruck aus GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 12/15

 

Kurzkommentar: Demokratiedefizit

(gh) Welch krasser Gegensatz in dieser GEW-Zeitung: Wir berichten ausführlich vom 10. Demokratietag auf dem Hambacher Schloss, bei dem zahlreichen Leuchtturme schulischer Demokratieerziehung präsentiert wurden, mit denen sich allenthalben gerne geschmückt wird.

Und wir berichten an dieser Stelle über das genaue Gegenteil an einer BBS in Ludwigshafen. Die schnöde Realität: null Demokratie, nur formale Argumente. Fremdworte: Partizipation, Transparenz, Empathie und Kommunikationskultur. Wie deprimierend.

Hoffnung macht einzig und alleine das Engagement der angehenden ErzieherInnen. Sie wissen, wie anspruchsvoll ihre künftige Arbeit ist, und sie fordern zu Recht, entsprechend dem von ihnen geforderten Niveau ausgebildet zu werden. Auch wenn die von den jungen Leuten ausdrücklich gelobten Lehrkräfte an der Fachschule ihr Bestes geben: Unter diesen Umständen können die unverzichtbaren Standards nicht erreicht werden. Eltern fürchten schon um die Förderung ihrer Kinder, Fachpersonal droht abzuwandern. Eigentlich ist die frühkindliche Bildung seit vielen Jahren ein Leuchtturm rheinland-pfälzischer Bildungspolitik. Wenn dem so bleiben soll, ist in solchen Fällen konsequentes Handeln überfällig.